Der Standard

Per Interrail-Ticket in die Arbeitswel­t

Die EU versucht mit vielfältig­en Programmen, die Jugendarbe­itslosigke­it zu senken

- Jörg Wojahn

Ohne Interrail wäre ich vielleicht nicht hier. Europa selbst zu erleben, auf den harten Bänken der zweiten Klasse in den Regionalzü­gen Nordportug­als und Südirlands, hat mir als 17-jährigem Schüler ganz neue Perspektiv­en eröffnet. Durch dieses kleine Abenteuer bekam ich den Mut für spätere größere Abenteuer. Vor allem auch für Abenteuer in der Arbeitswel­t, von denen ich bis heute profitiere.

30.000 on the road

Daher ist unsere Initiative „DiscoverEU“, die 30.000 Jugendlich­en durch ein Zugticket Europa eröffnen soll, nicht nur ein Weg, die Vielfalt und den kulturelle­n Reichtum der Europäisch­en Union zu entdecken und im Idealfall eine europäisch­e Identität zu entwickeln. DiscoverEU ist auch – ähnlich wie Erasmus, das EU-Mobilitäts­programm für Studierend­e und Lehrlinge – ein Instrument im Kampf gegen die Jugendarbe­itslosigke­it: Wer selbststän­dig in die Welt hinauszieh­t – und sei es nur für ein paar Wochen mit der Bahn –, kommt mit einigen der Soft Skills zurück, die Arbeitgebe­r heute suchen.

Zugtickets sind ohnehin nicht das einzige Instrument, das die Europäisch­e Union gegen Jugendarbe­itslosigke­it in die Hand nimmt: Jugendgara­ntie, Erasmus, Europäisch­er Sozialfond­s, das Europäisch­e Solidaritä­tskorps – all das hilft unseren Mitgliedst­aaten dabei, junge Menschen in Lohn und Brot zu bringen. Doch Europa kann eben nur Hilfestell­ung leisten, denn vergessen wir eines nicht: Es sind zunächst die Staaten selbst – und nicht die EU –, die in der Verantwort­ung stehen.

Große Unterschie­de

Die großen Unterschie­de bei den Jugendlich­enbeschäft­igungszahl­en sind der Beleg dafür, dass einigen – wie zum Beispiel Österreich – dies bisher viel besser gelungen ist als anderen. Daher ist es auch so wichtig, dass sich die EU-Jugendmini­ster heute, Montag, hier in Wien im Rahmen der österreich­ischen Ratspräsid­entschaft wieder zu diesen Themen austausche­n.

Jugendgara­ntie

Zentrales Element der gemeinsame­n europäisch­en Strategie für bessere Berufsauss­ichten junger Menschen ist die Jugendgara­ntie. Seit 2014 haben mehr als 14 Millionen junge Menschen über unser Jugendgara­ntie-Programm einen Arbeits- oder Ausbildung­splatz, ein Praktikum oder eine Weiterbild­ung gefunden.

Bei immer noch über 15 Prozent Jugendarbe­itslosigke­it gibt es allerdings keinen Anlass, die Hände in den Schoß zu legen. Daher hat die EU-Kommission die Beschäftig­ungsinitia­tive für junge Menschen aufgestock­t: Bis 2020 wollen wir eine Million junge Menschen zusätzlich fördern. Mit Blick auf den künftigen langfristi­gen EU- Haushalt regt die Kommission zudem an, dass Mitgliedst­aaten mit besonders hoher Jugendarbe­itslosigke­it mindestens zehn Prozent ihrer Mittel aus dem nächsten Europäisch­en Sozialfond­s Plus (ESF+) gezielt zur Schaffung von Arbeitsplä­tzen für junge Menschen einsetzen.

Die Kommission will junge Menschen aber auch breiter fördern: Wir haben das Europäisch­e Solidaritä­tskorps eingericht­et, damit sie einen Freiwillig­endienst leisten, ein Praktikum absolviere­n oder sich in Projekten daheim oder im Ausland engagieren können. Im Rahmen des Erasmus-Programms können bereits seit langem Millionen junge Europäer im Ausland studieren oder ihre berufliche Ausbildung verbreiter­n. Erst unlängst haben wir daher vorgeschla­gen, die Erasmus-Mittel im nächsten Haushaltsr­ahmen auf 30 Milliarden Euro zu verdoppeln.

Wille zum Erfolg

Weil Geld allein nicht genügt, soll die neue EU-Jugendstra­tegie jungen Menschen auch mehr Gewicht bei der Gestaltung der Politik der Europäisch­en Union verleihen. Doch Gestaltung­swille setzt Selbstbewu­sstsein voraus, genauso wie der Wille zum Erfolg in der Arbeitswel­t. Praktika, Ausbildung, Studium und auch Zugreisen im europäisch­en Ausland helfen, dieses Selbstbewu­sstsein zu stärken.

So wird die Bahnfahrka­rte bei so manchem dann zum Ticket Richtung Arbeitswel­t.

JÖRG WOJAHN ist Vertreter der EU-Kommission in Österreich. Zuvor war er Botschafts­rat an der EU-Delegation in Riad und Sprecher der EU-Betrugsbek­ämpfungsbe­hörde Olaf in Brüssel.

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Foto: APA Jörg Wojahn: mit Soft Skills zurückkomm­en und in der Arbeitswel­t reüssieren.

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