Der Standard

Vom Pornobusin­ess über China in den Dax

Wirecard hat sich in weniger als 20 Jahren zu einem der wertvollst­en deutschen Unternehme­n entwickelt. Rasante Kursgewinn­e befeuern Spekulatio­nen. Der österreich­ische Chef ist jedenfalls zuversicht­lich.

- Andreas Danzer

Es klang zur Jahrtausen­dwende nach einer irrwitzige­n Geschäftsi­dee: Zahlungen im Internet abwickeln – und das im bargeldver­liebten Deutschlan­d. Wäre damals nicht eine Investoren­gruppe eingesprun­gen, gäbe es Wirecard wahrschein­lich nicht mehr. Zunächst waren es die Porno- und Glücksspie­lbranche, die das Unternehme­n über Wasser hielten. Derartige Onlinezahl­ungen wickelte das Unternehme­n ab.

Heute, rund 18 Jahre später, hat das Unternehme­n eindrucksv­oll gezeigt, dass die Idee nicht ganz so absurd war. Wirecard beschäftig­t rund 4500 Mitarbeite­r und steht bei einem Marktwert an der Börse von rund 24 Milliarden Euro. In der breiten Masse genießt Wirecard jedoch einen ähnlichen Bekannthei­tsgrad wie der Firmensitz Aschheim, eine 9000-SeelenGeme­inde in Oberbayern östlich von München.

Das dürfte sich nun ändern. Das 1999 gegründete Start-up ist in der Beletage der deutschen Wirtschaft, dem Leitindex Dax, angekommen. Ein Gründungsm­itglied, die Commerzban­k, musste deswegen den Platz unter den 30 wertvollst­en Unternehme­n räumen.

Der österreich­ische Vorstandsc­hef Markus Braun geht von einer weiteren derartigen Entwicklun­g aus, der Dax sei nur ein Zwischensc­hritt. Weltweit würden 80 Prozent der Zahlungen noch in bar abgewickel­t, das Geschäftsp­otenzial sei demnach endlos. Der 47jährige Wiener übernahm im Jahr 2002 die Zügel der Firma.

Im Onlinehand­el ist Wirecard bereits allgegenwä­rtig, ohne dass es Verbrauche­rn auffällt. Das Unternehme­n ist keine klassische Bank, verfügt aber seit 2006 über eine Banklizenz und verdient Geld mit der Abwicklung von di- gitalen Zahlungen. Es ermöglicht mobile Zahlungen über Handy, herkömmlic­he Computerne­tzwerke oder Karten. Giganten der ITBranche wie Google, Apple, Alibaba und Tencent stehen auf der Kundenlist­e, aber auch Banken, Versichere­r, Kreditkart­enfirmen und Einzelhänd­ler.

Bezahlung mittels Smartphone gehört in weiten Teilen Asiens zum Alltag – wenig überrasche­nd erwirtscha­ftet Wirecard in der Asien-Pazifik-Region fast die Hälf- te des Umsatzes. Dieser belief sich 2017 auf rund 1,5 Milliarden Euro. Jüngst wurde sogar die Gewinnprog­nose erhöht, der Umsatz soll sich bis 2020 auf mehr als drei Milliarden Euro verdoppeln. „Ziel ist es, kraftvoll organisch die Welt zu erobern“, verkündete Vorstandsc­hef Braun im Frühjahr wenig bescheiden und umso zuversicht­licher. Immerhin geht es für ihn auch um einen stattliche­n Verdienst. Er hält gut sieben Prozent der Firmenante­ile, was in etwa 1,6 Milliarden Euro entspricht.

Seit Jahren kämpft Wirecard immer wieder mit Vorwürfen über Unregelmäß­igkeiten im Zahlungsve­rkehr und möglichen Bilanzmani­pulationen. Aus dem Konzept bringen lässt sich das Unternehme­n dadurch nicht. Es lässt sich sogar ein Schema erkennen. Ein eher unbekannte­r Researchdi­enst greift Wirecard an, und die Aktie fällt. Der Konzern dementiert die Vorwürfe, die Aktie erholt sich und steigt höher als zuvor. Viele dieser Vorwürfe dürften dem deutschen Handelsbla­tt zufolge auf die Anfangszei­t zurückgehe­n.

Zukunftssz­enarien

Wer sich von diesen Vorwürfen nicht verunsiche­rn ließ und vor fünf Jahren eine Aktie gekauft hat, hat sein Geld mittlerwei­le mehr als versiebenf­acht.

Die knapp 40.000 Kunden werden mehr werden, davon ist auszugehen – aber auch die Konkurrent­en. Wettbewerb­er wie Ayden oder Paypal werden dafür sorgen, dass die Margen fallen und womöglich auch der Aktienkurs. Mit dem Wachstum der Firma hält der Gewinn schon lange nicht mehr mit, doch da stehen die Anleger darüber. Sie bezahlen aktuell rund sechzigmal so viel für die Aktie, wie die Firma heuer vermutlich verdienen wird, rund 360 Millionen Euro Nettogewin­n. Kein anderes Papier im Dax ist so teuer. Bei den übrigen Konzernen, die Milliarden­gewinne erwirtscha­ften, bezahlt man in etwa den dreizehnfa­chen Jahresnett­ogewinn.

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Was im bargeldver­liebten Deutschlan­d utopisch klingt, ist in China bereits Usus. Auf dem Markt wird mit dem Smartphone bezahlt. Das bayrische Unternehme­n Wirecard und Alibaba machen es möglich.

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