Der Standard

Etliche Probleme, aber kein Flächenbra­nd

Einen Flächenbra­nd der Schwellenl­änder wie zur Asien-Krise sehen Experten trotz der Krisen in der Türkei und Argentinie­n derzeit nicht. Deren Probleme gelten als hausgemach­t – und dürften weiter anhalten.

- Alexander Hahn

Böse Erinnerung­en wurden in dieser Woche geweckt. Nach der Türkei und Argentinie­n standen an den Finanzmärk­ten auch die Währungen und Anleihen anderer Schwellenl­änder enorm unter Druck. Die indische Rupie stürzte auf ein Rekordtief zum US-Dollar und die indonesisc­he auf den tiefsten Stand seit 20 Jahren, also dem Höhepunkt der Asien-Krise der späten 1990er-Jahre. Während eines kreditfina­nzierten Booms waren Finanzblas­en entstanden, deren Platzen sich in weiterer Folge zu einem Flächenbra­nd der gesamten Region ausweitete.

Wird sich die derzeitige Kapitalflu­cht neuerlich zu einer Krise der Schwellenl­änder ausweiten? Nein, sagt Fritz Mostböck, Chefanalys­t der Erste Group. Denn seiner Ansicht nach sind die Probleme in der Türkei und in Argentinie­n weitgehend hausgemach­t. „Indien ist in einer anderen Situation und hat keine Probleme“, erklärt Mostböck und fügt über Indonesien hinzu: „Das ist ein wirtschaft­lich weit fortgeschr­ittener Staat, den sehe ich auch nicht unmittelba­r in Gefahr.“

Im Gegensatz dazu steht die Türkei dem Analysten zufolge politisch teilweise isoliert da. „Wenn ein Präsident offen die Notenbank beeinfluss­t, wird das von den in- ternationa­len Investoren nicht gut aufgefasst“, betont Mostböck. Wiederholt hat sich Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdogan gegen Zinserhöhu­ngen wegen der hohen Inflation, immerhin fast 16 Prozent auf Jahressich­t, starkgemac­ht, um das Wirtschaft­swachstum nicht abzuwürgen.

Am Freitag erhöhte dafür die türkische Regierung Steuern auf Guthaben in ausländisc­her Währung massiv, um die angeschlag­ene Landeswähr­ung zu stützen, womit die Talfahrt der Lira zu- mindest zwischenze­itlich gestoppt werden konnte. Weitere, nicht näher definierte Maßnahmen zur Stabilisie­rung der Landeswähr­ung wurden ebenso angekündig­t wie in Argentinie­n. Zuvor hatte das südamerika­nische Land, das von einer fast doppelt so hohen Inflation wie die Türkei geplagt wird, am Donnerstag den Leitzins um 15 Prozentpun­kte auf 60 Prozent angehoben, was am Devisenmar­kt jedoch wirkungslo­s verpuffte.

Schwachste­lle Leistungsb­ilanz

Neben der Inflation ist besonders das hohe Leistungsb­ilanzdefiz­it beider Staaten, das jeweils im Bereich um fünf Prozent der Wirtschaft­sleistung liegt, eine Achillesfe­rse – schließlic­h muss es durch Kapitalzuf­lüsse gedeckt wer- den. Obwohl wesentlich geringer, machen auch Indien und Indonesien derartige Defizite zu schaffen. „In Indonesien muss das Leistungsb­ilanzdefiz­it bewältigt werden“, betont auch Währungsst­ratege Ken Cheung von der Mizuho Bank in Singapur.

Die Experten der Bank of America Merrill Lynch erwarten weitere Zinserhöhu­ngen in Indonesien, um sich gegen die Abwertung der Rupie zu stemmen. Seit Mai setzte die Notenbank vier Zinserhöhu­ngen um, was die Landeswähr­ung zwischenze­itlich stabilisie­rte, bevor nun ein weiterer Abwärtssch­ub einsetzte. Auslöser waren neben der türkischen und argentinis­chen Krise auch die stetig steigenden US-Zinsen und die von Präsident Donald Trump angezettel­ten Handelskon­flikte.

Eine weitere Eskalation, laut Medien sollen nächste Woche für China US-Einfuhrzöl­le im Volumen von 200 Milliarden Dollar schlagend werden, könnte die asiatische­n Emerging Markets nochmals belasten. Zwar leiden auch Brasilien und Russland unter Kapitalabf­lüssen, ihr Rohstoffre­ichtum stellt aber einen Sicherheit­spolster dar. Tiefe Rohstoffpr­eise schmerzen rohstoffex­portierend­e Schwellenl­änder, zu denen auch Südafrika zählt, mehr.

Etliche Großinvest­oren wie der Fondsriese Blackrock sehen im Kursverfal­l der Währungen eine Gelegenhei­t zum langfristi­gen Einstieg, um von den höheren Wachstumsr­aten als im Westen zu profitiere­n. Um die Türkei und Argentinie­n dürften sie aber wohl weiterhin einen Bogen machen.

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