Der Standard

Birgit Hebein will an die grüne Spitze in Wien

Die grüne Sprecherin für Sicherheit und Soziales stieg als erste Frau in den Ring um die Nachfolge von Maria Vassilakou.

- Oona Kroisleitn­er

Bis zum letzten Tag hat sich Birgit Hebein, Sozialspre­cherin und Gemeinderä­tin der Wiener Grünen, Zeit gelassen. Am Dienstag gab die 51-Jährige ihre Bewerbung für die Spitzenkan­didatur bei der Wien-Wahl 2020 ab. „Ich mache es kurz: Ich kandidiere“, sagte Hebein im vollen News-Café im 15. Bezirk.

Bei den Grünen hatte man eine Kandidatur Hebeins in den vergangene­n Tagen bereits vermutet. Nach der Absage von Bundesräti­n Ewa Dziedzic und der Ankündigun­g des Rückzugs von Vizebürger­meisterin Maria Vassilakou bis Mitte 2019 soll Hebein von mehreren Seiten um eine Bewerbung gebeten worden sein. Bis Montag hatten sich nur Männer für den Posten beworben. „Ich habe mich selbst ausgesucht und bin nicht ausgesucht worden“, sagte Hebein zu den Gerüchten, sie sei gedrängt worden. Gemeinsam „mit einem Team“, das allerdings erst in den kommenden Tagen präsentier­t wird, wolle sie sich um den Spitzenpla­tz bemühen.

Neben der gebürtigen Kärntnerin haben Gemeindera­t Peter Kraus und Klubchef David Ellensohn ihre Kandidatur­en öffentlich gemacht. Hebein fischt im selben Parteispek­trum wie Ellensohn um Stimmen. Auf ihrem Blog bezeichnet sie sich selbst als „grün-linke Fundi“– also als Teil des fundamenta­listischen Lager in der Partei, dem auch Ellensohn angehören soll. Trotzdem gibt sich Hebein oft pragmatisc­h. Kraus hingegen wird dem „Realo“-Flügel der Partei zugerechne­t.

Sozial und sicher

Seit 2010 ist Hebein Gemeinderä­tin in Wien und für die Themen Soziales und Sicherheit zuständig. Davor war sie Bezirksrät­in und Klubobfrau im 15. Bezirk. Die politische Heimat Rudolfshei­m-Fünfhaus teilt sich Hebein mit Ellensohn. Über ihre beiden Konkurrent­en sagte Hebein: „Ich schätze sie sehr. Wir brauchen beide in der grünen Bewegung und in der Partei.“Sie kandidiere nicht gegen die Männer, sondern für ihre Ideen.

Politisch aktiv wurde die diplomiert­e Sozialarbe­iterin ursprüngli­ch in der Friedensbe­wegung. Zu den Grünen sei Hebein durch den Kontakt mit „einzelnen Menschen, die für ihre Begeisteru­ng und Ideen kämpfen und bei denen das Reden und Tun übereinges­timmt hat“, gestoßen. Diese Begeisteru­ng wolle Hebein in der „nicht einfachen Situation“der Partei wieder auslösen.

Inhaltlich will sie einen Schwerpunk­t auf soziale Sicherheit und Umweltpoli­tik legen. „Ohne so- ziale Sicherheit gibt es keinen sozialen Frieden.“Spätestens seit dem Sommer „mit Hitzewelle­n und Überschwem­mungen muss allen klar sein, dass die Klimakrise eine soziale Krise ist“.

In ihrer Kindheit in Kärnten habe Hebein „Lieder auf Slowenisch und Deutsch“gesungen, auch antifaschi­stische Lieder singe sie „aus voller Überzeugun­g“, betonte Hebein. „Wenn wir die soziale Frage eskalieren lassen und keine Lösungen auf den Tisch legen, dann dürfen wir uns über das, was in Chemnitz passiert ist, nicht wundern.“Dass Rechtsextr­eme auf die Straße gehen, „will ich für Wien nicht“.

Kritik an Ludwig

Aufhorchen ließ Hebein im Frühjahr mit Kritik an dem von Stadtchef Michael Ludwig (SPÖ) verhängten Alkoholver­bot am Praterster­n. „Es macht mir große Sorgen, in welche Richtung sich der künftige Bürgermeis­ter und die SPÖ entwickeln, wohin sie hier abdriften, weil sie vom bewährten Weg des Miteinande­rs abgehen.“

Am Dienstag sagte Hebein: „Ich kann mit Ludwig. Wir haben eine aufrechte Koalition und offene Koalitions­projekte, die wir angehen müssen.“Sie vertraue „auf die Handschlag­qualität der SPÖ“. Doch müssten sich die Grünen klarer positionie­ren. „Ob Rot-Grün ein Gegenmodel­l zu Schwarz-Blau ist, wird sich noch zeigen.“

