Was tun gegen politische Polarisierung?
Forscher gingen bisher davon aus, dass die Echokammern sozialer Medien politische Haltungen eher radikalisieren. Eine neue Studie zeigt nun aber, dass auch das Aufbrechen der Filterblase Polarisierungen verstärken kann.
Was passiert im Zeitalter der sozialen Medien mit unseren politischen Überzeugungen? Populäre Modelle der Meinungsbildung gehen davon aus, dass sogenannte Filterblasen und Echokammern für eine noch stärkere Polarisierung sorgen. Konkret: Wir werden auf Twitter oder Facebook ständig mit politischen Meinungen versorgt, die der eigenen entsprechen. Und das würde zu einer weiteren Polarisierung führen.
Hinter diesem auf den ersten Blick einleuchtenden Modell steht die „Informationstransfer-Hypothese“, um den medienwissenschaftlichen Fachbegriff zu strapazieren. Trivialer gesagt: Die Art und Menge der Informationen, denen wir ausgesetzt sind, bestimmen unsere Einstellungen. Aufgrund der Eigenlogik der sozialen Medien werden wir immer seltener mit gegenläufigen Meinungen konfrontiert, und das vertieft die politische Polarisierung.
Doch ist dem tatsächlich so? Und was passiert, wenn wir in den sozialen Medien politisch entgegengesetzten Meinungen ausgesetzt sind? Ein Team um den US-Soziologen Christopher Bail von der Duke University hat diese Fragen mit einem Experiment beantwortet, das nicht unbedingt die erwarteten Ergebnisse brachte.
Republikaner wurden konservativer
An der im Fachblatt PNAS veröffentlichten Studie nahmen 1652 US-Amerikaner teil, die erstens intensive Twitter-Nutzer waren und zweitens deklarierte Republikaner oder Demokraten. Gegen einen geringen Geldbetrag wurden die Probanden dann auf Twitter mittels Bots (also spezieller Computerprogramme) mit politisch jeweils gegenläufigen Meinungen versorgt. Bei den Demokraten führte das zu einer ganz leichten Intensivierung ihrer liberalen Orientierung. Bei den Republikanern hingegen führte dies zu einer massiven Verstärkung ihrer konservativen Haltung.
Die Autoren mahnen bei der Interpretation der Ergebnisse zwar zur Vorsicht. Doch die Studie macht zumindest eines klar: Prozesse der Meinungsbildung in sozialen Medien sind nicht so simpel, wie die Begriffe Filterblase und Echokammer suggerieren. Naheliegend scheint auch, dass ein Aufbrechen der Echokammer eher nicht zur Änderung der eigenen Meinung führt. Ob die Konfrontation mit anderen Meinungen aber immer weiter polarisiert, muss noch durch weitere Studien bestätigt werden.
Was aber passiert, wenn wir uns – statt auf Facebook oder Twitter – im persönlichen Gespräch den Meinungen Andersdenkender stellen? Dazu weiß die Forschung wenig. Aber diese Frage kann von Ihnen quasi im Selbstexperiment mit dem Standard im Rahmen des Projekts „Österreich spricht“beantwortet werden (siehe Kasten links). Am 13. Oktober können Sie mit Menschen unterschiedlicher Meinung zu einem Vier-Augen-Gespräch zusammentreffen, um über polarisierende Themen zu diskutieren. Anmeldungen sind noch bis zum 23. September möglich.