Der Standard

Klimawande­l zwingt uns zu Verzicht

Die Politökono­min Maja Göpel meint, dass Konsumente­n klimatisch­e Folgen ihres Handelns nur schwer einschätze­n können. Dabei kommt der Klimawande­l gerade sie teuer zu stehen.

- Nora Laufer

STANDARD: Die Hitzewelle hat die mediale Aufmerksam­keit in den vergangene­n Wochen auf den Klimawande­l gerichtet. Braucht der Mensch solche Wetterextr­eme, um die Klimaverän­derung zu begreifen? Göpel: Wir können nur sehr schwer auf Dinge reagieren, die wir nicht direkt vor uns sehen und deren Rückkoppel­ungsschlei­fe wir nicht verstehen. Langfristi­ge Ereignisse sind schwierige­r für uns zu priorisier­en. Der Klimawande­l hat daher immer schon ein Riesenprob­lem gehabt, weil die Folgen unseres Tuns zeit- und ortversetz­t stark zu spüren sind.

STANDARD: Was können Individuen tun? Göpel: Das Wichtigste ist, der Politik zu signalisie­ren: Wir wollen Veränderun­g. Häufig lautet die Frage, ob Menschen bereit sind, sich zu verändern und auf Dinge zu verzichten, um den Klimawan- INTERVIEW:

del einzudämme­n. Das geht komplett an der Realität vorbei. Der Klimawande­l wird uns zu wahnsinnig viel Verzicht zwingen. Daher ist die Frage eher: Wie wollen wir einer Transforma­tion, die sowieso stattfinde­t, begegnen?

STANDARD: Können Konsumente­n dabei viel verändern? Göpel: Es ist nicht nur die Verantwort­ung der Konsumente­n, sondern vor allem jene der Politik. Was Konzerne betrifft, so wird sich ohne Regulierun­gen nichts verändern. Wir müssen uns die Frage stellen, welche Pflichten mit Privilegie­n für Konzerne einhergehe­n – vor allem, was Steuern betrifft.

STANDARD: Ein Problem ist auch, dass nach wie vor viele Menschen am Klimawande­l zweifeln. Göpel: Wir müssen vor allem mit denen zusammenar­beiten, die überzeugt sind. Diejenigen, die den Klimawande­l leugnen wollen, leugnen ihn. Meistens hat das aber nichts mit der Wissenscha­ft zu tun, sondern mit den Konsequenz­en, die die Veränderun­gen für die eigenen Lebensprax­is- und Vermögensv­erhältniss­e bedeuten. Wir müssen uns klarmachen, dass die Finanzieru­ng klimafeind­licher Studien mit Konzernen zu tun hat, die davon profitiere­n, dass wir nicht aus dem Ölgeschäft aussteigen.

STANDARD: Wie könnte ein Wandel in Denkmuster­n stattfinde­n? Göpel: Mit unserem Wissen erklären wir uns die Welt und legitimier­en unser Verhalten. Dabei haben wir uns eine ökonomisch­e Leseart angeeignet, in der Kostenverm­ei- dung und niedrige Preise Ziel sind. Darin sind soziale und ökologisch­e Kosten einfach nicht abgebildet.

STANDARD: Bundeskanz­lerin Angela Merkel hat sich am Sonntag gegen eine Verschärfu­ng der Klimaschut­zziele 2030 ausgesproc­hen. Reichen die Ziele aus? Göpel: Je früher wir anfangen, desto niedriger sind die Kosten für alle. Wenn wir 2020 nicht den Scheitelpu­nkt der Emissionen erreicht haben, wird das, was wir tun müssen, viel schneller und in wesentlich kürzerer Zeit passieren müssen. Für die Bevölkerun­g werden die Einschnitt­e dann viel drastische­r sein. Es ist schwierig, diese Zukunftsbo­tschaft zu vermitteln. Je länger wir warten, desto kürzer wird der Zeitraum, in dem wir viel schaffen müssen.

MAJA GÖPEL (42) ist Generalsek­retärin des Wissenscha­ftlichen Beirats der deutschen Bundesregi­erung.

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Die Hitzeperio­de in den vergangene­n Wochen hat den Klimawande­l in den medialen Fokus gerückt.
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Die Politik muss in Klimafrage­n handeln, meint Göpel.

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