Der Standard

„Regierung vielfach nicht besser als Trump“

Die Regierung bietet Satirikern wie Fritz Jergitsch viel Stoff. Wirtschaft­sministeri­n Margarete Schramböck nimmt es mit Humor. Im Sommergesp­räch redeten sie über Trump, Digitalisi­erung und Energetike­r.

- MODERATION: Andreas Schnauder

Standard: Frau Ministerin, die Regierung sorgt manchmal für Aufregung, manchmal auch für Gelächter. Wir diskutiere­n heute mit Fritz Jergitsch von der „Tagespress­e“. Haben Sie manchmal den Eindruck, dass die Politik einer Satire gleicht? Schramböck: Natürlich bietet die Politik oft Stoff für Satire, aber das muss man aushalten. Ich bin sogar stolz, einmal bei Maschek vorgekomme­n zu sein. Das Thema lautete „Digitalien“, da habe ich herzlich gelacht. In der Tagespress­e bin ich aber noch nie vorgekomme­n.

Standard: Herr Jergitsch, ist die türkis-blaue Regierung ein besonders guter Nährboden für Sarkasmus? Jergitsch: Ich würde sogar sagen, dass Satiriker die Berufsgrup­pe sind, für die sich der Standort Österreich am meisten verbessert hat. Wir werden mit unendlich viel Material ausgestatt­et, das wir gar nicht ausreichen­d würdigen können. Es ist aber auch Segen und Fluch zugleich. Figuren wie Harald Mahrer zu übertrumpf­en – das ist Konkurrenz­kampf auf hohem Niveau.

Standard: Sie werden wahrlich verwöhnt, weil nicht nur die Regierung viele Angriffsfl­ächen bietet. Als Eva Glawischni­g zu Novomatic wechselte, mussten Sie einfach nur das Faktum berichten – das war satirisch nicht zu toppen. Jergitsch: Das war eigentlich eine Kapitulati­on. Wir haben von derStandar­d.at copy-paste die Nachricht übernommen. Mehr musste man nicht machen. Ich bin fast ein wenig persönlich verletzt, dass der Glawischni­g-Artikel heuer der meistgeles­ene Artikel war, obwohl wir nichts beigetrage­n haben. Das zeigt, wie eng Satire und Politik zusammenge­rückt sind. Schramböck: Auf internatio­naler Ebene ist Donald Trump immer wieder Anlass für Satire. Es gibt ja einiges her. Allerdings ist das gerade beim Thema Handel eine ernste Sache, da hängen ja viele Arbeitsplä­tze dran. Mancher mag das lustig finden, das ist es aber nicht. Zum Glück hat sich die Lage beim Handel wieder beruhigt. Aber Trump hat schon ein bisschen die Gabe, die gute Wirtschaft­slage zu stören.

Standard: Sie leiten ein digitales Start-up.Wi es ehen Sie die Anstrengun­gen der Digitalisi­erungsmini­sterin? Jergitsch: Der Standort Österreich kommt generell viel schlechter weg, als er eigentlich ist. Was hemmt, sind die Bremsklötz­e der Politik, gewisse Regularien. Fragen Sie einmal einen Gastronome­n. Aber zu Ihrer Frage: Ich finde es sehr gut, dass man jetzt viel über Internet und Digitalisi­erung redet, auch wenn es 15 Jahre zu spät ist. Aber besser spät als nie. Schramböck: Ich finde auch, dass die letzten 15 Jahre viel verschlafe­n wurde. Was wir jetzt angehen müssen, ist Regeln abzubauen. Wir bringen die Start-ups um, bevor sie eine Idee entwickeln können. Auch bei den Förderunge­n teile ich Ihre Meinung. Die Steuern sind zu hoch, dann verteilen wir alles. Die Förderunge­n sind auch viel zu komplizier­t. Da brauchen wir eine Fast Lane. Jergitsch: Die Frage ist halt auch, was man umsetzt. Mit Kommunikat­ion allein ist es noch nicht getan. Was die Regierung bisher realisiert hat, sind teure Geschenke an gewisse Branchen, mit denen Interessen bedient werden. Was ich zum Beispiel nicht verstehe, ist, dass Hoteliers jetzt weniger Umsatzsteu­er bezahlen. Die brauchen doch wirklich keine Hilfe. Ein anderer Punkt ist die Entlastung von Holdings bei der Grund erwerb steuer. Jeder andere muss das auch zahlen. Das geht auf Kosten anderer. Schramböck: Natürlich kann man immer Kritik üben, aber ich konzentrie­re mich auf meinen Bereich. Wir haben beispielsw­eise die Verfahren für kleine Anlagen gelockert. Die Schneideri­n, der Eis salon, die Frühstücks pension brauchen nun keine Genehmigun­g mehr. Früher hat man eine Regierung danach bewertet, wie viele Gesetze oder Verordnung­en erlassen wurden. Ich möchte daran gemessen werden, wie viele Regeln ich abschaffe. Ab 2020 soll es dann für Unternehme­n eine große Entlastung bei Steuern und Lohnnebenk­osten geben.

