Der Standard

BVT-Zeugen üben starke Kritik an Staatsanwa­ltschaft

Brisante Aussagen bei U-Ausschuss Zeuge fühlte sich bei Razzia „genötigt“

- Fabian Schmid, Maria Sterkl

Wien – Unbeaufsic­htigter Zugriff auf Dokumente, Angst vor „Handgreifl­ichkeiten“und fehlender Schutz vor Eindringli­ngen in den Verfassung­sschutz: Am ersten Tag des parlamenta­rischen Untersuchu­ngsausschu­sses bekräftigt­en zwei BVT-Mitarbeite­r Vorwürfe gegen die Staatsanwa­ltschaft, der ein überschieß­endes und unsensible­s Agieren unterstell­t wird. Er habe sich „nicht vorstellen können, dass so etwas im Rechtsstaa­t Österreich möglich ist“, sagte ein BVT-Mitarbeite­r.

Ein Zeuge berichtete, dass der Leiter der Antidrogen­polizei EGS ihm mit einer Suspendier­ung gedroht habe, sollte er Kollegen im BVT, darunter auch die Rechts- schutzbeau­ftragte, über die Hausdurchs­uchung informiere­n. Der Zeuge hatte Angst vor „Handgreifl­ichkeiten“und fühlte sich genötigt. Ein zweiter BVT-Mitarbeite­r schilderte die Razzia in seinem Privathaus. Im Tatzeitrau­m habe er gar nicht selbst im BVT gearbeitet, das sei aber ignoriert worden. Ein privater Sachverstä­ndiger, der von der Staatsanwa­ltschaft beigezogen wurde, soll zwei Stunden lang ohne Aufsicht auf sensible Daten zugreifen haben können. Es liege der Verdacht nahe, dass Innenminis­ter Kickl, dessen Generalsek­retär Goldgruber und ein Kabinettsm­itarbeiter die Staatsanwa­ltschaft „missbrauch­t haben“. (red)

Er habe nicht gedacht, dass so etwas „im Rechtsstaa­t Österreich möglich sein kann“, sagt der BVT-Mitarbeite­r B. „Der Verdacht liegt nahe“, dass Innenminis­ter Herbert Kickl (FPÖ), Generalsek­retär Peter Goldgruber und Kabinettsm­itarbeiter Udo Lett „die Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft missbrauch­t haben“. Das äußerte sich für B. in folgender Szene, die sich am 28. Februar zugetragen hat: B. ist gerade daheim im Keller, als seine Tochter auftaucht und von „Männern im Haus“spricht. Wenig später steht ein Staatsanwa­lt neben ihr, der B., einem Zeugen in den Ermittlung­en gegen das BVT, eine Anordnung zur Hausdurchs­uchung überreicht – und zwar für einen Tatzeitrau­m, in dem B. gar nicht beim BVT gearbeitet hat.

Das deponiert B. sogar bei der fallführen­den Staatsanwä­ltin, fortgesetz­t wird die Hausdurchs­uchung aber trotzdem. Insgesamt werden in B.s Büro und Haus mehr als zwanzig Terabyte an Daten sichergest­ellt. Deshalb habe der Systemadmi­nistrator des BVTs es nicht verstanden, dass der Generalsek­retär Christian Pilnacek öffentlich von einigen Gigabyte an beschlagna­hmten Daten gesprochen habe. Pilnacek sei belogen worden, vermutet B., der ihm deshalb eine E-Mail schrieb. Pilnacek verwies jedoch seither darauf, dass er externe Festplatte­n in seinen ersten Statements über die sichergest­ellte Menge an Daten nicht miteinbezo­gen hat.

B., der seit drei Jahren beim BVT ist, warf der Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft außerdem vor, sich schlecht auf die Hausdurchs­uchungen vorbereite­t zu haben. Ein Mitarbeite­r sagte etwa, man wolle „alles mitnehmen“– also mehr als fünfzig Server –, was nahezu unmöglich sei. „Darüber lachen wir in der Kaffeerund­e noch heute“, sagt der geladene Zeuge, der sich selbst „wie ein Beschuldig­ter behandelt“gefühlt habe.

