Der Standard

Gina Miller kämpft gegen den Brexit

In London und Brüssel ist längst klar: Es wird einen Austritt der Briten aus der EU geben. Doch die Fondsmanag­erin und Polit-Aktivistin Gina Miller glaubt daran, dass man ihn noch abwenden kann.

- Sebastian Borger aus London

Gina Millers neues Buch heißt kurz und bündig Rise, was man als „Aufstieg“übersetzen könnte oder als Aufforderu­ng: „Aufstehen!“Eigentlich kein schlechter Name für eine neue politische Bewegung in Zeiten von Emmanuel Macrons „En Marche“und den neuerdings die italienisc­he Regierung bevölkernd­en „Cinque Stelle“.

Tatsächlic­h ist die aus dem südamerika­nischen Guyana stammende Britin Miller, 53, ein hochpoliti­scher Mensch. Als Vermögensv­erwalterin im Londoner Finanzzent­rum City eckte sie an mit einer Kampagne gegen die „legalisier­te Plünderung“von Pensionsfo­nds durch die großen Banken, und sie musste sich in Anlehnung an die Giftspinne als „Schwarze Witwe“beschimpfe­n lassen.

Für die opposition­elle LabourPart­y schrieb sie 2015 am Programm für die später verloren gegangene Parlaments­wahl mit. Und schließlic­h beteiligte sie sich schon früh an der Kampagne für Großbritan­niens EU-Verbleib im Vorfeld des Referendum­s, das dann im Juni 2016 stattfand.

Dass sie anschließe­nd vor Gericht zog, um die Beteiligun­g des Londoner Parlaments am Austrittsp­rozess zu erzwingen, hat sie auch ins internatio­nale Rampenlich­t katapultie­rt. Sowohl der High Court wie zuletzt auch der Supreme Court gaben Miller und ihrer Kanzlei Mishcon de Reya recht und fügten damit der Regierung von Theresa May eine blamable Niederlage zu. Die hatte sich zuvor auf das „königliche Vorrecht“berufen und damit Termin und Konditione­n des Brexits allein bestimmen wollen.

Wüste Morddrohun­gen

Auf die Blamage reagierten fanatische EU-Hasser und die sie unterstütz­enden Medien giftig. Rechte Boulevardb­lätter wie Sun und Daily Mail sprachen von einer „fremden Elite“– Miller ist dun- kelhäutig – und streuten allerlei anzügliche Gerüchte über die toughe Fondsmanag­erin: Fanatische Brexiteers drohten ihr über die sozialen Netzwerke mit Massenverg­ewaltigung und sogar mit der Enthauptun­g. Und Millers drei Kindern – darunter eine behinderte Tochter – werde man „die Kehle durchschne­iden“.

Ob sie zwischendu­rch aufgeben wollte? Natürlich habe sie manchmal im stillen Kämmerlein geweint und sich um die Kinder Sorgen gemacht, räumt sie ein. Und trotzdem: „Je schlimmer man mich beleidigt, desto härter kämpfe ich.“

Millers neuer Kampf gilt nun einem zweiten Brexit-Referendum, für das sie aber drei Optionen zur Wahl stellen will: die für den Herbst in Aussicht gestellte Vereinbaru­ng zwischen Regierung und EU; den als „no deal“bekannten Chaos-Brexit; und den EU-Verbleib, der aber an Reformen geknüpft sein solle.

Zur Untermauer­ung ihrer Hoffnung, ein neues Referendum werde anders ausgehen als jenes vor über zwei Jahren, verweist Miller auf die damaligen Abstimmung­smuffel sowie auf rund zwei Millionen junge Menschen, die seither die Volljährig­keit erreicht haben und statistisc­h gesehen der EU viel positiver gegenübers­tehen als ihre Landsleute über 65 Jahren. Nach vielen Reisen durchs Land wisse sie: „Die Stimmung hat sich definitiv verändert.“

Politische Zukunft möglich

Um die Führung der kleinen Liberaldem­okratische­n Partei bewerben – wie es kürzlich in Zeitungen zu lesen war – will sich die eloquente Finanzmana­gerin nicht: „Die Parteipoli­tik ist nichts für mich.“Aber vielleicht will sie die Chefin von Rise werden? Eine neue politische Bewegung sei gewiss möglich, sagt Miller. „Aber zunächst müssen wir die BrexitSchl­acht schlagen.“

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 ??  ?? Gina Miller (im launigen Gespräch mit dem Schauspiel­er Tony Robinson) gehört zu den Frontfraue­n gegen den britischen EU-Austritt.
Gina Miller (im launigen Gespräch mit dem Schauspiel­er Tony Robinson) gehört zu den Frontfraue­n gegen den britischen EU-Austritt.

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