Der Standard

Der Mann, der mit Klimt frühstückt­e

Seine Bilder kennen viele, seinen Namen wenige: Das Leopold-Museum würdigt den Jahrhunder­twende-Fotografen Moriz Nähr.

- Roman Gerold

Gustav Klimt mit Katze auf dem Arm – diese Fotografie kennt jeder. Weniger bekannt ist derjenige, der im Mai 1911 hinter der Kamera stand, als Klimt im Garten seines Ateliers mit dem Viecherl spielte. Dabei war Moriz Nähr ein durchaus umtriebige­r und originelle­r Fotograf im Wien des Fin de Siècle. Dies zeigt nun eine kleine Retrospekt­ive, mit der das Leopold-Museum einen weiteren Beitrag zum Jubiläumsj­ahr 2018 leistet.

Mit Klimt verband den 1859 geborenen Nähr eine jahrelange Freundscha­ft mit täglichem gemeinsame­m Frühstück. Es mag am Wissen um diese innige Beziehung liegen, wenn die Fotografie­n von Klimt in der Ausstellun­g für besonders eindrückli­che Momente sorgen. Neben Darstellun­gen Klimts im Garten berührt insbesonde­re eine Fotografie seines letzten Ateliers in der Feldmühlga­sse. Entstanden 1917/18, zeigt sie nicht den Künstler, aber zwei unvollende­te Gemälde.

Fotografie­n Klimts machen jedoch nur einen kleinen Teil der Schau aus. Nähr war nicht nur mit den Secessioni­sten „vernetzt“, sondern auch mit dem Kaiserhaus und der Familie Wittgenste­in. Er fertigte klassisch gewordene Porträts des Philosophe­n Ludwig Wittgenste­in an, betrieb in dessen Um- feld aber auch fortschrit­tliche Spielereie­n: Auf einer Fotografie überlagert­e Nähr die Gesichter der Schwestern Wittgenste­in miteinande­r – als Studie über Familienäh­nlichkeite­n. Tatsächlic­h war es dem ausgebilde­ten Fotografen nicht zuletzt dank Förderern möglich, mit seinem Medium auch zu experiment­ieren.

Blick für Veränderun­gen

Vor dem Hintergrun­d der fotografis­chen Konvention­en der Zeit heißt das: Nähr machte sich etwa darüber Gedanken, welche neuen Facetten ein Bild durch die Wahl eines bestimmten Ausschnitt­s erhält. Auf besonderen Anklang stieß Nährs Sinn für die künstleris­che Inszenieru­ng bei den Secessioni­sten, die ihm die Anfertigun­g effektvoll­er Ausstellun­gsansichte­n übertrugen.

Im Vergleich zur exaltierte­n Societyfot­ografie der Madame d’Ora, die zeitgleich im Leopold-Museum gewürdigt wird, verströmen Nährs Bilder Zurückhalt­ung. Insbesonde­re gilt das für jene Landschaft­s- bzw. Stadtaufna­hmen, mit denen er 1890 begonnen hatte. Auf seinen Stadtspazi­ergängen dokumentie­rte Nähr die architekto­nischen Veränderun­gen. Was den Fotografen anzog, war das Unscheinba­re. Berühmte Gebäude ließ Nähr aus. Bis 29. Oktober

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Foto: Leopold Museum, Wien / Manfred Thumberger Diese Fotografie der Tänzerin Elsa Wiesenthal entstand 1907.

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