„Chaotische“Razzia

Die Hausdurchs­uchung habe „chaotisch“gewirkt, sagt B. den Abgeordnet­en. Der private externe Sachverstä­ndige, der von der Staatsanwa­ltschaft mitgenomme­n wurde, hatte laut dem Zeugen in dessen Haus über zwei Stunden lang Zugriff auf interne Informatio­nen, ohne von der Staatsanwa­ltschaft kontrollie­rt zu werden.

Im Nachhinein getäuscht fühlt sich BVT-Mitarbeite­r G. Am Tag der Razzia beim Verfassung­sschutz hätten sich die Staatsanwä­ltin und der polizeilic­he Einsatzlei­ter, Wolfgang Preiszler, unter einem Vorwand Zutritt zu den Räumlichke­iten des Verfassung­sschutzes verschafft. Sie gaben an, einen Termin zu haben. Obwohl dieser nicht in G.s Computer aufschien, ließ er sie hinein.

Der Termin entpuppte sich als Hausdurchs­uchung: G. und ein zweiter Mitarbeite­r wurden angewiesen, keine Computer oder Tele- fone mehr zu bedienen, außerdem verlangte Wolfgang Preiszler, Chef der Einsatzgru­ppe gegen Straßenkri­minalität (EGS), die zentrale Öffnungska­rte für die Räumlichke­iten des Verfassung­sschutzes.

Damit konnten sich die Polizisten anschließe­nd überall Zutritt verschaffe­n. Laut G. habe es so gewirkt, als ob Preiszler und nicht die Staatsanwä­ltin den Einsatz leite. Eine schriftlic­he Anordnung bekam er nicht zu sehen, da ihn diese laut Staatsanwä­ltin „nicht betreffe“. Die Situation habe er durchaus als „Nötigung“empfunden, sagt G. auf Nachfrage.

Furcht vor Handgreifl­ichkeit

So habe EGS-Chef Preiszler mit Suspendier­ungen gedroht, die er aber gar nicht ausspreche­n könne. Auch habe G. „Handgreifl­ichkeiten“erwartet, sollte er den Ordern der Polizisten nicht Folge leisten.

Zeitweise habe G. keinen Überblick mehr darüber gehabt, welche Personen das Gelände rund um den Verfassung­sschutz betre- ten haben. Er habe das Drehkreuz, eine „Vereinzelu­ngsanlage“, deaktivier­t, sodass an die vierzig EGS-Polizisten das BVT betreten konnten.

Einer dieser Polizisten war als letzter Zeuge vor den Untersuchu­ngsausschu­ss geladen. Die Beratungen darüber, ob er medienöffe­ntlich aussagen soll, zogen sich jedoch bis nach Druckschlu­ss der ersten Ausgabe.

Der U-Ausschuss soll die Abläufe, Motive und Folgen der Razzia untersuche­n. Zeuge B. behauptete etwa, dass Kollegen ihn über einen deutlichen Rückgang an Informatio­nen von ausländisc­hen Partnerdie­nsten informiert hatten. „Bis zur Pension könnte es so bleiben“, soll der BVT-Mitarbeite­r gescherzt haben, dessen Personalie­n dann gleich von Abgeordnet­en erfragt wurden. Dieses Gerücht aus dem BVT widerspric­ht offizielle­n Aussagen, dass es bei Partnerdie­nsten zu keiner Sonderbeha­ndlung gekommen sei. Auch das deutsche Innenminis­terium erklärte die Causa in einer parlamenta­rischen Anfragebea­ntwortung für „erledigt“.

Am Mittwoch gehen die Befragunge­n weiter, geladen sind die Rechtsschu­tzbeauftra­gte des BVT sowie zwei Mitarbeite­r.

 ??  ?? Am ersten Tag des U-Ausschusse­s nahmen zwei BVT-Mitarbeite­r sowie ein Polizist der Antidrogen­einheit EGS Platz, um ihre Sicht der Razzia zu schildern.
Am ersten Tag des U-Ausschusse­s nahmen zwei BVT-Mitarbeite­r sowie ein Polizist der Antidrogen­einheit EGS Platz, um ihre Sicht der Razzia zu schildern.

Newspapers in German

Newspapers from Austria