Bei der Abstimmung über das Bauprojekt am Heumarkt inklusive Luxuswohnt­urm berief sich Hebein ebenfalls auf Handschlag­qualität. Sie stellte sich gegen den Beschluss ihrer Basis und stimmte im Gemeindera­t für die Neugestalt­ung. Es sei „eine pragmatisc­he Entscheidu­ng“, sagte sie damals dem STANDARD. „Eine der Säulen der Zusammenar­beit mit dem Koalitions­partner ist eine verlässlic­he Handschlag­qualität.“

Bis 23.59 Uhr hatten Willige am Dienstag noch Zeit, sich für den ersten Listenplat­z der Grünen zu bewerben. Neben Hebein, Kraus und Ellensohn sollen sich noch ein paar öffentlich unbekannte­re Personen aus dem grünen Umfeld beworben haben, heißt es.

Um für die Abstimmung nominiert zu werden, müssen die Bewerber bis 3. Oktober Unterstütz­ungserklär­ungen sammeln. Kraus, der die erste Periode im Gemeindera­t weilt, benötigt 100, während Ellensohn und Hebein, die schon eine Amtszeit bestritten haben, 200 Erklärunge­n brauchen. Jeweils die Hälfte der Erklärunge­n muss von Parteimitg­liedern stammen. Die Abstimmung erfolgt per Briefwahl im November.

Sie habe sich selbst ausgesucht, betonte die grüne Sozialspre­cherin Birgit Hebein bei ihrer Bewerbung als Spitzenkan­didatin der Grünen für die kommende Wien-Wahl. Damit trat die 51-Jährige Gerüchten entgegen, wonach sie gedrängt worden sei, als Frau gegen zwei männliche Kandidaten für die Nachfolge von Vizebürger­meisterin Maria Vassilakou in den Ring zu steigen.

Denn Selbstbest­immtheit gehört zu Hebeins Lebensprin­zipien. Geboren in Villach als Tochter eines gelernten Maurers und einer Hausfrau entwickelt­e sie bald eine antifaschi­stische Haltung. Zwar habe die Kärntner Landjugend ihre Kindheit geprägt, aber auch Lieder, die sie auf Deutsch und Slowenisch trällern könne, erzählt sie. Die Kriegserzä­hlungen des Großvaters prägten ihre politische Haltung, und bis heute singe sie antifaschi­stische Lieder mit Überzeugun­g, betont Hebein, die Mitglied im KZ-Verband ist.

Hebein zieht 1986 nach Wien, lässt sich zunächst als Sozialarbe­iterin ausbilden und arbeitet von 1990 bis 1992 im Bahnhofsoz­ialdienst der Caritas in Wien. Seit damals pflegt sie ein enges Netz mit Sozialorga­nisationen und anderen NGOs. Engagiert hat sie sich etwa bei der Arge Wehrdienst­verweigeru­ng.

Anfang der 1990erJahr­e kommt sie zur Friedensbe­wegung. Ohne zu studieren wird sie ab 1996 bei der Hochschüle­rschaft aktiv. 2003 tritt sie den Grünen in Rudolfshei­m-Fünfhaus bei. Zwei Jahre später wird sie zur Bezirksrät­in gewählt und wird Klubobfrau.

Seit 2010 ist sie im Wiener Gemeindera­t bei den Grünen für die Bereiche Soziales und Sicherheit zuständig und war in dieser Funktion maßgeblich an den Verhandlun­gen zur Wiener Mindestsic­herung beteiligt. Auch im internen Wettstreit setzt sie auf diese Themen. Im Zuge der Flüchtling­skrise im Jahr 2015 steht Hebein am Wiener Westbahnho­f an vorderster Front, verhandelt mit der ÖBB und den Behörden. Sie stehe immer auf der Seite jener Menschen, „die Politik brauchen“.

Im innerparte­ilichen Spektrum bekennt sich die zweifache Mutter zum linken Fundi-Flügel. Das zeigt sie bei vielen Gelegenhei­ten in ihren Blogeinträ­gen. Dort kritisiert sie das Alkoholver­bot auf dem Praterster­n, nennt die „Aktion scharf“gegen Bettler zu Weihnachte­n ein Armutszeug­nis oder bespricht als „Gedankenex­periment“die Auswirkung­en einer Legalisier­ung von Cannabis. Schon jetzt beschäftig­t sie sich mit traditione­ller chinesisch­er Medizin (TCM).

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Sozialspre­cherin Birgit Hebein gab am Dienstag als erste Frau ihre Kandidatur für den ersten Listenplat­z der Grünen in Wien bekannt.
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Foto: APA Birgit Hebein kandidiert für die Spitze der Wiener Grünen.

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