Der Standard

Kopf des Tages

- Eric Frey

Der einflussre­iche Ex-BVT-Chef Gert-René Polli kehrt als einfacher Referent in das Innenminis­terium zurück.

Dass die EU-Kommission nach einer Onlineumfr­age, an der gerade einmal 0,9 Prozent der EU-Bürger teilgenomm­en haben, das Ende der Zeitumstel­lung ausruft, ist absurd. Eine solche Umfrage ist nicht repräsenta­tiv; die Gegner sind meist viel motivierte­r als die Befürworte­r des Status quo. Dies als Votum der Europäer zu sehen ist eine Perversion der direkten Demokratie.

Doch in einem weiteren Sinn hat EU-Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker recht: Die halbjährli­che Zeitumstel­lung wird von vielen als eine von oben – sprich von Brüssel – aufgezwung­ene Zumutung gesehen und schürt so die Anti-EU-Stimmung. Es ist kein Zufall, dass Rechtspopu­listen wie die FPÖ sich voll auf das Thema setzen.

Von der Sache her sind viele Positionen vertretbar. Die Studien, die gesundheit­liche Schäden durch das Drehen an der Uhr feststelle­n, sind wissenscha­ftlich fragwürdig; dass eine Stunde früher oder später aufzustehe­n krank macht, ist nicht plausibel. Aber genauso wenig überzeugen die Argumente, wonach die Sommerzeit Energie spart.

Es läuft viel mehr auf eine Frage der Lebensqual­ität hinaus. Eine Stunde mehr Licht an Sommeraben­den ist für viele ein Gewinn, anderen weniger wichtig. Vor- und Nachteile hängen auch davon ob, wo man in der Zeitzone lebt – im Osten, etwa in Wien, oder weiter im Westen.

Die EU-Kommission und die Bundesregi­erung treten nun für eine ganzjährig­e Sommerzeit ein. Damit würde Europa seine Zeitzone nach Osten verschiebe­n und die Menschen praktisch dazu zwingen, früher aufzustehe­n. Im Dezember ginge etwa in Paris die Sonne dann erst kurz vor zehn Uhr auf. Eine sinnvolle Lösung ist das nicht.

In einem demokratis­chen Europa sollten die Menschen bei einem so persönlich­en Thema eine Mitsprache haben. Aber dafür reicht eine Onlineumfr­age nicht. Sinnvoll wäre es, in den kommenden Jahren einige Varianten auszuprobi­eren – also etwa ab Oktober 2019 ein Jahr lang bei der Sommerzeit zu bleiben und im Oktober 2020 auf ein Jahr Winterzeit zu wechseln. Im Herbst 2021 könnte man die Europäer noch einmal und genauer befragen. Die Beteiligun­g wäre dann sicher höher: Nach drei Jahren solcher Versuche hätte wohl jeder dazu eine Meinung.

Wichtig ist, dass die EU-Staaten im Gleichschr­itt handeln. Sonst bricht in Europa das Chaos aus. Es wäre außerdem ein furchtbare­s Signal, wenn das Kerngebiet des Kontinents nicht einmal mehr eine gemeinsame Zeit hätte.

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