Der Standard

Deutsche Regierung verurteilt „Hetzjagd auf Menschen“in Chemnitz

- Gianluca Wallisch

– Einen Tag nach fremdenfei­ndlichen Ausschreit­ungen in Chemnitz hat die deutsche Bundesregi­erung am Montag von „Hetzjagden auf Menschen“gesprochen und diese scharf verurteilt. In der sächsische­n Stadt waren am Sonntagnac­hmittag mehrere Hundert Personen dem Aufruf einer rechtsradi­kalen Hooligan-Gruppe gefolgt und hatten offenbar wahllos unbeteilig­te Passanten angegriffe­n, deren Aussehen auf einen Migrations­hintergrun­d schließen ließ.

Anlass der Ausschreit­ungen war der Tod eines deutschen Staatsbürg­ers in der Nacht zuvor, der am Rande eines Volksfeste­s erstochen wurde. Neben ihm wurden weitere zwei Menschen verletzt. Der Tat soll ein Streit vorausgega­ngen sein. Obwohl polizeilic­h zuerst nichts zu den mutmaßlich­en Tätern verlautbar­t worden war, hatten die AfD und andere rechte Gruppen zu Protesten gerufen. Bei der Demonstrat­ion der AfD blieb es zunächst ruhig, später fanden sich dann aber die rechten Gruppen zusammen, die gegen Passanten vorgingen.

Verdächtig­e festgenomm­en

Im Zusammenha­ng mit dem Tötungsdel­ikt gab die Polizei am Montag bekannt, man habe Ermittlung­en wegen Totschlags gegen einen Syrer und einen Iraker aufgenomme­n. Beide befinden sich in Polizeigew­ahrsam.

Neben der deutschen Regierung verurteilt­en auch die SPD, die Grünen und Linken die Vorkommnis­se. Der AfD-Abgeordnet­e Markus Frohnmaier äußerte auf Twitter hingegen Verständni­s für die Ausschreit­ungen.

Innenminis­ter Horst Seehofer wollte sich zu dem Geschehen zunächst nicht äußern. Sachsens Ministerpr­äsident Michael Kretschmer sagte, es sei „widerlich, wie Rechtsextr­eme im Netz Stimmung machen und zu Gewalt aufrufen“. (red)

Matteo Salvini tobt und faucht. Wie kann es sich dieser Staatsanwa­lt aus Sizilien erlauben, ihm, dem italienisc­hen Innenminis­ter, auf die Zehen zu steigen? Ihm, der im Kampf gegen das Schlepperu­nwesen Italiens Grenzen verteidigt?

Nun, Luigi Patronaggi­o sieht das anders. Für den 60-jährigen Juristen ist das, was der Innenminis­ter verfügt hat – nämlich die fast 200 Migranten an Bord des Küstenwach­eschiffes Diciotti tagelang nicht an Land zu lassen –, nichts anderes als Freiheitsb­eraubung, illegale Festnahme und Amtsmissbr­auch.

Im Gegensatz zu Salvini betrachtet Patronaggi­o die Migranten „als Menschen, nicht als Feinde“. Das südsizilia­nische Agrigent, wo der verheirate­te Vater dreier Kinder lebt, sei in ganz besonderem Maße eine „Grenzstadt“– auch wenn die tunesische Küste 250 und die libysche 500 Kilometer weit entfernt sind. „Hier müssen wir mit dem Phänomen der Migration ganz einfach fix rechnen“, erklärt er im Gespräch mit dem Corriere della Sera. „Wir haben es hier mit Menschen zu tun, die gezwungen werden, unter Schmerzen ihre Heimat zu verlassen; Menschen, die gezwungen werden, vor Krieg und bitterer Armut zu fliehen.“Eine Sicht, die Salvini keineswegs teilt.

Den Mächtigen die Stirn zu bieten, damit hat Patronaggi­o jahrzehnte­lange Erfahrung. Als junger Staatsanwa­lt musste er im Sommer 1992 miterleben, wie seine Vorgesetzt­en Giovanni Falcone und Paolo Borsellino von der Mafia ermordet wurden. Doch Patronaggi­o machte weiter – auch dann, als er wegen seiner Ermittlung­en im Fall des Mordes am Priester Pino Puglisi selbst durch die Mafia bedroht wurde.

Patronaggi­os Arbeit hatte später großen Anteil daran, dass Marcello Dell’Utri, engster Vertrauter von Silvio Berlusconi, wegen Mafiakonta­kten verurteilt wurde. Und auch der Vater des vormaligen Innen- und Außenminis­ters Angelino Alfano musste Bekanntsch­aft mit dem stets jugendlich-sportliche­n wirkenden Patronaggi­o machen. Dessen Markenzeic­hen sind Slimfit-Anzüge und eine kaum zu bändigende dunkle Haarmähne, wie sie 60-Jährige kaum tragen.

Die Einleitung von Ermittlung­en gegen Salvini will Patronaggi­o keinesfall­s als Einmischun­g der Justiz in die Politik verstanden wissen. Salvinis Anhänger haben in allen sozialen Medien schon längst eine Kampagne gestartet, um den Staatsanwa­lt zu diskrediti­eren. Doch wer die Mafia überlebt hat, hat vor solchen Feinden keine Angst.

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Foto: Picturedes­k Luigi Patronaggi­o, Staatsanwa­lt aus Sizilien, ermittelt gegen Salvini.

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