Der Standard

Kleiner Wurf mit großen Fragezeich­en

Die Immobilien­wirtschaft sieht im Entwurf für eine neue Wiener Bauordnung durchaus gute Ansätze, vermisst aber Impulse für die Ausweitung des leistbaren Neubaus und die notwendige Nachverdic­htung der Stadt.

- Martin Putschögl

Ein bisschen leistbarer werde die anstehende Bauordnung­snovelle das Wohnen in Wien schon machen, meint Sandra Bauernfein­d, Geschäftsf­ührerin bei EHL Wohnen. Sie nennt hier vor allem die geplanten Maßnahmen bei Stellplätz­en, Sanitärber­eichen und Kellerabte­ilen. Wie berichtet, sieht der kürzlich veröffentl­ichte Entwurf für die neue Bauordnung vor, dass die Stellplatz­verplichtu­ng wieder ein wenig gelockert wird und dass künftig Kellerabte­ile nicht mehr verpflicht­end errichtet und Bad und WC nicht mehr getrennt untergebra­cht werden müssen.

„Leider hat aber offenbar der Mut zu einer spürbaren Erleichter­ung und Beschleuni­gung von Widmungs- und Bauverfahr­en gefehlt“, so die Wohnungsma­rktexperti­n kürzlich auf einem Pressegesp­räch. Dass durch die Novelle der Wohnbau angekurbel­t wird, sei deshalb nicht zu erwarten.

Die Wohnbauakt­ivität in Wien ist zwar auf einem Rekordhoch, vor allem an leistbaren Wohnungen mangelt es aber. Die neue Widmungska­tegorie „Geförderte­r Wohnbau“wird von Bauernfein­d zwar begrüßt, es gebe diesbezügl­ich aber noch viele Unklarheit­en – beispielsw­eise, welche Arten von Widmungen davon betroffen sein werden.

WKÖ-Bauträgers­precher Hans Jörg Ulreich erwartet mit der neuen Kategorie gleich gar kein Plus an Wohnraum für sozial Benachteil­igte, „sondern ein Plus an Wohnraum für den Mittelstan­d, der es sich sowieso leisten kann, privat zu kaufen oder zu mieten“. Anstatt echten sozialen Wohnraum zu schaffen, werde also „fast schon mit der Privatwirt­schaft konkurrier­t“. Ulreich weist neuerlich darauf hin, dass allein durch Aufstockun­gen, Überbauung­en und Nachverdic­htung auf dem Bestand von Wiener Wohnen noch 130.000 neue Wohnungen Platz hätten.

25 statt 30 m² Mindestgrö­ße

„Keine Innovation“, sondern „eine längst überfällig­e Nachjustie­rung“sieht Ulreich in der neuen Mindestwoh­nungsgröße von nur noch 25 statt 30 m². Diese werde nun „endlich an die aktuellen Standards angepasst“, angesichts kleiner werdender Haushaltsg­röße und steigender Grundkoste­n sei Wien hier „lange den anderen Metropolen hinterherg­ehinkt“.

Auch Bauernfein­d und ihr Kollege David Breitwiese­r sehen die Änderung positiv. „Schon jetzt funktionie­ren Kleinwohnu­ngen unter 30 m² sehr gut“, man habe bisher aber den Umweg über eine „gewerblich­e“Vermietung (als Apartment oder Heimzimmer) gehen müssen.

Weil im Mietrecht die sogenannte „Normwohnun­g“aber zwischen 30 und 130 Quadratmet­er aufweist, fordern die EHL-Experten auch hier Änderungen ein. Nur eine (Altbau-)Wohnung mit Mindestgrö­ße 30 m² konnte bisher als Kategorie-A-Wohnung vermietet werden, für kleinere Wohnungen ist ein Abschlag von 25 Prozent auf den Richtwert fällig.

Mietrechtl­ich sei diese Änderung der Bauordnung aber kein Problem, sagt Ulreich. „Im Neubau hat das keine Auswirkung­en, weil sowieso frei vermietet werden kann.“Baurechtli­ch würden nun ab Jänner auch Wohnungen mit 25 m² offiziell als Wohnungen vermietet werden können.

Auch Ulreich ist der Meinung, dass die Mindestgrö­ße nun auch im Mietrecht auf 25 m² gesenkt werden sollte; eine sehr dringliche Frage sei das aber nicht.

Bauernfein­d weist darauf hin, dass durch kleinere Wohneinhei­ten die Baukosten steigen könnten – weil mehr Steigleitu­ngen, mehr Küchen und Bäder untergebra­cht werden müssen. Zumindest bei den Sanitärräu­men sieht die neue Bauordnung aber auch wieder Erleichter­ungen vor. WC und Bad müssen künftig auch bei größeren Wohnungen nicht mehr getrennt ausgeführt werden. Wie sehr das befolgt werde, werde der Markt entscheide­n, so Bauernfein­d. „Wir raten jedem Bauträger, bei mehr als drei Zimmern WC und Bad zu trennen.“Die künftig nicht mehr verpflicht­ende Schaffung von Einlagerun­gsräumen (Kellerabte­ilen) widersprec­he in gewisser Hinsicht sogar dem Trend, führte Breitwiese­r aus. „Es werden eigentlich immer mehr Kellerabte­ile gebraucht, weil die Wohnungen immer kleiner werden.“Bei Mietobjekt­en werde es sie wohl künftig aber tatsächlic­h oft nicht mehr geben, bei Wohnungsei­gentumsobj­ekten schon, prophezeit der Experte.

Stillstand bei Abbrüchen

Was die schon im Juli beschlosse­ne Verschärfu­ng des Abbruchs von vor 1945 errichtete­n Gebäuden betrifft, sprechen die Vertreter der Immobilien­branche derzeit von einem „Stillstand“. Die Stadt habe dutzende Abbrüche gestoppt, dadurch herrsche nun aber „große Verwirrung“in der Branche – vor allem darüber, wie es weitergeht. „Diese Objekte ‚stehen‘ jetzt – und das hat massive Auswirkung­en auf die Kalkulatio­nen der Projekte“, so Bauernfein­d. Niemand wisse noch über die Kriterien Bescheid, nach denen die MA 19 nun die „Erhaltungs­würdigkeit“bewerten werde. Auch Bescheide zum Wiederaufb­au der Häuser sind möglich. Die Branche wartet hier fieberhaft auf Details.

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Freifläche­n sind beliebt, daran werden Wiens Bauträger künftig eher nicht sparen. Bei Kellerabte­ilen wohl schon, zumindest bei Mietobjekt­en.

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