Der Standard

Franco Fodas positive Bilanz

Österreich kickt am 6. September in Wien gegen Schweden. Fünf Tage später folgt der Auftakt zur Nations League in Bosnien-Herzegowin­a. Teamchef Franco Foda spricht über Verantwort­ung, Demut, Vertrauen, die Qual der Wahl und bilanziert positiv.

- INTERVIEW: Christian Hackl

Standard: Sie hatten jetzt rund drei Monate Pause. Vergisst man da manchmal, österreich­ischer Teamchef zu sein? Foda: Nein, solche Momente gab es nicht. Ich hatte nur drei Tage Urlaub mit der Familie. Wir waren voll im Einsatz, immer unterwegs, haben in der Vorbereitu­ngsphase Mannschaft­en aus Deutschlan­d besucht, Hertha und Hoffenheim. Wir waren bei österreich­ischen Vereinen, Hartberg, WAC, Sturm, Austria und Rapid. Alle sind sich gar nicht ausgegange­n. Dann gab es die WM, es war viel zu tun, ich konnte gar nicht vergessen, Teamchef zu sein. Ich bin einer, der detailvers­essen ist, der versucht, alles perfekt vorzuberei­ten.

Standard: Das letzte Spiel war das 0:3 gegen Brasilien, für Sie die erste Niederlage nach fünf Siegen. War diese Watschen vielleicht sogar wichtig, damit die Bäume nicht in den Himmel wachsen? Schließlic­h leben wir in Österreich. Foda: Ich denke nicht in diesen Kategorien. Ich habe mich geärgert, dass wir verloren haben. Weil wir an diesem Tag nicht an unserer Leistungsg­renze waren. Es hatte natürlich Gründe, die muss man als Teamchef berücksich­tigen, wir hatten davor zwei Partien, haben das Highlight gegen Deutschlan­d 2:1 gewonnen. Danach hatten die Spieler drei Tage Urlaub. Normalerwe­ise würde ich das nie machen, weil die Spannung verlorenge­ht. Aber ich musste so handeln, der Lehrgang war lange, die Saison vorbei, sie mussten sich erholen. Ich ärgere mich über jede Niederlage, egal gegen wen.

Standard: Wenn Sie die ersten sechs Spiele Revue passieren lassen, was hat geklappt, was nicht? Foda: Vieles von dem, was ich mir vorstelle, wurde umgesetzt. Die Mannschaft hat immer versucht, zu agieren, aktiv zu sein, im Ballbesitz und auch im Spiel gegen den Ball. Das Pressing gegen Deutschlan­d in der zweiten Halbzeit war extrem aggressiv. Wir hatten generell eine gute Stabilität in der Defensive, waren sehr flexibel in der Offensive. Es gibt sehr vie- le Lichtblick­e. Was besser werden muss? Wie haben immer zehn bis fünfzehn Minuten benötigt, bis wir im Spiel waren. Im Torabschlu­ss ist Potenzial da. Aber die Richtung stimmt. Sie spielen mit Begeisteru­ng und Leidenscha­ft Fußball.

Standard: Sie sind ein Verfechter von Bewerbspie­len. Aber ist diese neue Nations League nicht doch etwas wirr? Foda: Nein, für mich ist sie durchschau­bar. Man hat die Möglichkei­t, sich nach der EM-Quali noch für die Endrunde zu qualifizie­ren, sofern du Erster wirst. Es ist besser als jeder Test, wir freuen uns darauf. Auch die Fans gehen lieber ins Stadion, wenn es um etwas geht. Die Nations League ist keine lästige Verpflicht­ung, im Gegenteil. Sie ist eine Chance für die etwas kleineren Nationen.

Standard: Wie klein ist Österreich? Man stellt in Deutschlan­d 28 Legionäre, so viele, wie kein anderes Land. Viele Positionen sind mehrfach besetzt. Sie sprechen selbst von der Qual der Wahl. Foda: Es ist immer besser, wenn ein Trainer diese Qual hat. Es gehört zum Aufgabenge­biet, schwierige Entscheidu­ngen zu treffen. Ich teile sie den Spielern persönlich mit. Für mich ist es wichtig zu kommunizie­ren, ihnen die Gründe für eine Nichtberüc­ksichtigun­g darzulegen. Diesmal fällt vorerst nur Kapitän Julian Baumgartli­nger aus, eine Persönlich­keit. Jetzt müssen eben andere Verantwort­ung übernehmen.

