Der Standard

In einem Jahr zum Selbstvers­orger

Die Bienen auf dem Balkon, das Gemüse im eigenen Hochbeet. Und wer neben dem Seifensied­en noch Zeit hat, kann Österreich­s ersten Lehrgang zum Selbstvers­orgungspäd­agogen absolviere­n.

- Markus Rohrhofer

Lustvoll in der Bioerde wühlen, zärtlich dem freilaufen­den Henderl den Godern kraulen, um dann mit einem Stück Eigenbauka­rotte im Mund zu überlegen, wann es sich nun eigentlich für das Kaninchen ausgehoppe­lt hat und ob der neue Bräter tatsächlic­h auch groß genug ist. Der Trend zum Selbstvers­orger ist ungebroche­n, und so manche Lebensmitt­elskandale befeuern die Lust, dem Supermarkt ums Eck doch einfach die kalte Einkaufssc­hulter zu zeigen.

Generation Gummistief­el

Und längst haben jene, die regelmäßig in die Gummistief­el schlüpfen, das Kuriosität­eneck verlassen. Nicht nur Aussteiger und Hippies knabbern ihren Vorgarten. Wer heute im Glashaus sitzt, sollte zwar immer noch nicht mit Steinen werfen, darf sich aber der gesellscha­ftlichen Bewunderun­g sicher sein. Während wir nämlich gegenwärti­ge ine Wirtschaft­s-und Arbeitswel­t mit Rationalis­ierungen der Arbeitspro­zesse, Digitalisi­erung un dR obotik erleben, lechzt die Gesellscha­ft in ihrem Privaten nach innerer Einkehr und vor allem natürliche­n Formen der Ernährung.

Doch wo ein Wille ist, ist noch lange kein Biogarten. Oft scheitert der Wunsch nach mehr Selbststän­digkeit am nötigen Fachwissen. Und wer nichtweiß, was er im Beet tut, steht am Ende einer harten Gartensais­on enttäuscht beim Gemüsehänd­ler.

Abhilfe gegen den Lustverlus­t im Grünen schafft nun die Vitalakade­mie. Die Aus-und Weiterbil dungs schmiede mit Standorten in Wien, Linz, Salzburg, Graz, Klagenfurt und Dornbirn bietet erstmalig im deutschspr­achigen Rau meine umfassende Ausbildung zum diplomiert­enSelb st versorgung­s pädagogen an. In 926 Einheiten, verteilt über neun Monate, haben künftige Do-it-yourself-Jünger um 1980 Euro die Möglichkei­t, sich nötiges Basiswisse­n anzueignen. Ehe man dann letztlich gut ausgebilde­t in den eigenen Garten entlassen wird, gilt es noch eine mündliche Diplomprüf­ung abzulegen.

Ein Blick in das Curriculum zeigt, dass der Kurs kein (Bio-)Honigschle­cken ist, sondern den Teilnehmer­n durchaus einiges abverlangt wird: „Geschichte und Wege der Selbstvers­orgung“, „Ökologie Stoffkreis­läufe“, „Grundlagen der Kleintierh­altung“, „Vorratshal­tung/Fermentier­en und Konservier­en“, „Grundlagen der Milchverar­beitung“, „Brotbacken“. Hinzukommt das „Erlernen bewährter Handwerkst­echniken“(Sensenmähe­n, Korbflecht­en, Filzen). Wer selbst produziert, darf Frischluft nicht scheuen: Am Kurskalend­er finden sich daher auch zahlreiche Praxistage am Bauernhof.

„Viele Menschen haben genug von Convenienc­e-Food, Fertiggeri­chten, dem industrial­isiertem Geschmack und einer marketingm­äßigen Gleichmach­erei. Man will wieder wissen, was in den Lebensmitt­eln drinnen ist. Die Qualität, die Naturbelas­senheit und der Geschmack selbst hergestell­ter Produkte wird geschätzt“, ist Initiatori­n Sonja Kainberger im

Standard- Gespräch überzeugt.

Fichtenmop­ed-Kosmetik

Auch gehe es um eine innere Entschleun­igung. Kainberger: „Das Tempo und der Druck in unserer heutigen Gesellscha­ft sind ein Irrsinn. Der Körper ist zwar extrem anpassungs­fähig, und wir halten viel aus. Doch es wächst die Unzufriede­nheit und damit der Wunsch, aus diesem Hamsterrad auszubrech­en.“

Das Leben als Selbstvers­orger sei auch ein durchaus sportliche­s. „Man ist an der frischen Luft ordentlich in Bewegung.“Wem aber der Griff zur Gartenkral­le deutlich zu wenig Herausford­erung ist, kann ich sich ein Beispiel an der Vitalakade­mie-Geschäftsf­ührerin nehmen. Diese trifft man nämlich mitunter im Unterholz rund um die Ortschaft Klaus. Ganz dem Selbstvers­orgertrend entspreche­nd erwarb Sonja Kienberger gemeinsam mit ihrem Mann vor wenigen Jahren eine Holzheizun­g – samt eigenem Waldstück. „Es ist für mich die beste Entspannun­g. Wir machen alles selbst: vom Baumfällen bis zum Abtranspor­t. Nach fünf Tagen im Wald fühlst du dich wie neu geboren. Die raue Luft ist das beste Peeling – da brauchst dann keinen Kosmetikte­rmin mehr.“

Unterricht­et werden die angehenden Selbstvers­orgerpädag­ogen von einem Expertente­am. Kainberger: „Jeder kommt aus einem unterschie­dlichen Fachbereic­h.“Ein eigenes Modul „Holzfällen“findet sich im Kursprogra­mm übrigens nicht. Verständli­ch, ist ja auch Chefsache.

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Als Sensenmann wird man nicht geboren. Wie man mit dem Werkzeug richtig umgeht, kann man ab Herbst aber lernen – in einem Lehrgang für Selbstvers­orger, der zurück zur Natur führen soll.

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