Der Standard

Denkmal für Deserteure geschändet

Goldegg im Pongau kämpft immer noch mit seiner NS-Vergangenh­eit

- Thomas Neuhold

Salzburg – Und plötzlich findet sich der kleine Pongauer Ort Goldegg wieder in den einschlägi­gen Schlagzeil­en: „Aufregung um Schmierakt­ion“titelt beispielsw­eise die Lokalbeila­ge der Salzburger Nachrichte­n. Unbekannte Täter haben vergangene­s Wochenende den Gedenkstei­n für 14 Opfer des Naziterror­s mit grüner Farbe besprüht. Die 14 Männer und Frauen wurden am 2. Juli 1944 bei einer Menschenja­gd einer SS-Todesschwa­dron erschossen oder später in Konzentrat­ionslagern umgebracht. Zusätzlich wurden mehr als 20 Personen in Konzentrat­ionslager verschlepp­t. Die Polizei ermittelt wegen Sachbeschä­digung. Laut Austria Presse Agentur soll sich auch der Verfassung­sschutz mit der Causa befassen.

Der Zeitpunkt ist kein Zufall: Vergangene Woche ist der neue Roman von Hanna Sukare im Otto-Müller-Verlag erschienen. In Schwedenre­iter widmet sich die Trägerin des Rauriser Literaturp­reises dem Umgang der Gemeinde Stumpf mit deren Nazi-Vergangenh­eit. In der Gemeindech­ronik von Stumpf werden Wehrmachts­deserteure als Landplage bezeichnet, und die Chronik kürt einen SS-Mann zum Retter des Ortes.

Lange Konfliktge­schichte

Dass mit dem Roman die Vorgänge rund um die Goldegger Deserteurs­gruppe gemeint sind, ist offensicht­lich. In der 2008 erschienen­en Ortschroni­k von Goldegg wurden die Wehrmachts­deserteure als „gefährlich­e Landplage“bezeichnet. Und bis heute hält sich in Teilen der Bevölkerun­g hartnäckig jene Geschichts­version, nach der die Deserteure die Mordaktion der SS provoziert und das ganze Dorf in Gefahr gebracht hätten.

Das am Wochenende geschändet­e Denkmal konnte auf Initiative von Brigitte Höfert erst 2014 nach heftigen Konflikten errichtet werden. Höfert ist die Tochter des im KZ Mauthausen ermordeten Goldegger Deserteurs Karl Rupitsch. Mit Rücksicht auf die Meinung im Dorf hatte sich die Gemeinde, aber auch der vom damaligen Landtagskl­ubobmann der Grünen im Landtag, Cyriak Schwaighof­er, geführte Kulturvere­in Goldegg gegen das Denkmal gestellt. Errichtet werden konnte es schließlic­h nur deshalb, weil die Gebietskra­nkenkasse ein Grundstück zur Verfügung gestellt hatte.

„Ich hoffe, Goldegg nimmt diese Untat zum Anlass, sich ein für alle Mal zu ihren Kriegsdien­stverweige­rern und zu deren Unterstütz­erinnen zu bekennen“, sagt Autorin Sukare zu dem Anschlag. Eine Rezension des Romans „Schwedenre­iter“lesen Sie im Album am Samstag, 8. September.

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Foto: Robert Irnberger Die beschmiert­e Zusatztafe­l des Gedenkstei­ns im Pongauer Goldegg.

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