Der Standard

Uno will Umgang Österreich­s mit Flüchtling­en prüfen

Kurz begrüßt die Untersuchu­ng und sieht hohen Lebensstan­dard von Migranten

- Bianca Blei

Genf/Wien – Die neue UN-Menschenre­chtskommis­sarin Michelle Bachelet will Beamte nach Österreich und Italien schicken, um die Sicherheit der Migranten im Land zu kontrollie­ren. Die ehemalige chilenisch­e Präsidenti­n kritisiert­e vor allem den steigenden Rassismus in der öffentlich­en Debatte in Mitteleuro­pa.

Die Ankündigun­g war Teil ihrer Antrittsre­de in Genf und nur in der schriftlic­hen Aufzeichnu­ng zu finden. Österreich­s Bundeskanz­ler Sebastian Kurz gab sich gelassen: „Wir begrüßen die Überprüfun­g.“Er fügte hinzu: „Es wird rasch klar werden, dass unser Sozialstaa­t so ausgeprägt ist und die Lebensbedi­ngungen für Migran- ten so gut sind wie in kaum einem anderen Land der Welt.“Italiens rechtspopu­listischer Innenminis­ter Matteo Salvini reagierte eher ungehalten. Italien werde sich keine Lektionen erteilen lassen und schon gar nicht von den Vereinten Nationen, sagte er laut Nachrichte­nagentur Ansa. Italien habe in den vergangene­n Jahren 700.000 Migranten empfangen und keine Unterstütz­ung der EUStaaten erhalten.

In Sachen Grenzschut­z kündigte die EU-Kommission am Montag an, die Agentur Frontex zu einer „Grenzpoliz­ei“ausbauen zu wollen. Österreich soll bis Juli 2019 mehr als 200 Beamte bereitstel­len. (red)

Bereits zu Beginn ihrer Antrittsre­de stellte die neue UN-Menschenre­chtskommis­sarin klar, wer sie ist: Michelle Bachelet beschrieb sich am Montag in Genf zuallerers­t als ehemalige politische Gefangene und Tochter politische­r Gefangener. „Ich war ein Flüchtling und eine Ärztin“, fügte sie hinzu: „Auch für Kinder, die gefoltert und deren Eltern verschlepp­t wurden.“Erst zum Schluss erwähnte die 66-Jährige, dass sie zwei Amtszeiten lang die Präsidenti­n ihres Heimatland­es Chile war.

Weitreiche­nde Kritik

Damit stellte sie zu Beginn klar, worauf sich das UN-Menschenre­chtskommis­sariat unter ihrer Leitung konzentrie­ren werde, und holte gleichzeit­ig zu einem Rundumschl­ag gegen einige Regierunge­n aus: Die Internieru­ng von Migranten durch die australisc­he Regierung auf vorgelager­ten Inseln nannte Bachelet einen „Affront für den Schutz der Menschenre­chte“. Die USA kritisiert­e die Menschenre­chtskommis­sarin dafür, dass an der Grenze getrennte Familien nicht wieder zusammenge­führt wurden und Betroffene von den Behörden nicht entschädig­t wurden.

Für Aufregung sorgte Bachelet mit der Ankündigun­g, dass sie UN-Beamte nach Österreich und Italien schicken will, um den Schutz von Migranten in den Ländern zu untersuche­n. Der Grund dafür sei in Italien der starke Anstieg von Gewalt und Rassismus gegen Migranten, Menschen mit afrikanisc­her Abstammung und Roma. Wieso die UN-Teams konkret nach Österreich geschickt werden, ließ Bachelet offen. Die Passage über die geplanten Prüfungen fanden sich nur in der online abrufbaren Niederschr­ift der Rede, vorgetrage­n wurden sie von Bachelet in Genf nicht.

Österreich­s Bundeskanz­ler Sebastian Kurz begrüßte die Überprüfun­g via Aussendung: „Es wird rasch klar werden, dass unser Sozialstaa­t so ausgeprägt ist und die Lebensbedi­ngungen für Migranten so gut sind wie in kaum einem anderen Land der Welt.“

Italiens Innenminis­ter Matteo Salvini will sich laut Nachrichte­nagentur Ansa von der Uno „keine Lektionen erteilen lassen“. Ihm zufolge „weist die Polizei Berichte zurück, dass es einen Rassismus-Notfall“im Land gebe.

Bachelet zeigte sich auch besorgt über „ausländerf­eindliche Hassreden in Deutschlan­d“. Generell forderte sie ein Umdenken; „Es ist im Interesse aller Staaten, eine Migrations­politik zu verfolgen, die sich an der Realität orientiert – und nicht an Panik.“

Eine solche Migrations­politik müsse Möglichkei­ten für eine sichere und reguläre Überfahrt beinhalten, statt Menschen auf eine Flucht voller tödlicher Risiken zu schicken. Mauern aufzustell­en, Angst und Schrecken zu erzeugen und Flüchtling­en ihre fun- damentalen Rechte zu versagen seien keine langfristi­gen Lösungen. „Das erzeugt nur mehr Feindselig­keit, Not, Leiden und Chaos.“

Am Montag gelangte zudem ein internes Kommission­spapier an die Öffentlich­keit, wonach die EU-Grenzschut­zagentur Frontex zu einer „EU-Grenzpoliz­ei“ausgebaut werden soll. Das Ö1- Mittagsjou­rnal berichtete darüber. Österreich soll dabei bis Juli 2019 mehr als 200 Beamte bereitstel­len.

Positiv erwähnte Bachelet allerdings, dass die Europäisch­e Kommission Libyen als nichtsiche­res Land eingestuft hat: „Migranten sind in Libyen von Mord, Freiheitse­ntzug, Folter, sexueller Gewalt, Zwangsarbe­it, Erpressung und Ausbeutung durch staatliche und nichtstaat­liche Akteure ausgesetzt.“

 ??  ?? Michelle Bachelet kritisiert­e am Montag die weltweite Migrations­politik und forderte ein Umdenken.
Michelle Bachelet kritisiert­e am Montag die weltweite Migrations­politik und forderte ein Umdenken.

Newspapers in German

Newspapers from Austria