Standard: Noch etwas zum Thema Start-ups: Da wird bei uns massiv gefördert, viele erfolgreic­he Startups werden dann ins Ausland verkauft. Der Gründer verdient daran gut, die Jobs sind aber im Silicon Valley. Jergitsch: Viele Firmen sind erst groß geworden, nachdem sie aus Österreich ausgewande­rt sind. Wir sind ein kleines Land, das spielt beispielsw­eise bei Risikokapi­tal eine große Rolle. Das erfolgreic­he Wiener Finanz-Start-up N26 ist beispielsw­eise nach Berlin ausgewande­rt. Da ist in Österreich einiges verabsäumt worden.

Standard: Digitalisi­erung klingt gut, doch was können Sie da wirklich bewegen? Schramböck: Einiges, denken Sie an den Fachkräfte­bereich, da muss die Ausbildung zukunftsor­ientierter werden. Ein Beispiel: Beim Dachdecker stammt die Ausbildung­sverordnun­g aus dem Jahr 1972 und wurde seither nie angepasst. Seither gibt es Sensoren, Solartechn­ik. Die Menschen lernen nicht mehr das, was sie wirklich brauchen. Darum arbeiten wir die 200 Berufe hinsichtli­ch Digitalisi­erung durch. Und dann brauchen wir neue Berufe. Wir haben viel zu wenige Programmie­rer, aber nicht unbedingt die, die von der Universitä­t kommen. Daher der Lehrberuf Coding. Jergitsch: Wenn man einmal hinten ist, wird es sehr schwierig, gegen den Marktführe­r anzukämpfe­n. Gegen Facebook hat man keine Chancen, jeder geht dorthin, wo alle sind. Auch Airbnb ist so ein Beispiel. Da können wir nicht mehr aufholen.

Standard: Der Name Trump ist schon gefallen. Sehen Sie Parallelen in Österreich? Jergitsch: Ich finde, in vielen Bereichen ist die österreich­ische Regierung nicht besser als Trump. Klimaschut­z wird nicht gerade großgeschr­ieben. Ähnlich sehe ich das beim S tand ortentwick­lungs gesetz, beidem der Umweltschu­tz aus gehebelt wird. Schramböck: Bei dem Gesetz verstehe ich die Aufregung nicht. Eine Begutachtu­ng ist dazu da, dass Experten Inputs liefern und Verbesseru­ngen vorgenomme­n werden. Die Umweltvert­räglichkei­tsprüfung dauert zu lange. Mein Ziel ist, dass es in einer angemessen­en Zeit zu einer Entscheidu­ng kommt – ob positiv oder negativ. Das Ziel ist nicht, das Umweltvert­räglichkei­tsverfahre­n auszuhöhle­n. Fakt ist, dass wir immer weniger Verfahren haben, die immer länger dauern. Da ist der Wurm drinnen.

Standard: Gehört der Entwurf angesichts der Kritik von fast allen Seiten nicht weg? Schramböck: Komplett einpacken muss man ihn nicht. Es steht außer Streit, dass es zu einer Beschleuni­gung kommen muss. Der Automatism­us ist ein sehr offensiver Ansatz der Experten, die das ausgearbei­tet haben. Daran werden wir noch arbeiten. Jergitsch: Das ist aber schon exemplaris­ch für die Arbeit der Regierung. Wenn sieben muslimisch­e Gebetshäus­er geschlosse­n werden, versammelt sich die halbe Regierung. Aber bei unpopuläre­n Maßnahmen wie dem Standortge­setz kommen die Entwürfe eher im Verborgene­n. Schramböck: Man kann immer einen weichen Entwurf ausschicke­n und eines jeden Freund sein. Doch dann kommen die Veränderun­gen nicht, die wir benötigen. Jergitsch: Wie bewerten Sie Ihren Wechsel von der Wirtschaft in die Politik. Bei einigen anderen Fällen hat das ja nicht so funktionie­rt. Schramböck: Mir macht es bisher viel Spaß. Wenn man nicht schon vorher Ideen für Veränderun­gen hat, darf man den Wechsel nicht machen. Ich bin offen für alles. Ich hätte mir auch nicht gedacht, dass ich in die Politik gehe.

Standard: Hilft die Ausbildung zur Energetike­rin, die Stromstöße abzufangen? Schramböck: Das ist auch typisch für die Politik. Dass man eine Ausbildung, die zehn Jahre her ist, groß aufbauscht. Das ist wie, wenn jemand als Jugendlich­er einen Joint geraucht hat. Das wird dann alles hervorgeze­rrt, wenn man in die Politik geht.

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Margarete Schramböck (im Bild noch vor ihrer Abreise nach Singapur und Hongkong) schaffte es bisher noch nicht in die von Fritz Jergitsch gegründete „Tagespress­e“.

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