Multiple Sklerose: Fortschritt in der Behandlung
„Fortschritt in der Erforschung biologischer Mechanismen, frühzeitige Diagnose und optimale medizinische Versorgung haben dazu geführt, dass der Krankheitsverlauf der schubförmigen MS verlangsamt werden konnte“, erklärt Dr. Titus Gylvin, Geschäftsführer b
Was bedeutet dies für die Forschung bei Roche, speziell im Bereich Multiple Sklerose – konnten hier alle zugrunde liegenden Mechanismen bereits geklärt werden?
Gylvin: Das Ziel von Roche ist es, Therapien für Krankheiten zu erforschen und zu entwickeln, für die es bisher nur unzureichende oder keine Behandlungsoptionen gibt. Dazu gehört beispielsweise auch die primär progrediente Form der Multiplen Sklerose. Die Entwicklung innovativer Medikamente in der Neurologie ist zeitaufwendig und auch mit einem großen Risiko verbunden. Durch die intensive Forschung auf diesem Gebiet wissen wir immer besser über die zugrunde liegenden Ursachen Bescheid und können auf dieser Basis neue Moleküle entwickeln. Die fortschreitende Digitalisierung bietet eine Chance, dass künftig die Art und Weise, wie klinische Studien durchgeführt werden, signifikant geändert werden kann. So könnten beispielsweise anstelle eines Placebo-Arms bereits verfügbare Daten genutzt werden, um die Ergebnisse eines neuen Wirkstoffs zu vergleichen. Das spart auf lange Sicht nicht nur Kosten, sondern könnte auch die Zeit bis zur Marktreife verkürzen. Darüber hinaus würde dies auch für die Patienten Vorteile bringen: Sie nehmen an klinischen Studien teil und laufen nicht Gefahr, ein Placebo zu bekommen, sondern haben durch früheren Zugang zu Innovation neue Hoffnung.
Warum ist die Forschung im Bereich Neurologie/MS so wichtig – gibt es noch „unmet patient needs“?
Gylvin: Die Multiple Sklerose ist eine fortschreitende Krankheit, die sich bei jedem Patienten individuell äußert. Dies kann einen enormen Stress für die Betroffenen erzeugen, da sie nicht wissen, wann und in welcher Form ein weiterer Krankheitsschub auftritt. Auf dem Gebiet der neurologischen Erkrankungen wird sehr stark geforscht, und in den vergangenen Jahren wurden bedeutende Fortschritte in der Entwicklung innovativer Therapien ge- macht. Leider gibt es aber noch keine Heilung. Wir dürfen hier also nicht stehenbleiben, sondern müssen die Forschung konstant weiter vorantreiben. Das Ziel ist, eines Tages eine Therapie für alle Formen der MS zur Verfügung zu haben. Derzeit können wir den Verlauf nur verlangsamen, wir sind aber noch nicht so weit, geschädigte Nervenzellen wieder reparieren zu können. Es gibt verschiedene Formen der MS – sind diese Patienten alle gleichermaßen gut behandelbar?
Gylvin: Die Therapie der Multiplen Sklerose konzentriert sich je nach Verlaufsform auf die Schubtherapie, die Verlaufsmodifikation oder die Symptomtherapie. Das Ziel ist, das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen, und dazu ist eine frühe Diagnose enorm wichtig. Für die Behandlung der schubförmigen Form der MS steht bereits eine Vielzahl von Arzneimitteln zur Verfügung, während es für die primär progrediente MS bis vor Kurzem keine geeignete Therapie gab. Der Unterschied in den beiden Verlaufsformen besteht darin, dass bei der primär progredienten Form die Krankheit schleichend und kontinuierlich fortschreitet. Es war für das Unternehmen Roche daher besonders wichtig, sich dieser Aufgabe zu widmen, damit auch Patienten, die von einer primär progredienten MS betroffen sind, medikamentös versorgt werden können. Dazu kommt auch, dass bestimmte Medikamente, nicht wie früher üblich, fast täglich injiziert werden müssen, sondern in größeren Abständen oder auch oral verabreicht werden, wodurch sich die Patienten nicht ständig an ihre Erkrankung erinnert fühlen.
Worin liegt die Herausforderung in der Behandlung von Patienten mit Multipler Sklerose?
Gylvin: Multiple Sklerose ist eine Krankheit, die bei jedem Patienten unterschiedlich verläuft, und so unterschiedlich präsentieren sich auch die Herausforderungen, vor denen jeder Betroffene steht. Ich habe in meinem Bekanntenkreis eine betroffene Mutter von zwei Kindern, und für sie war es beispielsweise emotional belastend, dass sie bei alltäglichen Routinetätigkeiten auf die Hilfe und Unterstützung ihrer Kinder angewiesen war, obwohl sie ihnen diese gerne abgenommen hätte. Multiple Sklerose verläuft zumeist in Schüben. Die Patienten wissen aber nicht, wann diese wieder auftreten bzw. welche Symptome damit einhergehen werden. Das erschwert natürlich jede Planung von Aktivitäten und kann im schlimmsten Fall dazu führen, dass Betroffene nicht mehr wie gewollt am Sozialleben teilnehmen können.
Medizinisch gesehen liegt die Herausforderung darin, die optimale Therapie für den individuellen Patienten auszuwählen. Wir bemerken, dass es Patienten zunehmend schwerer wird, Zugang zu neuen innovativen, bereits zugelassenen Arzneimitteln zu bekommen. Hier ist ein noch intensiverer Dialog mit den zuständigen Behörden notwendig, damit wirklich alle Patienten davon profitieren können. Wir dürfen uns in dieser Diskussion nicht nur auf den Preis eines Arzneimittels konzentrieren, sondern müssen auch weitere Faktoren und Daten miteinbeziehen, die den Wert eines Arzneimittels für die Patienten darstellen.
Der Forschungsbereich Roche Neuroscience verfügt über eine starke Pipeline und entwickelt Arzneimittel für ernsthafte Erkrankungen des Nervensystems. Welche Krankheiten stehen dabei im Fokus der Forschung?
Gylvin: Das Unternehmen investiert z. B. in die Erforschung und Entwicklung neuer Arzneimittel zur Behandlung von Alzheimer-Demenz, Parkinson, Autismus sowie Chorea Huntington, einer vererbbaren Erkrankung des Gehirns, die durch unwillkürliche Muskelbewegungen gekennzeichnet ist und mit Störungen der Hirnfunktion einhergeht. Wir sind zuversichtlich, den Ärzten und Patienten geeignete Arzneimittel zur Verfügung stellen zu können, die sich positiv auf den Verlauf dieser Krankheiten auswirken werden.