EU-Kommission und Regierung wollen ständige Sommerzeit
Juncker: „Es macht keinen Sinn, Menschen zu fragen und sie dann zu ignorieren“
Brüssel/Wien – Die EU-Kommission will eine Gesetzesvorlage zur Abschaffung der Zeitumstellung ausarbeiten. Parlament und Rat müssten ihr zustimmen. Damit wäre der Weg frei für eine einheitliche Zeit das gesamte Jahr über, wie von 84 Prozent der 4,6 Millionen Teilnehmer einer EU-weiten Umfrage gefordert. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker dazu: „Es macht keinen Sinn, Menschen zu fragen und sie dann zu ignorieren.“Noch steht nicht fest, ob künftig die Normal- oder die Sommerzeit gelten soll.
Die Staaten könnten selbst entscheiden, welches Modell sie wählen. Die österreichische Regierung hat ihre Präferenz bereits geäußert: Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) sprach sich für die Beibehaltung der Sommerzeit aus – ebenso Juncker. Doch die Staaten könnten uneins werden: Immerhin würde das für die spanische Hauptstadt Madrid bedeuten, dass im Jänner die Sonne erst um 9.38 Uhr aufgeht.
Die dauerhafte Sommerzeit könnte auch Auswirkungen auf den menschlichen Organismus haben. Ist es abends länger hell, bleiben Menschen länger wach, aber können am nächsten Tag nicht länger schlafen. Ein chronisches Schlafdefizit wird befürchtet. (red)
Geht es nach der EU-Kommission, wird das zweimal jährliche Zeigerdrehen oder Knöpferldrücken an der Uhr bald der Vergangenheit angehören. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker kündigte einen entsprechenden Beschluss am Freitag im deutschen Fernsehsender ZDF an. Immerhin hatten sich 84 Prozent von 4,6 Millionen EU-Bürger in einer Onlineumfrage für die Abschaffung der Zeitumstellung ausgesprochen. „Es macht keinen Sinn, Menschen zu fragen, was sie denken, und das dann zu ignorieren“, sagte Juncker.
Die zuständige Verkehrskommissarin Violeta Bulc sprang dem Präsidenten kurz darauf zur Seite und bestätigte den Plan für einen Gesetzesvorschlag. Damit ist die Abschaffung der Umstellung aber noch nicht durch. Denn das EU-Parlament muss den Vorschlag annehmen, und daraufhin braucht es die Zustimmung aller 28 Mitgliedstaaten. Das Parlament könnte die leichtere Hürde sein, denn die Initiative zur Abschaffung ging von den Abgeordneten aus. Bereits im Februar forderten sie von der Kommission, die Vorund Nachteile einer Abschaffung zu untersuchen. Auch einzelne Mitgliedstaaten unterstützten den Vorstoß. So auch Deutschland und Ös- terreich. Die Kommission rechnet nicht damit, dass es bereits im kommenden Jahr eine einheitliche Zeit geben wird.
Die meisten Menschen, die sich an der Umfrage beteiligt haben, stammen gemessen an der Gesamtbevölkerung aus Deutschland und Österreich. Die wenigsten Personen stimmten in Großbritannien ab. Die Teilnehmer aus Griechenland und Zypern waren die Einzigen, die sich mehrheitlich für eine Beibehaltung der Umstellung zweimal im Jahr aussprachen.
Nach welcher Zeit Europas Uhren künftig dauerhaft ticken, das ist ebenfalls noch nicht ausgestritten. Es könnte auch durchaus sein, dass jeder Mitgliedstaat das für sich selbst entscheiden wird. Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) will, dass die Sommerzeit das ganze Jahr über in Kraft ist.
Würde man sich EU-weit auf die Beibehaltung der Sommerzeit einigen, würde in Wien im Jänner die Sonne erst um 8.45 Uhr aufgehen. In Madrid hingegen erst um 9.38 Uhr oder in Stockholm um 9.45 Uhr. Die Grundidee der Zeitumstellung – nämlich Energie zu sparen – wäre somit verworfen.
Die erste Idee zur Sommerzeit hatte der US-Politiker und Erfinder Benjamin Franklin im Jahr 1784. Er wollte, dass Arbeiter, die früh aufstehen, weniger Kerzen verbrauchen. Vom Einfall zur Umsetzung war es allerdings ein weiter Weg. Der britische Unternehmer William Willett plädierte 1907 in einem Flugblatt dafür, dass die Menschen durch eine Zeitumstellung früher zu arbeiten beginnen. Sein Ururenkel beschäftigte sich im Jahr 2002 übrigens wieder mit dem Konzept der Zeit: ColdplaySänger Chris Martin veröffentlichte damals den Song Clocks.
In Österreich gab es 1916 zwar versuchsweise bereits eine Sommerzeit, doch dauerte es bis 1979, bis sie sich durchsetzte. Grund für die Verzögerung waren der bürokratische Aufwand und die Harmonisierung des Verkehrs mit Deutschland und der Schweiz. 1996 wurde die Zeitumstellung dann zu einer einheitlichen EU-weiten Regelung.