Diebstahl der „Volkskunde- Saliera“
Mindestens 100.000 Euro Schaden durch Museumsmitarbeiterin
Wien – „Es gibt Sachen, die glaubt man nicht. Sie haben nur für Teddybären für Ihren Sohn wahrscheinlich ein Kulturgut Österreichs zerstört“, ist Nicole Baczak, Vorsitzende des Schöffensenats, am Ende des Prozesses gegen Marie-Theres E. (Name geändert, Anm.) noch immer fassungslos. Staatsanwältin Leila Ivo geht es in ihrem Schlussplädoyer ähnlich: „Das Ganze zeugt von einer Dreistigkeit, die ich kaum mehr in Worte fassen kann.“Sie fordert eine Verurteilung der 31-jährigen E. wegen gewerbsmäßigen schweren Diebstahls. Das Opfer der Unbescholtenen: das Volkskundemuseum Wien. Der Schaden: mindestens 100.000 Euro.
Die Akademikerin war dort als „Kulturvermittlerin“tätig, wie heute Museumsführer genannt werden. Da E. auch Gruppen außerhalb der Öffnungszeiten in das Museum führte, konnte sie auf einen Zentralschlüssel zugreifen. Anfang November 2017 sei die Tür zur Werkstatt einer Textil-Konservatorin offen gestanden, berichtet die Angeklagte, die sich schuldig bekennt. „Ich bin aus Neugier hineingegangen“, erinnert sie sich. „Ich habe zwei Engel gesehen. Die haben mir so gut gefallen. Ich habe sowas nie besessen. Aus irgendeinem Grund habe ich sie genommen“, erzählt sie dem Senat.
Die Himmelswesen waren Teil der barocken Jaufenthaler Krippe, einem der Prunkstücke des Hauses. Aufgestellt ist die Krippe rund 30 Quadratmeter groß und besteht aus 898 einzelnen Objekten. Es blieb nicht bei einem Diebstahl. Mindestens sechs weitere Male drang die Angeklagte mittels Zentralschlüssel in die Werkstatt ein und stahl 90 Krippenobjekte und 200 Wallfahrtsmedaillons. Ihre Beute verkaufte sie im Internet in ganz Europa.
„Warum?“, will Bazcak wissen. „Ich hatte ein sehr schlechtes Gewissen wegen meinem Sohn“, antwortet E. unter Tränen. „Ich war länger im Krankenhaus und wollte das wieder gutmachen. Ich habe ihm sehr viele Spielsachen gekauft. Teddybären, ein Spielhaus. Und ich wollte, dass er von allem das Beste hat.“
Verteidigerin Ingrid Herzog-Müller und die Angeklagte sagen, es seien nur 5000 Euro durch die Verkäufe erlöst worden, es seien auch nicht so viele Objekte wie angeklagt gestohlen worden. E. habe im Internet auch selbstgemachte Objekte oder Flohmarktfunde weiterverkauft. Die Vorsitzende sieht das finanzielle Motiv nicht: „Ich habe nachgeschaut: Gegen Sie läuft keine Exekution oder Zivilklage. Wo genau ist das finanzielle Problem?“– „Ich bin manchmal mit dem Geld nicht ausgekommen.“
Direktor und Angestellte des Museums bestätigen die angeklagten Verluste. „Ist das quasi Ihre Saliera?“, will Bazcak von einer Zeugin wissen. „Ja, es gehört sicherlich zu den wertvollsten Stücken.“Der Marktwert kann nur geschätzt werden. Aber E. habe die Beute vor dem Verkauf teilweise auch verändert – aus einem Engel einen Teufel gemacht, beispielsweise. Allein die Wiederherstellung der sichergestellten und wieder ausgeforschten Figuren kostet mindestens 100.000 Euro.
Das Urteil: zwei Jahre Haft, davon acht Monate unbedingt. Zusätzlich bekommt E. Bewährungshilfe und muss den Schaden ersetzen.