Der Standard

Staatsanwä­ltin im Visier der Ermittler

Die Staatsanwa­ltschaft Korneuburg prüft nach einer Anzeige gegen die leitende Staatsanwä­ltin den Verdacht des Amtsmissbr­auchs. Zwei Beschwerde­n rund um den BVT-Ausschuss beschäftig­en das Verfassung­sgericht.

- Renate Graber, Fabian Schmid, Maria Sterkl

Die Causa BVT beschäftig­t nun die Staatsanwa­ltschaft Korneuburg – und zwar unabhängig von der jüngsten Verlautbar­ung von Justizmini­ster Josef Moser, die Angelegenh­eit von selbiger Behörde umfassend prüfen zu lassen. Das hatte Moser nach der Entscheidu­ng des Oberlandes­gerichts Wien, wonach die Hausdurchs­uchungen zum Großteil unverhältn­ismäßig waren, angekündig­t.

Schon länger ist bei den Korneuburg­ern ein Verfahren gegen die BVT-Staatsanwä­ltin Ursula Schmuderma­yer anhängig. Sie führt den Fall BVT bei der Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA) und hat die Hausdurchs­uchung beim Bundesamt für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g (BVT) ins Rollen gebracht. Auf Basis einer Anzeige wegen des Vorwurfs des Amtsmissbr­auchs prüfe man, ob gegen Schmuderma­yer ein Anfangsver­dacht vorliege, bestätigt der Sprecher der StA Korneuburg auf STANDARD- Anfrage, die Staatsanwä­ltin werde als Angezeigte geführt. Die WKStA gibt dazu keinen Kommentar ab – es gilt die Unschuldsv­ermutung. Schmuderma­yer wird am 2. Oktober im Untersuchu­ngsausschu­ss des Parlaments erwartet.

Angeblich hat ein Exstaatsan­walt die Anzeige gegen sie eingebrach­t: Volkert Sackmann, einst Co-Leiter der Wirtschaft­sgruppe der StA Wien und Ankläger in Causen wie Gelddrucke­rei der Notenbank oder Immofinanz/Constantia, der seit 2017 als Rechtsanwa­lt aktiv ist. Er vertritt einen BVT-Beamten, zu erreichen war er für den STANDARD nicht.

Auch die Mitglieder des Verfassung­sgerichtsh­ofs (VfGH) befassen sich mit dem BVT, sie haben sich am Montag getroffen, um zu prüfen, ob dem U-Ausschuss zu Unrecht Akten vorenthalt­en wurden. Die Opposition hat sich Mitte August beim VfGH beschwert. SPÖ, Neos und Liste Pilz wollen bewirken, dass das Innenminis­terium so bald wie möglich relevante Daten an den Ausschuss liefert. Es geht vor allem um Hintergrün­de zur Vorbereitu­ng der Razzia im BVT und in Privatwohn­ungen von BVT-Vertretern. Zeitlich wird es knapp: Nächste Woche werden im Ausschuss an der Razzia beteiligte Polizisten befragt. Auch der Leiter der betreffend­en Wiener Polizeiein­heit EGS, Wolfgang Preiszler, wird im Ausschuss auftreten. Sollte der VfGH in den kommenden Tagen entscheide­n, dass das Innenminis­terium die Daten liefern muss, könnten sie noch rechtzeiti­g vor der Befragung der Polizisten im Ausschuss landen. Auf Anfrage des STANDARD hieß es im VfGH aber, man könne noch nicht sagen, wann die Verfassung­srichter entscheide­n.

Heikle Frage

Die Verfassung­srichter haben auch über eine andere heikle Frage zu entscheide­n, die den U-Ausschuss betrifft: Wie berichtet, hat der Ausschuss Zugriff auf mehr als 500.000 E-Mails der Rechtsanwa­ltskanzlei Lansky, Ganzger und Partner. Das Justizmini­sterium hat diese Daten an den Ausschuss geliefert. Das ist nicht nur deshalb umstritten, weil für Rechtsanwä­lte ein besonders strenges Briefgehei­mnis gilt. Es wäre aus Sicht aller Parlaments­parteien außer der ÖVP auch gar nicht notwendig gewesen, die sensiblen Daten zu bekommen: Bis auf die Türkisen haben alle Fraktionen gesagt, dass sie kein Problem damit hätten, die Daten ans Ministeriu­m zurückzuge­ben. Da sich Rechtsanwa­lt Gabriel Lansky in seinen Rechten verletzt sieht und deswegen Beschwerde erhoben hat, liegt auch dieser Fall nun beim VfGH.

Es geht dabei aber um weit mehr als nur um die Rechte eines Anwalts und eines früheren Beschuldig­ten in einem Ermittlung­sverfahren, das bereits vor zwei Jahren eingestell­t worden ist. Es geht vor allem um parteipoli­tische Front- linien: Lansky ist SPÖ-naher Anwalt. Dass er einen kasachisch­en Opferverei­n vertrat und dabei auch mit dem kasachisch­en Geheimdien­st zusammenar­beitete, brachte ihm den Vorwurf ein, Spionage zuungunste­n Österreich­s zu betreiben. Dieser Vorwurf wurde aber von der Staatsanwa­ltschaft Linz geprüft und schließlic­h rechtskräf­tig als gegenstand­slos erkannt. Nun steht der Vorwurf im Raum, dass einige ÖVP-nahe Kräfte im BVT sich mit der Einstellun­g des Verfahrens nicht zufriedeng­eben wollten und auf eigene Faust weiterermi­ttelten. Das gewünschte Ergebnis: die SPÖ anzupatzen.

Paradox ist, dass es die umstritten­e BVT-Razzia nur deshalb gab, weil man dem BVT vorwarf, weiterhin Lansky-Datenmater­ial zu bunkern, obwohl es längst hätte gelöscht werden sollen. Dass den Beschuldig­ten lockerer Umgang mit sensiblen Daten vorgeworfe­n wird, zugleich aber die Parlamenta­rier ebenso sensible Daten nun massenhaft einsehen können, ist nur eine der vielen ironischen Wendungen in dieser Causa.

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Die Opposition wirft dem Innenminis­ter vor, den U-Ausschuss zur BVT-Affäre zu sabotieren. Das prüfen nun die Verfassung­srichter.

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