„Nie den Mut verlieren“
Ing. Robert Schlathau lebt seit 41 Jahren mit der Krankheit Multiple Sklerose. Im Gespräch berichtet er über seine persönliche Geschichte, den Alltag mit MS und die Herausforderungen, vor denen man als Patient steht.
„ Rückblickend gesehen, ist ein schwerer Stromunfall im Jahr 1975 der Auslöser für meine Erkrankung gewesen. Zwei Jahre später erlebte ich den ersten MS-Schub, ohne zu diesem Zeitpunkt eine Diagnose zu kennen oder über die Krankheit Bescheid zu wissen“, erzählt Ing. Robert Schlathau. „ Ich habe seit meiner Jugend Leistungssport betrieben, und so verband ich die immer häufiger werdenden Schmerzen in den Beinen mit einer Überlastung der Bänder. Dazu kamen Probleme beim Stiegensteigen, die Untersuchungen im Krankenhaus zeigten aber kein Ergebnis. Ich wurde an die Neurologie verwiesen, und am Tag davor hatte ich erstmals Lähmungserscheinungen in meiner gesamten linken Körperhälfte. Ich wurde stationär aufgenommen, erhielt Infusionen, der Entlassungs- befund diagnostizierte einen entzündlichen Prozess des Zentralnervensystems. In der Zeit danach habe ich mich intensiv informiert und kam durch Gespräche mit Ärzten im Familienkreis immer mehr zum Schluss, dass ich von Multipler Sklerose betroffen bin“, so Schlathau weiter. Die Krankheitsschübe wurden immer häufiger, zur Unterstützung erhielt Robert Schlathau eine Gehhilfe sowie einen Rollstuhl für längere Strecken. Seit Mitte der 1980-Jahre ist er durchgehend auf den Rollstuhl angewiesen. „Ich arbeite seit 1977 am Flughafen Wien und begann dort im Störungsdienst. Das war durch meine Krankheit nicht mehr länger möglich. Ich hatte und habe bis heute das große Glück, dass ich bei meinen Vorgesetzten immer große Unterstützung gefunden habe. Da ich schon während meiner Schulzeit an einer Elektrotechnik-HTL eine EDV-Ausbildung gemacht habe, konnte ich in einen Bürojob wechseln und bin bis heute in der Abteilung Projektmanagement Services am Flughafen Wien tätig“, ist Schlathau stolz.
Aktiv bleiben
Die kontinuierliche Forschung hat dazu geführt, dass den Betroffenen heute unterschiedliche Medikationen zur Behandlung der Multiplen Sklerose zur Verfügung stehen: „Diese Entwicklung bringt große Vorteile für die Patienten. Durch die neuen Medikamente, die es vor allem zur Behandlung der schubfömigen MS und seit kurzem auch für die primär progredient verlaufende Form gibt, kann der Krankheitsverlauf verlangsamt werden. Darüber hin- aus ist es aber ungemein wichtig, selbst weiterhin aktiv zu bleiben und, soweit es möglich ist, körperliche Funktionen aufrechtzuerhalten. Es ist sicher nicht immer einfach, die Motivation dazu aufzubringen, aber die körperliche Aktivität trägt stark dazu bei, dass die Progredienz der Erkrankung langsamer voranschreitet“, bekräftigt Schlathau. Hürden im Zugang zu Therapien
Die Therapie einer MS-Erkrankung erfolgt lebenslang, doch manchmal stehen die Patientinnen und Patienten vor Hürden, wenn es um den uneingeschränkten Zugang zu Therapien und therapeutischen Hilfsmitteln und Maßnahmen geht: „Eine chronische Krankheit verursacht natürlich Kosten für das Gesundheitssystem, und ich habe es selbst oft genug erlebt, dass man um Medikamente oder begleitende Therapien wie Physiotherapie kämpfen muss. Ich kann nicht immer nachvollziehen, warum diese Maßnahmen, wenn sie von einem MS-Spezialisten verordnet wurden, im schlimmsten Fall von der Krankenkasse abgelehnt werden. Ich kenne genügend Beispiele von anderen Betroffenen, denen es ebenso ergangen ist, und es ist mir klar, wie leicht man sich davon entmutigen lassen kann“, er- läutert Schlathau. „Ich bin ein Optimist“, sagt Robert Schlathau. „Ich kann meine MS-Erkrankung nicht stoppen oder rückgängig machen, aber ich versuche jeden Tag das Bestmögliche daraus zu machen und bewusst zu leben. Jeder Krankheitsschub kommt unvorbereitet, aber ich gehe gestärkt daraus hervor. Mein wunderbarer Familien- und Bekanntenkreis unterstützt mich im Alltag, um am Sozialleben teilnehmen zu können. Dazu kann ich noch immer meiner Arbeit nachgehen, die ich im Büro und im Home-Office ausübe.“
Integration von chronisch Kranken
Gerade Letzteres ist Schlathau auch ein besonderes Anliegen: Chronisch Kranke dort einzusetzen, wo es für Menschen mit Multipler Sklerose Möglichkeiten gibt, ihre Fähigkeiten sinnvoll, gewinnbringend und möglichst stressfrei einzubringen. „Dies verlangt natürlich Flexibilität hinsichtlich Arbeitszeit und Arbeitspensum von beiden Seiten“, ist Schlathau klar. „ Aber ein geregeltes Arbeitsleben gibt vielen Betroffenen die Möglichkeit, weiterhin ein selbstbestimmtes Leben zu führen, sie können sich selbst erhalten und fühlen sich nicht nur geduldet“, appelliert Schlathau abschließend.