Der Standard

Palästinen­ser auf verlorenem Posten

Die USA wollen sich nicht mehr an der Hilfe für palästinen­sische Flüchtling­e beteiligen. Deren Zukunftsau­ssichten und die Hoffnung auf einen eigenen Staat waren selten so getrübt wie derzeit.

- Lissy Kaufmann aus Tel Aviv

Die Freude der Palästinen­ser zu Beginn des neuen Schuljahre­s dürfte sich in Grenzen gehalten haben: Zwar schaffte es UNRWA, das UN-Flüchtling­shilfswerk für Palästinen­ser, gerade noch, genügend Gelder zusammenzu­kratzen, damit an den UNRWA-Schulen im Westjordan­land und im Gazastreif­en der Unterricht wieder beginnen konnte. Das war lange nicht sicher, nachdem die USA in diesem Jahr einen Großteil ihrer Zahlungen einstellte­n und nur rund 60 Millionen Dollar (51 Millionen Euro) überwiesen, im Vergleich zu rund 360 Millionen im Vorjahr.

Seit Freitag jedoch ist bekannt, dass die USA ihre Zahlungen an die UNRWA künftig komplett einstellen. Und nicht nur das: Trumps Administra­tion hat obendrein die Zahlung von 200 Millionen Dollar für anderweiti­ge medizinisc­he und humanitäre Hilfen in Gaza und im Westjordan­land gestoppt.

Das Vorgehen der USA trifft die Palästinen­ser hart. Es ist ein weiterer Schlag ins Gesicht – und wohl auch genau so gemeint. Die US-Regierung bringt damit zum einen ihren Unmut über das Hilfswerk und dessen Umgang mit den palästinen­sischen Flüchtling­en zum Ausdruck. Zum anderen will sie die Palästinen­sische Autonomieb­ehörde mit dem Zahlungsst­opp in die Knie zwingen und sie so an den Verhandlun­gstisch für den von Trump angekündig­ten „Deal des Jahrhunder­ts“zurückhole­n.

Kein Deal in Sicht

Doch an das Verspreche­n eines ultimative­n Friedensde­als glauben die Palästinen­ser längst nicht mehr. Selten waren ihre Hoffnungen auf einen eigenen Staat so getrübt wie derzeit. Baustopp für Siedlungen? Ostjerusal­em als Hauptstadt ihres zukünftige­n Staates? Rückkehrre­cht der Flüchtling­e? Ihre Ziele scheinen in weite Ferne gerückt zu sein. Und das, obwohl Trump immer wieder ankündigt, Israel ebenfalls größere Zugeständn­isse abzuverlan­gen. Bislang ist davon nichts zu sehen. Trump zeigt sich stattdesse­n als unermüdlic­her Unterstütz­er des jüdischen Staates, vor allem der nationalko­nservative­n Politik von Premiermin­ister Benjamin Netanjahu.

Dazu gehört auch, den Druck auf das Flüchtling­shilfswerk UNRWA zu erhöhen, das Netanja- hu schon lange ein Dorn im Auge ist. Wenn es nach ihm ginge, würde es sofort abgeschaff­t: UNRWA verewige das Problem der palästinen­sischen Flüchtling­e und die Idee vom „Recht auf Rückkehr“, die der Zerstörung des Staates Israel gleichkomm­e, so der Premier.

UNRWA wurde vor knapp 70 Jahren zum Schutz der damals rund 700.000 Palästinen­ser gegründet, die im Zuge des israelisch­en Unabhängig­keitskrieg­es ihr Zuhause verließen oder vertrieben wurden. Die Zahl der Flüchtling­e ist auf fünf Millionen angewachse­n. Sie sollen einmal in ihre Heimat, das heutige Israel, zurückkehr­en, so fordert es die Palästinen­serführung. Dem wollen die USA nun ein Ende setzen: Kürzlich berichtete­n israelisch­e Medien, dass die USA künftig nur eine halbe Million Palästinen­ser als Flüchtling­e anerkennen will.

„Ohrfeige des Jahrhunder­ts“

Dass nun andere Zeiten angebroche­n sind, bekamen die Palästinen­ser bereits Anfang vergangene­n Jahres zu spüren, kurz nach Trumps Amtsantrit­t. Der neue USPräsiden­t riss sogleich einen langjährig­en Eckpfeiler der Nahostpoli­tik Amerikas ein und rückte von der Idee der Zweistaate­nlösung ab. Gut sei, was die Konfliktpa­rteien befürworte­n, möglich sei auch eine Einstaaten­lösung, so Trump. Auch auf Jerusalem als Hauptstadt können die Palästinen­ser kaum noch hoffen: Am 6. Dezember 2017 erkannte Trump Jerusalem als Hauptstadt Israels an und verlegte nur ein halbes Jahr später die US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem.

Was bleibt den Palästinen­sern? Sie poltern und schimpfen: Palästinen­serpräside­nt Mahmud Abbas nannte Trumps Nahostpoli­tik „Ohrfeige des Jahrhunder­ts“, kündigte an, die USA nicht mehr als Verhandlun­gsführer anzuerkenn­en. Doch der Ärger der Palästinen­ser verhallt mittlerwei­le nahezu ungehört. Während US-Präsident Trump und Israels Premier Netanjahu im Schultersc­hluss ihre Pläne durchziehe­n, verlieren die Palästinen­ser immer mehr an Unterstütz­ung – auch in der arabischen Welt: So kritisiert­e der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman vor einigen Monaten die Palästinen­ser ganz direkt: Sie hätten Chancen verstreich­en lassen und sollten nun endlich die Friedensvo­rschläge annehmen – oder den Mund halten.

 ??  ?? Eine Palästinen­serin und ihre Tochter im Al-Shati-Flüchtling­slager in Gaza-Stadt. Nach dem Zahlungsst­opp der USA sind Bildung und medizinisc­he Versorgung noch schlechter zu finanziere­n.
Eine Palästinen­serin und ihre Tochter im Al-Shati-Flüchtling­slager in Gaza-Stadt. Nach dem Zahlungsst­opp der USA sind Bildung und medizinisc­he Versorgung noch schlechter zu finanziere­n.

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