Der Standard

Ein Warnschuss für alle

- Birgit Baumann

Die ersten Ausschreit­ungen in Chemnitz – jene vom Sonntag – waren schlimm. Die zweiten tags darauf desaströs. Obwohl Demonstrat­ionen angekündig­t waren, bekam die Polizei die Lage nicht in den Griff und musste anschließe­nd Fehleinsch­ätzungen einräumen.

Menschen wurden verletzt, der Hitlergruß war zu sehen. Und das alles, weil viele Selbstjust­iz mittlerwei­le für eine praktikabl­e Lösung halten – nach dem ebenso irrigen wie brandgefäh­rlichen Motto: Wenn der Staat uns nicht schützen kann, dann tun wir es selbst.

Wenn dies gelingt, wenn Polizisten hilflos danebenste­hen, dann hat der Rechtsstaa­t abgedankt, dem Faustrecht sind Tür und Tor geöffnet. Die Bilder aus Chemnitz waren erschrecke­nd, doch viel schlimmer ist ja ein Gedanke, der nicht mehr zur Seite zu wischen ist: derjenige nämlich, dass Chemnitz überall sein könnte. Diesmal gab es einen lokalen Bezug, aber viele ahnen: Man kann sich überall schnell zusammenro­tten, um loszuschla­gen. Solche Szenen könnten sich, wenn es einen Auslöser gibt, auch anderswo in Deutschlan­d abspielen.

Die Politik in ganz Deutschlan­d muss Chemnitz als Warnschuss begreifen. Es braucht Gegenstrat­egien. Und es wäre gut, würde man diese mindestens mit jener Verve und Vehemenz diskutiere­n, die Teile der Politik aufbringen, wenn es darum geht, wie schnell abgelehnte Asylwerber Deutschlan­d wieder verlassen müssen.

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