BVT-Zeugen üben starke Kritik an Staatsanwaltschaft
Brisante Aussagen bei U-Ausschuss Zeuge fühlte sich bei Razzia „genötigt“
Wien – Unbeaufsichtigter Zugriff auf Dokumente, Angst vor „Handgreiflichkeiten“und fehlender Schutz vor Eindringlingen in den Verfassungsschutz: Am ersten Tag des parlamentarischen Untersuchungsausschusses bekräftigten zwei BVT-Mitarbeiter Vorwürfe gegen die Staatsanwaltschaft, der ein überschießendes und unsensibles Agieren unterstellt wird. Er habe sich „nicht vorstellen können, dass so etwas im Rechtsstaat Österreich möglich ist“, sagte ein BVT-Mitarbeiter.
Ein Zeuge berichtete, dass der Leiter der Antidrogenpolizei EGS ihm mit einer Suspendierung gedroht habe, sollte er Kollegen im BVT, darunter auch die Rechts- schutzbeauftragte, über die Hausdurchsuchung informieren. Der Zeuge hatte Angst vor „Handgreiflichkeiten“und fühlte sich genötigt. Ein zweiter BVT-Mitarbeiter schilderte die Razzia in seinem Privathaus. Im Tatzeitraum habe er gar nicht selbst im BVT gearbeitet, das sei aber ignoriert worden. Ein privater Sachverständiger, der von der Staatsanwaltschaft beigezogen wurde, soll zwei Stunden lang ohne Aufsicht auf sensible Daten zugreifen haben können. Es liege der Verdacht nahe, dass Innenminister Kickl, dessen Generalsekretär Goldgruber und ein Kabinettsmitarbeiter die Staatsanwaltschaft „missbraucht haben“. (red)
Er habe nicht gedacht, dass so etwas „im Rechtsstaat Österreich möglich sein kann“, sagt der BVT-Mitarbeiter B. „Der Verdacht liegt nahe“, dass Innenminister Herbert Kickl (FPÖ), Generalsekretär Peter Goldgruber und Kabinettsmitarbeiter Udo Lett „die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft missbraucht haben“. Das äußerte sich für B. in folgender Szene, die sich am 28. Februar zugetragen hat: B. ist gerade daheim im Keller, als seine Tochter auftaucht und von „Männern im Haus“spricht. Wenig später steht ein Staatsanwalt neben ihr, der B., einem Zeugen in den Ermittlungen gegen das BVT, eine Anordnung zur Hausdurchsuchung überreicht – und zwar für einen Tatzeitraum, in dem B. gar nicht beim BVT gearbeitet hat.
Das deponiert B. sogar bei der fallführenden Staatsanwältin, fortgesetzt wird die Hausdurchsuchung aber trotzdem. Insgesamt werden in B.s Büro und Haus mehr als zwanzig Terabyte an Daten sichergestellt. Deshalb habe der Systemadministrator des BVTs es nicht verstanden, dass der Generalsekretär Christian Pilnacek öffentlich von einigen Gigabyte an beschlagnahmten Daten gesprochen habe. Pilnacek sei belogen worden, vermutet B., der ihm deshalb eine E-Mail schrieb. Pilnacek verwies jedoch seither darauf, dass er externe Festplatten in seinen ersten Statements über die sichergestellte Menge an Daten nicht miteinbezogen hat.
B., der seit drei Jahren beim BVT ist, warf der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft außerdem vor, sich schlecht auf die Hausdurchsuchungen vorbereitet zu haben. Ein Mitarbeiter sagte etwa, man wolle „alles mitnehmen“– also mehr als fünfzig Server –, was nahezu unmöglich sei. „Darüber lachen wir in der Kaffeerunde noch heute“, sagt der geladene Zeuge, der sich selbst „wie ein Beschuldigter behandelt“gefühlt habe.
„Chaotische“Razzia
Die Hausdurchsuchung habe „chaotisch“gewirkt, sagt B. den Abgeordneten. Der private externe Sachverständige, der von der Staatsanwaltschaft mitgenommen wurde, hatte laut dem Zeugen in dessen Haus über zwei Stunden lang Zugriff auf interne Informationen, ohne von der Staatsanwaltschaft kontrolliert zu werden.
Im Nachhinein getäuscht fühlt sich BVT-Mitarbeiter G. Am Tag der Razzia beim Verfassungsschutz hätten sich die Staatsanwältin und der polizeiliche Einsatzleiter, Wolfgang Preiszler, unter einem Vorwand Zutritt zu den Räumlichkeiten des Verfassungsschutzes verschafft. Sie gaben an, einen Termin zu haben. Obwohl dieser nicht in G.s Computer aufschien, ließ er sie hinein.
Der Termin entpuppte sich als Hausdurchsuchung: G. und ein zweiter Mitarbeiter wurden angewiesen, keine Computer oder Tele- fone mehr zu bedienen, außerdem verlangte Wolfgang Preiszler, Chef der Einsatzgruppe gegen Straßenkriminalität (EGS), die zentrale Öffnungskarte für die Räumlichkeiten des Verfassungsschutzes.
Damit konnten sich die Polizisten anschließend überall Zutritt verschaffen. Laut G. habe es so gewirkt, als ob Preiszler und nicht die Staatsanwältin den Einsatz leite. Eine schriftliche Anordnung bekam er nicht zu sehen, da ihn diese laut Staatsanwältin „nicht betreffe“. Die Situation habe er durchaus als „Nötigung“empfunden, sagt G. auf Nachfrage.
Furcht vor Handgreiflichkeit
So habe EGS-Chef Preiszler mit Suspendierungen gedroht, die er aber gar nicht aussprechen könne. Auch habe G. „Handgreiflichkeiten“erwartet, sollte er den Ordern der Polizisten nicht Folge leisten.
Zeitweise habe G. keinen Überblick mehr darüber gehabt, welche Personen das Gelände rund um den Verfassungsschutz betre- ten haben. Er habe das Drehkreuz, eine „Vereinzelungsanlage“, deaktiviert, sodass an die vierzig EGS-Polizisten das BVT betreten konnten.
Einer dieser Polizisten war als letzter Zeuge vor den Untersuchungsausschuss geladen. Die Beratungen darüber, ob er medienöffentlich aussagen soll, zogen sich jedoch bis nach Druckschluss der ersten Ausgabe.
Der U-Ausschuss soll die Abläufe, Motive und Folgen der Razzia untersuchen. Zeuge B. behauptete etwa, dass Kollegen ihn über einen deutlichen Rückgang an Informationen von ausländischen Partnerdiensten informiert hatten. „Bis zur Pension könnte es so bleiben“, soll der BVT-Mitarbeiter gescherzt haben, dessen Personalien dann gleich von Abgeordneten erfragt wurden. Dieses Gerücht aus dem BVT widerspricht offiziellen Aussagen, dass es bei Partnerdiensten zu keiner Sonderbehandlung gekommen sei. Auch das deutsche Innenministerium erklärte die Causa in einer parlamentarischen Anfragebeantwortung für „erledigt“.
Am Mittwoch gehen die Befragungen weiter, geladen sind die Rechtsschutzbeauftragte des BVT sowie zwei Mitarbeiter.