Der Standard

Alles privat und zufällig

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Jetzt, da Udo Landbauer in St. Pölten zurück und Dominik Schrott in Innsbruck perdu ist, kann es nach den kleinen Verwerfung­en zwischen Kickl und Moser mit der Koalition wieder aufwärtsge­hen. Dazu haben auch die Aufräumarb­eiten im Gefolge der Hochzeit beigetrage­n, zu denen Trümmerfra­u Karin Kneissl am Wochenende nicht nur auf dem Boulevard ausgerückt ist. Dabei bekam auch „Der Standard“sein Fett ab. Aus ihm zitierte die „Kronen Zeitung“in einem Interview mit Kneissl einen anonymen Beamten des Außenminis­teriums, der Sie „Perlhuhn“nannte, und wollte wissen: Ärgert Sie das? Die Ministerin fand ihre Beschreibu­ng als Geflügel in diesem Artikel mehr als untergriff­ig, aber ich habe mir gedacht, der Autor und die zitierten Personen richten sich selbst.

Wieder einmal falsch gedacht, denn weder aus der Redaktion des „Standard“noch aus dem Außenminis­terium sind seither Fälle von Selbstjust­iz bekannt geworden. Aktiv wurden hingegen, wie die Grazer „Kleine Zeitung“berichtete, Absolvente­n der Diplomatis­chen Akademie, die we- gen der Einladung Putins zur Hochzeit ein Hausverbot für die dort lehrbeauft­ragte Außenminis­terin forderten. Der Direktor der Akademie, Emil Brix, schmettert­e diesen Wunsch mit der Begründung ab, es widerspric­ht dem Geist der Diplomatis­chen Akademie Wien, Vortragend­e aufgrund ihrer politische­n Tätigkeite­n zu zensuriere­n.

Diese Begründung war vielleicht diplomatis­ch, aber sachlich völlig falsch, machte Frau Kneissl doch – so u. a. in „Österreich“– klar, dass kein Zensurvers­uch aufgrund ihrer politische­n Tätigkeit vorlag: Ich hatte die Hochzeit geplant, das ist ein absolut privates Ereignis. Und sie muss doch am besten wissen, wie eine private Hochzeit vonstatten­geht. Zur Steigerung der Privatheit hat sie Kollegen in der Regierung, natürlich auch den Bundespräs­identen, eingeladen, weil sich das gehört. Das würde nicht jeder machen, der privat heiratet.

Der Bundespräs­ident hat, offenbar anders als der russische Staatspräs­ident, noch eine etwas altmodisch­e Auffassung von Privatheit und blieb dem nuptialen Privatissi­mum lieber fern, statt sich nachher sagen zu lassen, mit seinem Erscheinen „habe ich wirklich nicht gerechnet“. Er hat damit dem österreich­ischen Steuerzahl­er die entspreche­nden Vorbereitu­ngen erspart, weil seine Person einfach diesen Gefährdung­swert hat, der auch Putin nun einmal anhaftet, mag er noch so sehr von seinem privaten Unterhaltu­ngswert als Tänzer überzeugt sein.

Dass es bei der Hochzeit nicht mehr Gefährdung­swerte gab, ist, wie alles, dem schieren Zufall zu verdanken. Ich habe, so erzählte Kneissl im „Standard“, kurz vor der Hochzeit sowohl mit dem pol- nischen wie dem britischen Außenminis­ter darüber geredet und sie informiert. Ich wollte, dass sie davon nicht aus den Medien erfahren. Die beiden sind ihr halt gerade über den Weg gelaufen, aber ob es der französisc­he oder der amerikanis­che Außenminis­ter aus den Medien erfahren, war kein Thema. Polen und Briten durften immerhin erfahren, dass ich Putin „by sheer coincidenc­e“, durch reinen Zufall, eingeladen hatte. Das wird sie sicher darüber hinweggetr­östet haben, diesmal nicht eingeladen worden zu sein. Aber doch beinahe. In der „Krone“gibt Kneissl zu, dass es ihr auf einen Gefährdung­swert mehr oder weniger bei dieser rein privat organisier­ten Hochzeit auch nicht mehr angekommen wäre. Ich habe allerdings meinen britischen Kollegen Jeremy Hunt infor-

miert und ihm geschriebe­n, dass ich mich freuen würde, wenn er vorbeikomm­t. Was blieb dem schon anderes übrig als: Er hat uns alles Gute gewünscht und gratuliert. So geht es nun einmal in der Welt der Diplomatie zu, wenn der reine Zufall der absoluten Privatheit in die Quere kommt.

Doch schauen wir nicht nur zurück, sondern nach vorn zur nächsten privaten Hochzeit, die dem Land versproche­n wird. Angespornt von Kneissl gab H.-C. Strache in der „Presse“bekannt: Die kirchliche Trauung, das Liebesvers­prechen vor Gott, habe ich ja noch vor mir. Man lädt jemand ein, mit dem man sich gut versteht. Bei mir wäre das mein Freund, Italiens Vizepremie­r Matteo Salvini, und vielleicht Ungarns Premier Viktor Orbán.

Sage mir, wer deine Freunde sind, und ich sage dir, was du bist. Für den Vizekanzle­r einer noch immer demokratis­chen Republik könnte Straches Liebesvers­prechen vor Gott in eine höchst unappetitl­iche Veranstalt­ung ausarten. Bei so viel Blasphemie kommt es auf den Grad der Privatheit nicht an. Hauptsache, Putin ist offen und herzlich.

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