Sturm im Wasserglas
Brüssel schmeckt Gratiswasser bei den Wirten. Dazu verpflichten will die EU-Kommission die Gastronomen aber nicht.
Er
könnte Bücher über Leitungswasser schreiben, sinniert Berndt Querfeld, vor allem wenn Wirte es ihren Gästen kostenlos servieren sollen. Der Wiener Gastronom, der Kaffeehäuser mit klingenden Namen wie Landtmann, Mozart, Museum und Residenz führt, zählte zu den ersten seiner Branche, die Wasserbestellungen verrechneten. 2,5 Euro kostet der halbe Liter in seinen Betrieben auf Bestellung, 1,5 Euro das Glaserl. Wer es zu Kaffee und Wein ordert, zahlt dafür nichts. Querfeld zieht gern Parallelen zum Freibad. „Weil es heiß ist, ich kein Wasser mit hinaus nehme und nur kurz hineinspringe, verlange ich ja auch keinen freien Eintritt.“Oder mit dem Installateur. „Haben Sie schon einmal einen gerufen und ihn nur für die Schrauben bezahlt?“Seit Jahren schon blicken seine Kollegen sorgenvoll nach Brüssel: Die EU-Kommission wolle Österreichs Gastronomen rund um Leitungswasser einen Strich durch die Rechnung machen, warnt die Wirtschaftskammer – und sieht sich dieser Tage durch den Vorschlag einer neuen Trinkwasser-Richtlinie bestätigt. „Wir sollen dieses künftig kostenlos verabreichen“, ärgert sich Mario Pulker, Obmann der Sparte Gastronomie. Doch Wasser sei eine Dienstleistung wie jede andere auch. „Und dafür muss man zahlen, nichts ist umsonst.“Pulker selbst betreibt in der Wachau ein Hotel direkt neben dem Radweg. Auf der Terrasse sitzen und sich gratis an einem Liter Eiswasser laben, spiele es angesichts der hohen Kosten für Personal, Standort, Steuern und Abgaben einfach nicht. 13.000 Euro seien einem Freund entgangen, der testweise sechs Monate lang auf 30 Cent je Glas Leitungswasser verzichtet habe, erzählt er. „Es handelt sich um einen Riesen-Kostenfaktor.“Die Wirtschaftskammer setzt sich daher gegen die Richtlinie, über die im Oktober abgestimmt wird, energisch zur Wehr – was wiederum in Brüssel und unter Konsumentenschützern für Kopfschütteln sorgt. Von der vielfach zitierten Verpflichtung zu Gratiswasser ist in Artikel 13 nämlich keine Rede.
Kampf den Plastikflaschen
Dieser ersucht lediglich um eine Förderung der kostenlosen Bereitstellung in Restaurants und Kantinen. „Es ist ein Vorschlag, eine Ermutigung“, betont ihr Sprecher in Österreich, Heinz-Rudolf Miko. Ob daraus eine Verpflichtung erwachse, obliege allein den einzelnen Mitgliedsstaaten, letztlich also der österreichischen Bundesregierung. Von Zwang sei in dem Passus keine Rede, sagt auch Heinz Schöffl, Lebensmittelexperte der Arbeiterkammer. Aus seiner Sicht hätte Brüssel weitaus mutiger, weniger zaghaft sein müssen. Schließlich gehe es darum, die Flut an Plastikflaschen in Europa einzudämmen, vor allem aber um das Recht auf Zugang zu sicherem, sauberem Leitungswasser für alle.
Dies ist auch der tatsächliche Schwerpunkt der überarbeiteten Richtlinie. Normen für die Sicherheit von Wasser sollen verbessert werden. Ambitioniertes Ziel ist es, dass es EU-weit bedenkenlos aus der Leitung getrunken werden kann.
Zwei Millionen Europäer haben keinen Zugang zu sauberem Wasser, räumt der VP-Europaabgeordnete Lukas Mandl ein. Dass er dennoch 80 Änderungsanträge gegen die Richtlinie eingebracht hat, argumentiert er mit massiv höheren Kosten für Konsumenten. Diese würden sich vor allem aus den häufigeren Kontrollen der Wasserqualität ergeben. Leidtragende seien hier vor allem kleine Versorger. Was die Gastronomen betrifft, malt Mandl das Bild hunderter Bustouristen an die Wand, die
bei diesen kostenlos ihren Durst stillen wollen. „Das kann Betriebe und Jobs gefährden.“
Miko hält dagegen, dass Substanzen, die mehrfach nicht nachgewiesen werden, nicht mehr getestet werden müssen, was Qualitätskontrollen vergünstige. Was das Tauziehen ums Wasser bei den Wirten betrifft, erinnert er an Frankreich. Dort sei die Gastronomie seit 1967 gesetzlich dazu verpflichtet, Gästen eine Gratiskaraffe desselben zu offerieren. In die Krise habe dies die französische Küche nicht geführt.
