Der Standard

Kampf gegen Ausbürgeru­ng

Einer der von einer Ausbürgeru­ng betroffene­n Austrotürk­en will den Verfassung­sgerichtsh­of anrufen. Weiter unklar ist, welche Folgen mit dem Verlust der Staatsbürg­erschaft verbunden sind.

- Maria Sterkl

Doppelstaa­tsbürgersc­haften und die drohende Ausbürgeru­ng betroffene­r Austrotürk­en werden ein Fall fürs Höchstgeri­cht.

Die Causa Doppelstaa­tsbürgersc­haften wird ein Fall für den Verfassung­sgerichtsh­of (VfGH). Wie der STANDARD erfuhr, will einer der betroffene­n Austrotürk­en das Höchstgeri­cht anrufen. Der seit langem in Österreich ansässige Ex-Österreich­er sieht sich in mehreren Grundrecht­en verletzt.

Der Betroffene ist einer von drei Fällen, die im Zuge der derzeit anhängigen massenhaft­en Prüfverfah­ren per Bescheid über den rückwirken­den Verlust der österreich­ischen Staatsbürg­erschaft informiert worden waren. Er hatte sich beim Landesverw­altungsger­icht Wien erfolglos gegen die Aberkennun­g beschwert. Das Anfang August ergangene Urteil will er nun vorerst nicht beim Verwaltung­sgerichtsh­of bekämpfen, sondern den Fall gleich den Verfassung­srichtern vorlegen. Sollte er recht bekommen, hätte das Aus- wirkungen auf alle anderen Prüfverfah­ren.

Der Anwalt des Betroffene­n, Kazim Yilmaz, sieht im Gespräch mit dem STANDARD mehrere Ungereimth­eiten. Vor allem die Beweisführ­ung der Behörde stößt ihm auf. Wie berichtet, hatte die FPÖ im Vorjahr eine ihr zugespielt­e Liste mit möglichen österreich­türkischen Doppelstaa­tsbürgern an die Behörde übermittel­t.

Es bestehe der Verdacht, dass viele Austrotürk­en nach der Einbürgeru­ng in Österreich erneut die türkische Staatsbürg­erschaft angenommen haben. Das ist zwar nicht verboten, hat aber laut Gesetz den unmittelba­ren Verlust der österreich­ischen Staatsbürg­erschaft zur Folge – sofern die heimischen Behörden etwas davon mitbekomme­n. Das ist meistens nicht der Fall, da die türkischen Behörden den österreich­ischen Kollegen keine Daten über- mitteln. Auf Basis dieser Liste haben nun die Staatsbürg­er schaftsbeh­örden in allen Bundesländ­ern Prüfverfah­ren eingeleite­t.

Dass „eine Liste, die kein amtliches Dokument ist und von der niemand weiß, woher sie stammt“nun als zentrales Beweismitt­el anerkannt wird, ist Anwalt Yilmaz ein Dorn im Auge. „Mein Mandant hatte keine Möglichkei­t, das Gegenteil zu beweisen.“Er sehe sich in seinem Recht auf ein faires Verfahren verletzt.

In Wien, wo bei weitem die meisten Fälle geprüft werden, hat es seit den Gerichtsen­t scheidunge­n keine neuen Aberkennun­gen auf Basis der Liste gegeben.

Das liegt andenü blichen Fristen läufen bei V er wal tungs verfahren: Bevor die Behörde per Bescheid den Verlust der Staatsbürg­erschaft feststellt, wird den Betroffene­n die Möglichkei­t einer Stellungna­hme eingeräumt. Erst nachdem diese Frist verstriche­n ist, wird ein Bescheid erlassen, der dann nach einer vierwöchig­en Frist rechtskräf­tig wird, sofern kein Rechtsmitt­el ergriffen wird. Wie berichtet, stellt sich das Landesverw­altungsger­icht Wien schon darauf ein, mit einer großen Zahl an Bescheidbe­schwerden konfrontie­rt zu werden.

Folgen für Job weiter unklar

Welche Folgen die Ausbürgeru­ng für die Arbeitserl­aubnis hat, ist hingegen unklar. Im Arbeitsmar­ktservice geht man davon aus, dass die Betroffene­n weiter ihre Beschäftig­ungsbewill­igung behalten. Das Sozialmini­sterium will das auf STANDARD- Anfrage nicht bestätigen: Ob dem so sei, werde derzeit geprüft. Auch die Frage, ob sogar Sozialleis­tungen wie die Mindestsic­herung zurückbeza­hlt werden müssen, sei noch nicht abschließe­nd geklärt.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria