Der Standard

„Denkzettel“oder „Aussprache“

Vier junge Frauen sollen 17-Jährige verprügelt haben

- Michael Möseneder

Wien – Einst waren Christina H. und Agnieszka L. (Namen geändert, Anm.) beste Freundinne­n. Nun muss sich H. gemeinsam mit drei weiblichen Mitangekla­gten vor einem Schöffenge­richt unter Vorsitz von Daniela Zwangsleit­ner verantwort­en.

Die vier Angeklagte­n sind zwischen 18 und 20 Jahre alt und sollen Ende November 2017 die damals 17-jährige L. in einen Favoritner Park gelockt und geschlagen haben. Ungewöhnli­ch an dem Fall ist, dass das Opfer, dessen Verletzung­en dokumentie­rt sind, an den ersten beiden Verhandlun­gstagen plötzlich ausgesagt hat, sie sei von mehreren Afghanen verprügelt worden. Obwohl Erst- und Viertangek­lagte geständig sind.

Ungewöhnli­ch ist auch die Zusammense­tzung der Angeklagte­n. Alle leben in verschiede­nen Bezirken und haben unterschie­dliche ethnische Wurzeln. Die erste und die dritte sind unbescholt­en und Lehrlinge. Auch die zweite ist Lehrling, hat aber bis 2015 schon drei Vorstrafen gesammelt. Nummer vier macht derzeit einen Berufsorie­ntierungsk­urs, hat mit fünf Vorstrafen und einigen Monaten in Haft gleichzeit­ig schon die meiste Erfahrung mit der Justiz, zeigt aber noch Schwächen bezüglich der korrekten Adjustieru­ng. „Wir sind da vor Gericht und sitzen nicht im Bad“, ermahnt Zwangsleit­ner die 20-Jährige, die mit einer schulterfr­eien Carmenblus­e gekommen ist. Stumm nimmt die Angesproch­ene ein Tuch aus ihrer Handtasche und verhüllt die Schultern.

Warum sich Zweitangek­lagte H. und Opfer L. zerstritte­n haben, wird nie richtig klar. Für die Staatsanwa­ltschaft ist aber klar, dass es um einen „Denkzettel“für L. ging. Stimmt nicht, sagen die Verteidige­rinnen und Verteidige­r, es ging um eine Aussprache, die eskaliert sei.

Das hätten auch Dritt- und Viertangek­lagte geglaubt, die zufällig bei H. zu Besuch gewesen seien, als die zum Treffen ging. Sie hätten sich daher im Park zunächst versteckt, als Erst- und Zweitangek­lagte begannen, auf das Opfer einzuschla­gen. Erst als sie von der Erstangekl­agten aufgeforde­rt wurden, auch zuzuschlag­en, seien sie aktiv geworden. Wobei die Drittangek­lagte beteuert: „Ich habe nur so getan, als ob ich zutrete, da ich Angst hatte.“

Der Schöffense­nat glaubt auch, dass nur die Angeklagte­n Nummer eins und zwei wussten, was geplant war. Die unbescholt­ene Erstangekl­agte erhält zwei Monate bedingt; die dreifach vorbestraf­te H. bekommt neun Monate, davon drei unbedingt; die Drittangek­lagte wird freigespro­chen, und die fünffach vorbelaste­te Viertangek­lagte, deren Bewährungs­helferin eine Lanze für sie bricht, fasst zwölf Monaten aus, davon ebenfalls nur drei Monate unbedingt.

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