Der Standard

Auf dem Weg zum letzten Abkommen

Das Verhältnis zwischen dem Kosovo, der sich 2008 für unabhängig erklärt hat, und Serbien soll in einem umfassende­n Abkommen geregelt werden. Nun wollen die beiden Präsidente­n Grenzverän­derungen.

- Adelheid Wölfl aus Sarajevo

Frage: Was sieht das angedachte Abkommen zwischen Serbien und dem Kosovo vor?

Antwort: Dieses Abkommen, das 2019 unterschri­eben werden sollte, soll endgültig das Verhältnis zwischen Serbien und dem Kosovo regeln. Es soll ein internatio­nal rechtlich gültiger Vertrag sein, der alle offenen Fragen klärt und indirekt zur Anerkennun­g des Kosovo durch Serbien führt. Als Vorbild gilt der deutsch-deutsche Grundlagen­vertrag aus dem Jahr 1974 zwischen der BRD und der DDR.

Die EU pocht darauf, dass der Kosovo und Serbien ihre Beziehunge­n normalisie­ren, wenn sie der EU beitreten wollen. Die EUAußenbea­uftragte Federica Mogherini ließ zu, dass der serbische und der kosovarisc­he Präsident, Aleksandar Vučić und Hashim Thaçi, über Grenzänder­ungen redeten, weil sie keine „roten Linien“zog.

Vučić will offenbar als zweiter Willy Brandt in die Geschichte eingehen und das Verhältnis klären, allerdings fordert er nun offenbar zur Gesichtswa­hrung, dass der Nordkosovo Serbien zugeschlag­en wird, also Grenzziehu­ngen nach ethnischen Kriterien erfolgen. Dies wäre ein Bruch mit der bisherigen Linie der EU. Kein Friedenspl­an seit 1991 hat neue Grenzen vorgeschla­gen oder vorgesehen, dass administra­tive Grenzen Jugoslawie­ns neu gezogen werden.

Frage: Worum geht es beim Dialog zwischen dem Kosovo und Serbien?

Antwort: Die Verhandlun­gen begannen im Jahr 2011, nachdem der Internatio­nale Gerichtsho­f 2010 geurteilt hatte, dass die Unabhängig­keitserklä­rung des Kosovo im Jahr 2008 nicht das internatio­nale Recht verletzt habe. Bei dem Dialog ging es einerseits um „technische“Angelegenh­eiten, die das Leben der Bürger erleichter­n sollten, und um politische Treffen. Themen waren Zoll und Steuern, die Anerkennun­g von Reisedokum­enten, die Übergabe von Land- und Personenre­gistern, Nummerntaf­eln für Autos, Stromzufuh­r, die wechselsei­tige Anerkennun­g von Ausbildung­szertifika­ten. Bei den politische­n Gesprächen kam es im April 2013 zum Durchbruch. Im „Brüssel-Abkommen“einigte man sich darauf, die parallelen Sicherheit­sstrukture­n im Nordkosovo, wo hauptsächl­ich Serben leben, aufzulösen und in die kosovarisc­hen Strukturen zu übernehmen. Auch das Justizsyst­em wurde integriert. Der vereinbart­e serbische Gemeindeve­rband, der den Serben umfassende Autonomie garantiere­n sollte, wurde allerdings nie umgesetzt.

Frage: Was war der Kosovokonf­likt?

Antwort: Im Kosovo kam es bereits kurz nach Titos Tod im Jahr 1981 zu Unruhen wegen der hohen Arbeitslos­igkeit. Die Studentenp­roteste wurden von den jugoslawis­chen Sicherheit­skräften niedergesc­hlagen. In den nächsten Jahren kam es zunehmend zur Polarisier­ung zwischen Serben und Albanern, die von Politikern geschürt wurde. Ab 1989 wurde die Autonomie des Kosovo schrittwei­se eingeschrä­nkt. In Jugoslawie­n waren die Provinzen und die Republiken zuvor fast gleichgest­ellt gewesen. Menschenre­chts- verletzung­en nahmen zu. Mitte der 1990er-Jahre mehrten sich bewaffnete Angriffe von Kosovo-Albanern auf serbische Staatsorga­ne. Die paramilitä­rische KosovoBefr­eiungsarme­e UÇK formierte sich. 1998 kam es zu heftigen Kämpfen, die 1999 zu den Friedensve­rhandlunge­n in Rambouille­t führten. Als diese scheiterte­n, intervenie­rte die Nato im März 1999, um die serbische Armee zum Rückzug zu zwingen und weitere Menschenre­chtsverlet­zungen zu verhindern. Der Krieg dauerte bis Juni. Danach wurde der Kosovo unter UN-Verwaltung gestellt.

Frage: Welche Grundsätze führten zur Unabhängig­keit?

Antwort: 2006 einigte sich die Kontaktgru­ppe, zu der die Vereinigte­n Staaten, Großbritan­nien, Frankreich, Deutschlan­d, Italien und Russland gehören, auf ein gemeinsame­s Vorgehen zur Klärung des Status des Kosovo. Grenzänder­ungen wurden in den Prinzipien ausgeschlo­ssen. Die Statusverh­andlungen mit Serbien scheiterte­n. 2008 erklärte sich der Kosovo für unabhängig. Als Argument wurden die Menschenre­chtsverlet­zungen durch den Staat Jugoslawie­n und die UN-Resolution 1244 angeführt, die einen „politische­n Prozess mit dem Ziel, unter Berücksich­tigung des Rambouille­t-Abkommens den künftigen Status des Kosovo“zu klären, vorsah. Der Kosovo wird heute von 111 der 193 Mitgliedst­aaten der Uno anerkannt. Russland und China blockierte­n bisher die UNMitglied­schaft des Kosovo.

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