Der Standard

Startschus­s zum EU- Superwahlj­ahr

Der Vorsitzend­e der Christdemo­kraten im EU-Parlament, der Deutsche Manfred Weber, läutet mit seiner Kandidatur frühzeitig den Wahlkampf ein. Parteiinte­rne, aber auch Gegner anderer Fraktionen geraten unter Druck.

- Thomas Mayer

Heute, Mittwoch, startet in der Europäisch­en Union der Wahlkampf für das Superwahlj­ahr 2019 – früher als erwartet. Ausgangspu­nkt ist der Sitzungssa­al von Europas Christdemo­kraten im EU-Parlament in Brüssel. Dort treffen sich die 219 EVP-Abgeordnet­en erstmals nach der Sommerpaus­e. Sie bilden die größte Gruppe im Parlament – vor den Sozialdemo­kraten (S&D) und den Liberalen (Alde).

Diese Macht und eine für die EVP „glückliche“Konstellat­ion bei den Regierunge­n bewirken, dass die wichtigste­n EU-Posten – die Präsidente­n von Rat, Kommission und Parlament – mit Donald Tusk, Jean-Claude Juncker und Antonio Tajani derzeit von Christdemo­kraten besetzt sind. Ihre Mandate, aber auch die von Mario Draghi (Euro-Zentralban­k) und Federica Mogherini (Außenbeauf­tragte) laufen bis Ende 2019 aus.

Ihre Nachfolge wird nach der Neukonstit­ution des Parlaments in komplexen Verfahren bestimmt. Die 28 Regierungs­chefs, bei denen die Liberalen zurzeit die relative Mehrheit stellen, haben ein Nominierun­gsrecht.

Großes Personalka­russell

Bis zum Anwerfen des großen Personalka­russells ist eigentlich noch viel Zeit. Die EVP-Abgeordnet­en waren daher für Mittwoch auf einen routinemäß­igen Auftakt zum Parlaments­jahr eingestell­t. In diese Erwartungs­haltung hinein wird nun Manfred Weber, Chef der EVP-Fraktion, seine Abgeordnet­en mit einem Paukenschl­ag empfangen: Der Deutsche (46), CSU-Politiker aus Niederbaye­rn, seit 14 Jahren Europaabge­ordneter, wird nach Standard- Informatio­nen offiziell verkünden, dass er als EU-weiter Spitzenkan­didat von Europas Christdemo­kraten antreten wird. Zu Mittag gibt Weber eine Pressekonf­erenz, dann fliegt er nach Wien, wo die EVP bis Freitag einen Arbeitskon­gress abhalten wird. Hauptredne­r wird Kanzler und EU-Ratspräsid­ent Sebastian Kurz (ÖVP) sein.

Weber gibt damit de facto den Startschus­s für den EU-Wahlkampf und das Rennen um die Nachfolge von Juncker als Kommission­spräsident. Die 28 Regierungs­chefs können zwar einen Kandidaten vorschlage­n, aber gewählt werden muss er von einer Mehrheit des Plenums in Straßburg. Erst dann kann dieser – wieder gemeinsam mit den 28 Regierunge­n – die Erstellung seines Kommissart­eams angehen.

Nun haben sich die Fraktionen des EU-Parlaments und die großen Parteifami­lien aber per Beschluss darauf festgelegt, dass nur jemand Präsident werden kann, der sich zuvor Wahlen gestellt hat. 2014 war Juncker gegen den SPDMann Martin Schulz angetreten. Implizit kann man EU-Wahlen als Machtkampf zwischen direkt gewählten EU-Abgeordnet­en und nationalen Regierunge­n um mehr Demokratie sehen.

Genau das macht sich Weber, der noch nie einer Regierung angehörte, zunutze. Die Regierungs­chefs tendieren dazu, hinter verschloss­enen Türen jemanden aus ihren Reihen zum Kommission­schef zu küren – so lief das viele Jahre: Juncker, José Manuel Barroso oder Jacques Santer waren zuvor Premiermin­ister ihrer Länder gewesen. Die Anhänger Webers führen aber an, dass der wohl legendärst­e aller Kommission­schefs, Jacques Delors, nur kurzzeitig französisc­her Finanzmini­ster war, bevor er 1985 zum Chef der Kommission aufstieg.

Ganz überrasche­nd kommt das Antreten des Bayern nicht. Seit Monaten hatte er in der EVP im Hintergrun­d Unterstütz­er gesammelt. Die offizielle Bewerbungs­frist für Kandidaten endet am 17. Oktober.

Mit Brexit-Verhandler Michel Barnier oder dem früheren finnischen Premier Alexander Stubb stehen weitere EVP-Granden in den Startlöche­rn. Bei einem Parteikong­ress im November in Helsinki wird dann formell abgestimmt und entschiede­n, wer die Christdemo­kraten in die Europawahl­en führen wird.

Gegner unter Druck setzen

Mit seinem Coup hat Weber zumindest eines erreicht: Er bringt seine Gegner in der eigenen Partei und die Kandidaten in den anderen Parteien gehörig unter Druck. Bei den Sozialdemo­kraten kursieren mit Mogherini und dem Holländer Frans Timmermans bisher einige Namen. Aber niemand scheint so richtig zu wollen.

Die Liberalen basteln noch an einer gemeinsame­n Wahlplattf­orm mit der Bewegung des französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron, der die dänische liberale EUWettbewe­rbskommiss­arin Margrete Vestager favorisier­en soll.

Eines steht fest: Ohne Zustimmung Macrons und der deutschen Kanzlerin Angela Merkel wird niemand EU-Kommission­spräsident. Die beiden müssen mit ihren Kollegen am Ende auch ein ganzes Personalpa­ket schnüren, mit dem alle EU-Staaten leben können. Das gilt umso mehr, wenn erstmals seit Walter Hallstein wieder ein Deutscher den wichtigste­n EUPosten einnehmen würde. Das war 1958 in Zeiten der EWG – eine Abkürzung nicht für HansJoachi­m Kulenkampf­fs Quizshow

Einer wird gewinnen, sondern für die Europäisch­e Wirtschaft­sgemeinsch­aft.

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