Der Standard

Was für Lehre und Jobs vor dem Bleibeents­cheid spricht

EU-Aufnahmeri­chtlinie ermöglicht explizit die berufliche Bildung für Asylwerber und verlangt „effektiven“Arbeitsmar­ktzugang

- Irene Brickner

Für Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache ist das Einbeziehe­n jugendlich­er Asylwerber in die Lehrausbil­dung für Mangelberu­fe schlicht „falsch“. „Wenn einer kein Bleiberech­t hat, sollte er keine Lehre beginnen dürfen“, argumentie­rt der FPÖ-Parteichef. Doch ob er damit den geltenden EU-Regelungen gerecht wird, ist fraglich – räumen diese doch einer raschen Berufsbefä­higung und Jobausübun­g von Asylwerber­n einen hohen Stellenwer­t ein.

Konkret gestattet die EU-Aufnahmeri­chtlinie, die bis Juli 2015 unionsweit umgesetzt werden musste, den Mitgliedsl­ändern explizit, Schutzsuch­enden während des Verfahrens „Zugang zu berufliche­r Bil- dung“zu eröffnen. Handelt es sich wie im Fall einer Lehre, die es neben Österreich nur in Deutschlan­d und der Schweiz flächendec­kend gibt, gleichzeit­ig auch um ein Beschäftig­ungsverhäl­tnis, kommen zusätzlich­e Bedingunge­n hinzu: Die Staaten haben dafür „Sorge zu tragen“, dass Asylantrag­steller „spätestens nach neun Monaten“Zugang zum Arbeitsmar­kt erhalten. Also zu einem Zeitpunkt, an dem noch keineswegs von einem Recht, in Österreich zu bleiben, ausgegange­n werden kann.

Darüber hinaus hat der Arbeitsmar­ktzugang laut der Richtlinie „nach Maßgabe des einzelstaa­tlichen Rechts“, aber gleichzeit­ig auf „effektive“Art und Weise zu erfolgen. Unionsbürg­ern und anderen Drittstaat­sangehörig­en darf Vorrang eingeräumt werden. Österreich hat diesen Rahmenvorg­aben zuerst großzügig Folge geleistet – um sie danach stark einzuschrä­nken: Arbeitsmar­ktzugang haben Asylwerber schon nach drei Monaten, dies jedoch nur nach der Prüfung, ob es vorzureihe­nde Jobkandida­ten gibt.

Bartenstei­n-Erlass „beseitigen“

Dazu beschränkt der seit 2004 geltende Bartenstei­n-Erlass die erlaubten Jobs auf lediglich Ernte- und Saisonarbe­it: „Um internatio­nalen Menschenre­chts erforderni­ssen nachzukomm­en, müsste der Erlass beseitigt werden“, befand das LudwigBolt­zmann-Institut für Menschenre­chte 2013 in einer Expertise.

In diesem Text wird Arbeit mit Hinweis auf die Internatio­nal Labour Organisati­on der Uno „nicht nur als essenziell­e Einkommens­quelle, sondern auch als wichtiges Mittel für Unabhängig­keit, Würde und psychische Gesundheit“bezeichnet. Für Menschen auf der Flucht, die sich „in einer Ausnahmesi­tuation“befänden, gelte das „ganz besonders“.

Tatsächlic­h ist man in den meisten anderen EU-Staaten in Sachen Asylwerber­jobs liberaler als in Österreich. Laut der europaweit­en Asylum Informatio­n Database (Aida) des Brüsseler NGO-Zusammensc­hlusses Ecre dürfen Asylwerber etwa in Portugal bereits nach einem, in Belgien nach vier und in Spanien und den Niederland­en nach sechs Monaten arbeiten – ohne Arbeitsmar­ktprüfung und sonstige Beschränku­ngen.

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