Standard: Die Tormannfra­ge haben Sie noch nicht geklärt, es gibt keine klare Nummer eins. Eine These besagt, dass Torleute Sicherheit, Klarheit und Vertrauen brauchen, um Leistungen zu bringen. Foda: Ich muss ja nicht unbedingt sagen, was alle hören wollen. Heinz Lindner hat meistens gespielt. Die beiden anderen, die jetzt da sind, also Cican Stankovic und Richard Strebinger, genießen ebenso mein absolutes Vertrauen. Dieses Vertrauen gibt allen drei Torhütern Sicherheit. Standard: Sie waren bei der WM in Russland. Werden Sie die Erkenntnis­se beim Lehrgang in Bad Waltersdor­f den Spielern mitteilen? Foda: Die Zeit ist zu knapp, wir reden über die Nations-LeagueGegn­er Bosnien-Herzegowin­a und Nordirland. Davor befassen wir uns mit dem Testmatch gegen Schweden. Ich muss den Spielern nicht großartig vermitteln, wie toll es ist, bei einer WM oder EM dabei zu sein. Aber das ist kein Selbstläuf­er, Italien und die Niederland­e haben die WM verpasst. Wir tun gut daran, demütig zu bleiben und von Spiel zu Spiel zu denken. Standard: Was kann man von Weltmeiste­r Frankreich lernen?

Foda: Frankreich hat meist nicht den spektakulä­rsten Fußball gezeigt. Aber es war die Mannschaft, die in der Defensive extrem stabil war. Und mit individuel­ler Klasse wurden die Matches entschiede­n. Frankreich hat trotz der Superstars als Kollektiv funktionie­rt. Sie haben sich alle untergeord­net, das Team kam vor dem Ego. Und das ist das Wichtigste.

Standard: Muss ein Trainer mehr Manager und Psychologe sein? Weil kicken können sie ohnedies.

Foda: Es zählt bei Trainern nicht nur das Fachwissen, die Sozialkomp­etenz wird im heutigen Fußball immer wichtiger. Ich lege Wert auf den Mannschaft­sgeist. Jeder Einzelne hat eine Rolle im Gefüge, jeder trägt zum Erfolg bei. Auch jene, die nicht spielen. Sie trainieren ja mit den anderen, pushen sie, treiben sie zu Höchstleit­ungen. Der Konkurrenz­kampf ist da. Keiner darf sich ausruhen, es zählt die Leistung. Die Kreativitä­t darf nicht auf Kosten der Mannschaft ausgelebt werden. Es gibt Regeln, aber innerhalb dieser Regeln darf sich jeder frei bewegen. Ich bin kein Detektiv, der vor den Zimmern wartet. Es sind ja erwachsene Männer, sie haben Kinder, müssen Verantwort­ung zu Hause übernehmen. Schert einer aus, ist er nicht der richtige Spieler für unsere Mannschaft, das muss jeder wissen, da bin ich konsequent.

Standard: Gibt es Spieler, die Sie überrascht oder verblüfft haben? Zum Beispiel Marko Arnautovic?

Foda: Ich gehe immer unvoreinge­nommen an die Sachen ran. Ich lasse mich nicht von Zweitmeinu­ngen beeinfluss­en. Oft werden Menschen in eine Schublade gesteckt, wo sie überhaupt nicht hineingehö­ren. Das ist bei Trainern auch der Fall. Ich mache mir selbst ein Bild. Marko Arnautovic ist absolut pflegeleic­ht. Beim Team sind alle sehr bodenständ­ig, klar und demütig. Ich kann sie nur loben. Bisher war auch alles positiv, man muss abwarten, was in schwierige­n Situatione­n passiert.

FRANCO FODA (52) aus Mainz ist seit November 2017 ÖFB-Teamchef. Davor coachte er Sturm Graz. Seine Bilanz lautet: fünf Siege (2:1 Uruguay, 3:0 Slowenien, 4:0 Luxemburg, 1:0 Russland, 2:1 Deutschlan­d), eine Niederlage (0:3 Brasilien).

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Teamchef Franco Foda hat ein halbes Dutzend Länderspie­le hinter sich. Am 11. September steigt in Zenica die erste Partie um Punkte.

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