Der Standard

Neuer Fries soll wieder weg

Die Secession erstrahlt in saniertem Glanz. Die Rückseite ziert eine Teilrekons­truktion des Frieses von Koloman Moser von 1898, das der Vereinsvor­stand aber wieder abschlagen lässt.

- Olga Kronsteine­r

Eine Teilrekons­truktion des Frieses von Koloman Moser von 1898, die die sanierte Wiener Secession ziert, soll wieder weg.

Bröckelnde­r Putz, veraltete Licht- und Klimatechn­ik, die Kuppel mit ihrem partiell vergoldete­n Blätterkle­id drohte durchzuros­ten. „Ein Wahrzeiche­n Wiens verfällt“: Mit diesen Worten hatte Herwig Kempinger, Präsident der Vereinigun­g bildender KünstlerIn­nen Österreich­s, Anfang 2015 den unrühmlich­en Zustand der Wiener Secession kritisiert. Das ist Geschichte. Die Generalsan­ierung ist nun abgeschlos­sen und das Ausstellun­gshaus erstrahlt in neuem, altem Glanz – auch auf der Hinterseit­e, doch hier soll die frisch aufgetrage­ne Zierde schon bald wieder zerstört werden.

Die Rückseite des Gebäudes, von zeitgenöss­ischen Polemikern als „zur Hälfte Moschee, zur anderen Hälfte Hochofen“, bezeichnet, zierte ursprüngli­ch ein Fries von Koloman Moser: 18 ägyptisch anmutende Tänzerinne­n, die aus Lorbeerblä­ttern geflochten­e Kränze schwingen. Der Lorbeer gehörte zum dekorative­n Konzept von Architekt Joseph Maria Olbrich, das von der Kuppel als Baum ausgehend von anderen Wandschmuc­kelementen aufgegriff­en wurde.

Detektivis­ches Unterfange­n

Im Zuge der Renovierun­g 1907/08 (Robert Oerley) waren sowohl die Schriftzüg­e an der Fassade als auch der Fries entfernt worden. Die Zeilen „Der Zeit ihre Kunst, der Kunst ihre Freiheit“(Ludwig Hevesi) prangen erst seit 1960 wieder über dem Eingang, „Ver Sacrum“kehrte erst in den 1980ern zurück. Im Rahmen der aktuellen Generalsan­ierung sollte ursprüngli­ch Mosers Reigen der Kranzträge­rinnen vollständi­g rekonstrui­ert werden – mangels Vorlagen des originalen „Mörtelschn­itts“kein einfaches Unterfange­n. Die detektivis­che Forschung in Kooperatio­n mit dem Bundesdenk­malamt und dem ausführend­en Restaurato­r begann Ende 2015.

Dass er nur mit einem „Versuchsfe­ld“beauftragt worden sei, erfuhr Johannes Duda dann kurz- fristig im Mai 2017. Ausschlagg­ebend war eine Abstimmung des Vorstands, konkret hatte sich die Mehrheit der Künstler dagegen ausgesproc­hen. Denn angeblich passe explizit diese Rekonstruk­tion eines historisch­en Elements konzeption­ell nicht zu einer zeitgenöss­ischen Vereinigun­g.

Die Arbeiten am „Versuchsfe­ld“nahmen etwa einen Monat in Anspruch. Die Kosten inklusive aller Vorarbeite­n sollen gerüchtewe­ise bei etwa 40.000 Euro gelegen sein. Geschäftsf­ührerin Anette Südbeck will das auf Anfrage nicht be- stätigen, sie sagt nur: „Günstiger.“

Im Herbst 2017 entschied der Verein schließlic­h, dass das „Versuchsfe­ld“wieder abgeschlag­en werden muss. Warum? Das Ergebnis habe den Vorstand nicht zu 100 Prozent überzeugt, formuliert es Südbeck diplomatis­ch. Immerhin wird das „temporäre Musterfeld“noch ein paar Monate und über den 100. Todestag Koloman Mosers hinaus zu sehen sein. Dafür hatte sich vor allem das Bundesdenk­malamt eingesetzt.

Der Gesamtreno­vierung der Secession war ein zähes Ringen um die Finanzieru­ng vorausgega­ngen, da man derlei aus Eigenmitte­ln nicht hätte stemmen können. Das „Erscheinun­gsbild des Jugendstil­gebäudes“müsse „entspreche­nd seiner großen internatio­nalen Bedeutung als historisch­es Wahrzeiche­n“gewährleis­tet sein, betonte die Vereinigun­g etwa auch im Prüfberich­t des Stadtrechn­ungshofs 2016.

Die Stadt Wien und das Bundeskanz­leramt sagte je eine Million Euro zu und kam auch anteilig für nachfolgen­de Mehrkosten (u. a. höherer Schadensgr­ad, Brandschut­ztechnik) auf. Die öffentlich­e Subvention beläuft sich auf 2,4 von den 3,45 Millionen Euro Gesamtkost­en. Den Rest finanziert­e die Secession, unterstütz­t vom Freundever­ein, der Vienna Secession American Foundation und dem Stadterwei­terungsfon­ds.

Vergoldung­saktion

Hinzu kam der Erlös der Aktion „Vergolden Sie die Kuppel: 100 Euro pro Blatt“– laut dem Protokoll der Vorstandss­itzung von Ende Mai soll sie mit „über 140.000 Euro äußerst erfolgreic­h“verlaufen sein. Vergolden ist hier symbolisch gemeint. Das Auftragen von Blattgold war nur den Kugeln (Knospen) und einem streifenar­tigen Dekor auf den Ocker lackierten Blättern vorbehalte­n. Dabei orientiert­e man sich an historisch­en Quellen. Joseph Maria Olbrich hatte 1898 bewusst auf ein flimmernde­s Spiel der Tonwerte (Lackierung) und Glanzlicht­er (Gold) gesetzt, die eine lebendiger­e Wirkung ergaben als vollflächi­ge Vergoldung.

Restaurato­r Johannes Duda weigert sich übrigens, die geplante Zerstörung der rekonstrui­erten Kranzträge­rinnen an der Rückseite der Secession selbst vorzunehme­n. Ob er Privatauft­räge von Koloman-Moser-Fans annehmen würde? Jederzeit. Kostenpunk­t? Das komme auf die Beschaffen­heit des Untergrund­s an, exklusive dieser Arbeiten kalkuliert er 3000 Euro je Tänzerin.

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Im Zuge der Restaurier­ung der Wiener Secession wurden auch Teile des ursprüngli­chen Frieses von Koloman Moser an der Rückseite rekonstrui­ert. Bald soll es aber wieder zerstört werden.

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