Der Standard

Der letzte Protestbis­s vor dem Essverbot

Seit Samstag heißt es „Essen verboten“in der Wiener U6, gestraft wird vorerst aber nicht. In den Stationen selbst darf weiter Kebab und Co gefrönt werden. Am Freitag trafen sich einige Fahrgäste auf einen U6-Abschiedsd­öner.

- David Krutzler

Der Duft täuschte nicht. Es war ein Hotdog, und er roch so, wie ein Hotdog eben riechen muss. Seelenruhi­g und von den anderen Fahrgästen unbeirrt knabberte der Mann am Freitag um 10.30 Uhr an seiner Käsekraine­r, die mit Ketchup und Senf im Weißbrot steckte. Er saß auf einer weißen, noch unbefleckt­en Sitzbank in der U6-Station Westbahnho­f. Über seinem Kopf prangte ein niegelnage­lneues Plakat der Wiener Linien mit der Aufschrift „Ihr Essen riecht so kriminell, dass der Verzehr in der U6 jetzt verboten ist. Bitte essen Sie geruchsint­ensive Speisen nur draußen.“

Der Mann mit dem Hotdog tat genau das, was das Plakat von ihm verlangte. Das Odeur der Käsekraine­r machte sich dennoch in der U-Bahn-Station breit.

Am Samstag ist das von der Stadt Wien verhängte Essverbot aller Speisen in der U6 in Kraft getreten. Das Lustige an der Sache: Der Mann mit dem Hotdog, der lieber essen als reden wollte, könnte auch weiterhin auf seiner Bank sitzen, sich der Käsekraine­r hingeben und Düfte verströmen. Denn der Bann aller Speisen gilt nur in den Zügen selbst.

Die Stadt nimmt das Essverbot mit einer breit angelegten Infokampag­ne jedenfalls ziemlich ernst: So weisen Piktogramm­e in der U6 auf das Verbot hin. Die zweite Zeile der Anzeigetaf­el, die bis dato die Zeit bis zum Einfahren des übernächst­en Zugs anzeigte, unterricht­et die Fahrgäste nun ebenso vom Essverbot. Dazu kommen ein Kinospot und mehrere Plakate, die sich dem „Tatort Le- berkäs“, der „Pizza Kriminale“, dem Döner als „klare Scharftat“oder dem „Nudelfall ungelöst“widmen.

Der Hotdog kommt auf den Plakaten nicht vor und wird unter den geruchsint­ensiven Speisen diskrimini­ert. Er ist aber seit 1. September ebenso – wie alle anderen Speisen auch – verboten.

„Sinkende Schamgrenz­e“

Die Wiener Linien seien keine Pioniere, sagt Geschäftsf­ührerin Alexandra Reinagl zur Vorschrift. „Ein Essverbot in Öffis gibt es in vielen anderen Städten auch.“Bei Fahrgastbe­fragungen in Wien sei Essen in den Öffis – und damit einhergehe­nd die Geruchsbel­ästigung sowie verschmutz­te Stehoder Sitzplätze – immer ein „Topthema“gewesen. Öffi-Stadträtin Ulli Sima (SPÖ) sieht sich mit dem Verbot „auf dem richtigen Weg“. So sei in den letzten Jahren eine „sinkende Schamgrenz­e in den UBahnen“festgestel­lt worden: Teilweise hätten Fahrgäste „ganze Abendessen im Zug verdrückt“. Ab 15. Jänner 2019 gilt das Essverbot dann in allen U-Bahnen.

Kontrollie­rt wird das generelle Verbot von den Sicherheit­smitarbeit­ern der Wiener Linien. Gestraft wird vorerst aber nicht, auch wenn Fahrgäste nicht von ihrem Kebab oder ihrer Pizza lassen können. Klappt das Konzept des guten Zuredens nicht, will sich die Stadt das Nichtstraf­en in einem halben Jahr überlegen. Im Raum stehen laut Wiener Linien Geldbußen in Höhe von 50 Euro. Nicht ausgeschlo­ssen ist auch, das Verbot auf alle Öffis auszudehne­n.

Einen Tag bevor der Essensbann in Kraft trat, lud eine privat organisier­te Veranstalt­ung via Facebook zum Protestmah­l: Auf der Seite „Das letzte Mal Falafel / Döner essen in der U6“posteten zahlreiche User Fotos und Erlebnisse. „Am Schluss hat mir ein leiwander Fahrgast, der im Bilde war, einen Kaugummi angeboten, und wir sind in ein nettes Gespräch gekommen“, hieß es etwa.

Der Kebabladen Mangalet bei der U6-Station Josefstädt­er Straße kündigte als Partner des Protestess­ens an, ein Drittel des Tagesumsat­zes der sozialen Einrichtun­g Wiener Tafel zu spenden. Dabei spricht sich Lokalinhab­er Abdullah Ünal für das Essverbot aus. „Das ist schon okay. Ich bin so erzogen worden, dass man nicht auf der Straße isst.“

 ??  ?? Ein Bild aus früheren Zeiten, auch wenn es erst am Freitag aufgenomme­n wurde: Seit Samstag gilt in der U6 ein Essverbot, ab 15. Jänner 2019 dann in allen Wiener U-Bahnen.
Ein Bild aus früheren Zeiten, auch wenn es erst am Freitag aufgenomme­n wurde: Seit Samstag gilt in der U6 ein Essverbot, ab 15. Jänner 2019 dann in allen Wiener U-Bahnen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria