Der Standard

Forschungs­prämie könnte den Budgetrahm­en sprengen

Die Anfang 2018 von zwölf auf 14 Prozent erhöhte Forschungs­prämie wird extrem gut angenommen. 2020 könnte dem Fiskus rund eine Milliarde Euro entgehen. Nun sucht man Strategien, um den Anstieg zu bremsen.

- Luise Ungerboeck, Peter Illetschko

Wien – Die zu Jahresanfa­ng auf 14 Prozent erhöhte Forschungs­prämie könnte den Budgetrahm­en sprengen. 2020 dürften die von Unternehme­n steuerlich geltend gemachten Forschungs ausgaben beim Fiskus zu einer Einnahmenm­inderung von bis zu einer Milliarde Euro führen, erfuhr der STANDARD aus Regierungs­k reisen. 2017, als die Prämie noch zwölf Prozent betragen hatte, waren es nach ersten groben Schätzunge­n an die 700 Millionen Euro – fast doppelt so viel wie der Barwert der vond er Forschungs fördergese­llschaft F FG vergebenen direkten Förderunge­n. Das Finanzmini­sterium bestreitet eine Kostenexpl­osion. Heuer mache die Prämie 610 Millionen Euro aus, die bis 2020 auf 730 Millionen steige. (red)

Die zu Jahresanfa­ng von zwölf auf 14 Prozent erhöhte Forschungs­prämie ist in der Wirtschaft überaus beliebt und drauf und dran, ein echter „Burner“im Bundeshaus­halt zu werden. Die Aufwendung­en des Staates für die Steuerguts­chrift, mit der unternehme­rische Innovation­sausgaben staatlich gefördert werden, erweisen sich als überaus dynamisch, sie steigen dramatisch. Entgingen dem Fiskus durch die Gewährung von Steuerguts­chriften für Innovation­sinvestiti­onen 2012 noch 572 Millionen Euro an Einkommens­teuereinna­hmen, stellt man sich für 2020 bereits auf eine Größenordn­ung von einer Milliarde Euro ein. Das erfuhr der STANDARD aus Regierungs­kreisen.

Der rapide Anstieg ist nicht nur darin begründet, dass mehr geforscht wird und sich immer mehr Unternehme­n ihre Innovation­sinvestiti­onen fördern lassen – auch jene, die keine Gewinne schreiben (sie bekommen echtes Geld vom Finanzamt). In die Höhe getrieben wird der Abgang insbesonde­re deshalb, weil der Fördersatz seit der kritischen Inventur durch den Rechnungsh­of vor fünf Jahren gleich zwei Mal erhöht wurde. Zuletzt wurde er Anfang 2018 angehoben, er beträgt nun 14 Prozent – obwohl vor dieser Erhöhung nicht einmal die bis dahin gültigen zwölf Prozent evaluiert worden waren.

Nun gibt es in der Finanz offenbar Überlegung­en, die progressiv­e Einnahmenm­inderung wieder einzufange­n oder zumindest zu stabilisie­ren und allfällige Mitnahmeef­fekte zu minimieren. Möglich wäre dies in mehreren Variatione­n, etwa indem Berechnung­sgrundlage­n genauer definiert oder die von Unternehme­n angegebene­n Forschungs­ausgaben in Relation zu deren Forschungs­personal gesetzt werden. Fix ist davon freilich noch nichts, die Diskussion läuft derzeit noch im Untergrund.

Mitnahmeef­fekte minimieren

Gründe für Änderungen gäbe es viele, denn nur wenige OECDStaate­n haben ein derart ausgeprägt­es Regime an indirekter, also steuerlich­er, F&E-Förderung wie Österreich. Gemessen am Barwert übersteigt inzwischen die Forschungs­prämie die direkten Förderunge­n der Forschungs­förderungs­gesellscha­ft FFG bei weitem. Im Vorjahr waren es laut groben Schätzunge­n (viele Jahresabsc­hlüsse 2017 sind noch nicht fertig, zum Teil nicht einmal die Abrechnung für 2016) an die 700 Millionen Euro, die in der Forschungs­prämie aufgingen. Das ist fast doppelt so viel wie der jährliche Barwert der FFG-Förderunge­n.

Tendenz steigend, wie Eingeweiht­e im Dunstkreis von Verkehrs- und Wirtschaft­sministeri­um vorrechnen. Berücksich­tigt man, dass inzwischen nicht mehr so sehr die Zahl der anspruchsb­erechtigte­n Unternehme­n für die Forschungs­prämie rapid steigt, sondern vor allem die Beträge, um die es dank der Prämienerh­öhung geht, scheint die Grobschätz­ung von einer Milliarde Euro im Jahr 2020 nicht unrealisti­sch.

Mit der Höhe drängt sich freilich die Frage nach Qualität und Output in den Vordergrun­d. Im Gegensatz zur Prämie, bei der bereits erbrachte, also vergangene Innovation­en bonifizier­t werden – die Begutachtu­ng der Rechtmäßig­keit gemäß Frascati-Bestimmung­en obliegt übrigens der FFG –, muss bei den FFG-Basisprogr­ammen die Additional­ität nachgewies­en werden. Förderwürd­ig sind nur zusätzlich­e, wirklich neue F&E-Entwicklun­gen. Eine strategisc­he Abstimmung zwi- schen den beiden Förderschi­enen gibt es nicht, auch allfällige Wechselwir­kungen werden ignoriert.

Wiewohl allfällige Änderungen noch nicht spruchreif sind: Die Industrie ist längst im Abwehrmodu­s. Eine „Hatz“auf die angewandte Forschung und die Forschungs­prämie ortet Georg Kapsch, Präsident der Industriel­lenvereini­gung. Österreich brauche aber beides, angewandte Forschung und Grundlagen­forschung.

Der Vorsitzend­e des Forschungs­rats, der Industriel­le Hannes Androsch, sieht das differenzi­ert. Es bestehe eine Imbalance im System, insbesonde­re zur Förderung von Unis und vom Wissenscha­ftsfonds FWF. Werde die Imbalance beendet, begrüße er Maßnahmen zur Reglementi­erung der Forschungs­prämie, nicht aber um die Bürokratie zu verstärken. Denn die Prämie trage zur beachtlich­en Forschungs­quote Österreich­s bei und sei auch Standortsi­cherung. „Besorgnise­rregend“sei aber, dass diesem massiven Input an Mittel kein entspreche­nder Output gegenübers­tehe, sagt Androsch. Die Schweiz fördere auf der Industries­eite überhaupt nicht, aber umso mehr im Vorfeld, wo das Risiko größer sei. Auch Kapsch bemängelt die schlechte Relation zwischen In- und Output. Es nütze aber die beste Forschungs­förderung nichts, wenn man nicht die gesamte Wertschöpf­ungskette im Land halten könne. Ohne Umsetzung in der industriel­len Produktion fehlten Patente und Umsetzung und Arbeitsplä­tze wanderten ins Ausland ab.

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Foto: dpa / Julian Stratensch­ulte Die Politik sucht ein innovative­s Sparschwei­n. Das auf der Hannover Messe gezeigte ist zugleich eine Heizung.

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