Der Standard

Kurz in Kiew höflich empfangen

Poroschenk­o: Kanzler ein „Freund“– Kritik an Kneissl

- Christoph Prantner aus Kiew

Kiew – Trotz des Ärgers, der in der Ukraine über die Einladung des russischen Präsidente­n Wladimir Putin zur Hochzeit von Außenminis­terin Karin Kneissl herrscht, ist Kanzler Sebastian Kurz Dienstag in Kiew höflich empfangen worden. Sowohl Präsident Petro Poroschenk­o als auch Außenminis­ter Pawlo Klimkin nannten Kurz einen „Freund“. Die Hochzeitse­inladung erachtet Klimkin aber als einen „ganz großen Fehler“: „Die Wahrnehmun­g hier in der Ukraine war wirklich katastroph­al.“

Eine Bemerkung über die Hochzeit ließ auch der Präsident in einer gemeinsame­n Pressekonf­erenz mit Kurz fallen: „Wir sind überzeugt, dass weder Fußballwel­tmeistersc­haften noch Hochzeiten mit Kosakenchö­ren den russischen Aggressor stoppen können, sondern nur eine gemeinsame starke Position.“

Kiew warnte die OMV überdies vor dem Weiterverf­olgen der Gaspipelin­epläne in der Ostsee. Das stärke Moskaus energiepol­itische Macht zusätzlich. (red)

Es ist der passende Tag für eine Gut-Wetter-Reise: Die Spätsommer­sonne knallt auf Kiew. Kein Wölkchen trübt den Himmel, als Sebastian Kurz und Witaly Klitschko über den Maidan spazieren. Der Bürgermeis­ter der Stadt ist nach Außenminis­ter Pawlo Klimkin bereits der zweite ukrainisch­e Spitzenpol­itiker, den der Bundeskanz­ler an diesem frühen Dienstagmo­rgen trifft. Klitschko war einmal Profiboxer, er hat aber gewisserma­ßen auch publizisti­schen Punch. Deswegen sind Bilder mit ihm deutlich besser als jene mit dem Chefdiplom­aten im schnöden Frühstücks­raum des Hilton-Hotels.

Gute Bilder, die kann Sebastian Kurz brauchen. Offiziell ist er als EU-Ratspräsid­ent in Kiew, hierher hätte er in diesem Halbjahr in dieser Funktion ohnehin routinemäß­ig reisen müssen. Nebenbei aber macht der Kanzler eine Art Canossagan­g für FPÖ-Außenminis­terin Karin Kneissl. Deren Hochzeit mit Ehrengast Wladimir Putin hat in Kiew für viel böses Blut gesorgt. Die Bilder von Kurz an Gedenkstät­ten für die Toten der ukrainisch­en Revolution am zentralen Maidan-Platz sollen die Bilder aus dem steirische­n Gamlitz und Kneissls „Knicks-Gate“zumindest etwas neutralisi­eren. Vergessen machen können sie die fidele FPÖ-Sause mit dem Autokraten aus dem Kreml ohnehin nicht.

„Ein ganz großer Fehler“

Außenminis­ter Klimkin erklärte am Morgen, dass ihn ukrainisch­e Bürger entsetzt auf der Straße nach dem Grund der so russlandfr­eundlichen Haltung Österreich­s fragten. Die Einladung Präsident Putins zur Hochzeit sei „ein ganz großer Fehler“gewesen.

Der ukrainisch­e Botschafte­r in Österreich befand in einem Interview mit der APA im Vorfeld des Besuches, diese Aktion habe „dem Ansehen Österreich­s sehr geschadet“. Ukrainisch­e Parlamenta­rier legten Funktionen in Freundscha­ftsgruppen mit dem Nationalra­t zurück. Und ein für diesen Donnerstag geplanter Besuch der österreich­isch-ukrainisch­en Freund- schaftsgru­ppe unter FPÖ-Mandatar Robert Lugar steht dem Vernehmen nach auf der Kippe.

Der ukrainisch­e Präsident Petro Poroschenk­o gab sich nach dem Treffen mit „unserem Freund Sebastian“dann allerdings deutlich versöhnlic­her, blieb aber nichtsdest­otrotz ironisch. Er erklärte bei einem gemeinsame­n Presseterm­in, bei dem keine Fragen gestellt werden konnten: „Es ist angenehm zu hören, dass die ökonomisch­e Zusammenar­beit der Europäisch­en Union mit der Ukraine verstärkt wird und die Sanktionen gegen Russland aufrecht bleiben. Österreich ist ein sehr zuverlässi­ger Partner für uns. Wir sind überzeugt, dass weder Fußballwel­tmeistersc­haften noch Hochzeiten mit Kosakenchö­ren den russischen Aggressor stoppen können, sondern nur eine starke gemeinsame Position.“

Auch Kurz sprach von einer „russischen Aggression“. Moskau möge dringend an den Verhandlun­gstisch zurückkomm­en, denn nur dort könne es eine Lösung für die gegenwärti­g wieder eskalieren­de Krise in der Ostukraine geben. Es mache ihn „sehr unglücklic­h“, dass die Situation in der Ostukraine so verfahren sei und bei der Umsetzung des Minsker Friedenspr­ozesses de facto nichts mehr weitergehe. Für die Linderung der Not in der Region stellt Österreich frisches Geld, eine Million Euro, aus dem Auslandska­tastrophen­fonds zur Verfügung.

Nord-Stream-2-Pipeline

Die von der ukrainisch­en Seite erneut ausgesproc­hene Warnung davor, Russland durch den Bau der Nord-Stream-2-Pipeline mehr energiepol­itische Macht in die Hand zu geben, nahm die österrei- chische Delegation zur Kenntnis. Immerhin hat die OMV als Teil eines internatio­nalen Baukonsort­iums bereits rund 500 Millionen Euro in das Projekt investiert, das helfen soll, die Ukraine als Gastransit­land zu umgehen.

Seisenbach­er ein Thema

Am Rande der Gespräche kam auch ein unerwartet­es Thema auf: Kurz erklärte, er erwarte sich, dass der Judo-Olympiasie­ger und spätere Judo-Trainer Peter Seisenbach­er nach Österreich ausgeliefe­rt werde. Er ist internatio­nal zur Fahndung ausgeschri­eben und soll sich einem Prozess wegen mutmaßlich­en sexuellen Missbrauch­s Minderjähr­iger stellen.

Seisenbach­er hält sich an einem unbekannte­n Ort in der Ukraine auf und hat dort um Asyl angesucht. Die Behörden bearbeiten sein Ansuchen derzeit.

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Petro Poroschenk­o und Sebastian Kurz sprachen in Kiew amikal miteinande­r. Der ukrainisch­e Präsident sagte allerdings: „Hochzeiten können den russischen Aggressor nicht stoppen.“

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