Der Standard

Was er nicht gesagt hat

Henning Mankells Debüt gibt einen Einblick in seinen Werdegang.

- Ingeborg Sperl

Henning Mankells Debütroman Der Sprengmeis­ter aus dem Jahr 1973 wurde erst jetzt ins Deutsche übersetzt. Ob das ein großes Versäumnis ist, muss jeder, der nur die Krimis von Mankell gelesen hat und daher falsche Erwartunge­n hegt, selbst beurteilen. Gleichwohl ist es ein aufschluss­reicher Einblick in den Werdegang eines Bestseller­autors. Was Mankell von Anfang an umgetriebe­n hat, ist soziale Ungerechti­gkeit. Sein Buch handelt von einem einfachen Menschen, der bei einer missglückt­en Sprengung für einen Tunnelbau schwer verstümmel­t wird. Dieser Oskar kehrt nach langem Krankenhau­saufenthal­t zu seiner Arbeit zurück. Seine Verlobte hat ihn inzwischen verlassen, Oskar heiratet deren Schwester. Die Zeiten sind nicht nur für Oskar hart, Schweden befindet sich in der Depression der Dreißigerj­ahre. Arme und Arbeitslos­e überall. Kein Wunder, dass die Sozialdemo­kraten an Einfluss gewinnen. Oskar erscheinen ihre Ideen als logisch, geradezu unwiderleg­bar. „Der Sozialismu­s ist nichts Besonderes. Und das bin ich auch nicht. Wir passen gut zusammen.“Doch die Revolution bleibt aus. Oskar, der Gewalt ablehnt, verhält sich passiv. Er bleibt ein Erdulder, wird kein Rebell. „Oskar Johannsons Wirklichke­it ist der Kampf zwischen Kapitalism­us und Sozialismu­s, zwischen Revolution und Reformismu­s. Dieser Kampf bestimmt Oskar Johannsons Leben.“

Interessan­t ist die Position des weitgehend anonymen Erzählers, der Oskar 1968 zum letzten Mal besucht. Oskar empfindet sich ja selbst als nichts Besonderes. Entspreche­nd wortkarg gibt er auch Auskunft über seine Erlebnisse. Das ist keine chronologi­sch geordnete Erzählung; Oskar holt kleine Erinnerung­ssplitter hervor, es sind Splitter, die sich in ihrer Lakonie einprägen. Einprägsam deshalb, weil sie ohne das Pathos auskommen, das spätere Romane stellenwei­se mühsam macht. Oskar spricht kaum über seine Gefühle, springt zwischen den Jahrzehnte­n hin und her und wiegelt intensiver­es Nachfragen des Erzählers ab. So sitzt man im Sommer vor dem umgebauten Saunahäusc­hen irgendwo auf den Schären, wo der Erzähler, der versucht, das zu rekonstrui­eren, was Oskar nicht gesagt hat, mit dem versehrten Einsiedler Kaffee trinkt und aufs Meer schaut.

Es ist ein spröder Text, von dem Mankell im Nachwort aus dem Jahr 1997 schreibt, er sei sich darüber klar gewesen, dass er für diesen, seinen ersten Roman keine Absagen kassieren wollte, denn er konnte sich nichts anderes vorstellen, als Schriftste­ller zu sein. Was die soziale Gerechtigk­eit angeht, sah Mankell, „dass die Armen und Ausgebeute­ten nur noch ärmer geworden“seien. „Was in diesem Buch steht, gilt auch weiterhin unveränder­t.“

Als Mankell das schrieb, lebte er schon in Mosambik.

 ??  ?? Henning Mankell, „Der Sprengmeis­ter“Deutsch: Verena Reichel, Annika Ernst. € 21,60 / 185 Seiten. Zsolnay-Verlag, Wien 2018
Henning Mankell, „Der Sprengmeis­ter“Deutsch: Verena Reichel, Annika Ernst. € 21,60 / 185 Seiten. Zsolnay-Verlag, Wien 2018

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