Landtmann-Chef Querfeld verblüffen vor allem die Emotionen, die das Glaserl Wasser beim Wirt regelmäßig hochkochen lässt. Keiner stoße sich daran, wenn eine Cola in Discos sechs Euro koste. Bei der Melange, einem Bier, dem Spritzer und Wasser höre sich hierzulande aber der Spaß auf. Letzteres werde als Grundrecht betrachtet und die Dienstleistung drumherum gern ignoriert. Dass es kleinlich wirkt, werden bei großzügiger Speisenkonsumation für Leitungswasser ein paar Euro einbehalten, weist Querfeld nicht von der Hand. Interessant sei freilich, dass es der Gast nur konsumiere, wenn er auf eigene Kosten einkehre. Bei Einladungen ließen sich nahezu alle lieber Mineralwasser einschenken.
Seine Prognose: Sollte sich Österreich wider Erwarten doch für Gratiswasser bei den Wirten durchringen, werden sich diese das umstrittene Glaserl über eine Servicegebühr abgelten lassen.
Als Larry Page und Sergey Brin ihre Idee dem Informatiker Andreas von Bechtolsheim zum ersten Mal vorstellten, hatten sie weder eine Präsentation noch einen Businessplan bei der Hand. Trotzdem begeisterte ihn die Suchmaschine Google so sehr, dass er 100.000 US-Dollar investierte. Heute, genau 20 Jahre nach der Gründung des Unternehmens, das zunächst seinen Sitz in einer Garage hatte, ist sein Aktienpaket mehrere Milliarden Dollar wert. Google ist zu einem der größten Konzerne der Welt geworden und beschäftigt mehr als 80.000 Mitarbeiter.
Googles Erfolgsgeschichte erinnert vor allem daran, dass es solche Firmen in Europa nicht mehr gibt. Europa befindet sich seit Jahren in einer IT-Wüste. Das zeigt etwa der jahrelange Dürrezustand im Bereich Consumer-Electronics: Große Smartphonehersteller stammen fast alle aus Ostasien oder den USA. Einstige Branchenführer wie Nokia, das den Ton angegeben hat, sind heute zu kleinen, international kaum relevanten Unternehmen verkommen. Statt auf Innovation und Forschung zu setzen, glaubte man, mit dem Markenvorteil als Marktführer allein erfolgreich zu bleiben. n der massiv wachsenden Branche um Cloud-Computing haben primär Firmen wie Microsoft, Amazon und Google selbst das Sagen. Und bei der Forschung um künstliche Intelligenz befürchten Experten, dass Europa nicht mithalten kann, weil die digitale Infrastruktur fehlt und Wissenschafter massiv in die USA abwandern. Dazu kommt, dass Länder wie China aktuell weitaus leistungsfähigere Supercomputer entwickeln.
Es gibt zahlreiche Gründe, weswegen sich ein europäisches Google schwer etablieren könnte: Einer davon ist das Umfeld, in welchem Page und Brin sich befanden. Das Silicon Valley – und teilweise auch Chinas Start-upWiege Shenzhen – bietet ein Umfeld, von dem Neugründungen profitieren. So ist das Scheitern dort weitaus weniger verpönt als hierzulande, weswegen sich Gründer mehr trauen. Zugleich haben Start-ups dort einen Zugriff auf eine geradezu unendliche Auswahl an hochqualifizierten Fachkräften, die mit dem Traum, eines Tages beim nächsten Google zu arbeiten, dorthin ausgewandert sind. Dazu kommen US-amerikanische Universitäten wie Stanford, die als eine Art Talent-
Ischmiede des Silicon Valley fungieren und die es in Europa auf einem solchen Niveau schlicht nicht gibt.
Eine weitere Hürde ist, vor allem in Österreich, die oft fehlende Anschlussfinanzierung für Neugründungen. Während Unternehmer zunächst vor allem von Förderungen und Seed-Investoren profitieren, fehlt oft im nächsten Schritt das notwendige Kapital, um wachsen zu können.
Zudem sind, wie beispielsweise die EU-Datenschutzgrundverordnung zeigt, die Gesetze bezüglich der Privatsphäre in den Vereinigten Staaten und in China weitaus laxer als in Europa. Das heißt nicht, dass Europa in Zukunft aufholen könnte. Ein Google, ein Facebook oder ein Apple könnte zwar wohl existieren, müsste aber aufgrund der Vorgaben, die – zum Glück – vor allem den Bürgern zugutekommen, mit einem stark gebremsten Wachstum rechnen. Zudem sind Entwicklungen wie etwa die in Österreich eher schleppende Adaption des kommenden Mobilfunkstandards 5G nicht gerade Lichtblicke für die technische Zukunft Europas. Googles Jubiläum ist ein Warnruf, um politisch endlich zu handeln – diesmal nicht nur mit leeren Versprechungen.