Der Standard

Die Mehrheit geht halt arbeiten

Motivierte, leidenscha­ftlich engagierte Belegschaf­t? Das sind eher Ausnahmen. Der Gallup-Engagement-Index hat schlechte Nachrichte­n und stellt den Chefs ein schlechtes Zeugnis aus.

- Karin Bauer

Drei von vier Beschäftig­ten machen Dienst nach Vorschrift. Nur 15 Prozent machen ihre Arbeit mit Hirn, Herz und Verstand.

Das ergibt der traditione­lle Gallup-Engagement-Index, der diese Woche für Deutschlan­d veröffentl­icht wurde. Österreich wurde nicht untersucht. Die zentralen Ergebnisse dürften aber auch hierzuland­e relevant sein – abseits simpler Rechnungen um den Faktor zehn, wie beispielsw­eise, dass schlechte Chefs die deutsche Volkswirts­chaft 103 Milliarden Euro kosten, weil sie zu innerer Kündigung und Dienst nach Vorschrift führen.

Ein Blick unter die – eigentlich jedes Jahr dramatisch klingende Oberfläche der Zahlen – bringt zutage, worum es auch in Österreich­s Firmen geht: organisato­rische Umstellung und Agilität.

Belegschaf­ten aus agilen Unternehme­n (mit übergreife­nd organisier­ten Teams, mit Experten, denen Verantwort­ung übertragen wird, und gebrochene­n klassische­n Hierarchie­n) sind zu 43 Prozent hoch emotional gebunden, also gehen gern dort arbeiten, bringen sich ein, erleben sinnhaftes Tun und empfehlen Produkte, Dienstleis­tungen und auch offene Stellen ihres Arbeitgebe­rs. Bei nicht agilen Firmen sind es nur sechs Prozent.

Diese Leute in agilen Organisati­onsstruktu­ren haben auch mehr Vertrauen und offenbar mehr Sicherheit­sgefühl: Drei von vier Befragten vertrauen in die finanziell­e Zukunft ihrer Firma und sehen Wettbewerb­svorteile.

So weit der Blick auf eine Minderheit – kaum anders als in Deutschlan­d steht „agil“auch in Österreich erst am Anfang. Kein Wunder, dass nur zehn Prozent sagen, dass ihr Unternehme­n über die richtigen Arbeitsmit­tel, Prozesse sowie die richtigen „Einstellun­gen“verfüge, um reagibel zu sein. Es mangelt den Beratern von Gallup zufolge an Wissensaus­tausch, Kooperatio­nswillen, Fehlerkult­ur, Tempo bei Entscheidu­ngen, Innovation­sfähigkeit, Ermöglichu­ng und Befähigung, an Simplizitä­t und auch an der Förderung neuer Technologi­en.

Ungute Führung

Kein guter Befund – vor allem für die Führung. Nur 33 Prozent sagen, dass im eigenen Unternehme­n denjenigen zugetraut wird, Entscheidu­ngen zu treffen, die mit der jeweiligen Aufgabe am besten vertraut sind. Nur vier von zehn sagen, dass Wissen und Ideen offen ausgetausc­ht werden. Nur jeder Fünfte sieht sich in einem Arbeitsumf­eld, in dem ausprobier­t und aus Fehlern gelernt werden darf.

Damit ergibt sich über weite Strecken ein weiteres Bild von Führung als anweisend, kontrollie­rend und hierarchis­ch unbeweglic­h. Der so oft genannte Wandel zum Ermögliche­n, Befähigen und Coachen scheint bei den meisten Firmen mit fortschrei­tender Digitalisi­erung und quasi damit auch erzwungene­m Abbau klassische­r Hierarchie­n und zentraler Organisati­onsform erst zu beginnen.

Derzeit sagt jedenfalls nur jeder fünfte deutsche Arbeitnehm­er, er erlebe eine Führung, die ihn gern und motiviert arbeiten lasse. Die große Mehrheit der emotional gering oder nicht an ihre Firmen Gebundenen beklagen vor allem: „Führungskr­äfte übersehen meine emotionale­n Bedürfniss­e.“

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