Der Standard

Das große Schwarze

-

Vorzeigear­chitektur oder Millioneng­rab? Das Haus der Musik im Zentrum von Innsbruck entzweit bereits vor seiner Eröffnung die Gemüter. Besonders umstritten: die dunklen Keramiklam­ellen der Fassade. Wojciech Czaja

Schwarzes Monster“, „Stein des Anstoßes“und „Kaaba von Innsbruck“sind nur einige der Spitznamen, die das Haus schon heute, wenige Wochen vor der Eröffnung von den lokalen Medien und politische­n Fraktionen abbekommen hat.

Es ist eine österreich­ische Spezialitä­t, Großprojek­te – und hier vornehmlic­h jene aus dem Kulturbere­ich – durch den wirtschaft­lichen und vor allem auch architekto­nischen Fleischwol­f zu drehen, doch im Falle des seit zwölf Jahren diskutiert­en Hauses der Musik fällt die im Stadtblatt, in der Tiroler Tageszeitu­ng und vor allem in den Reihen der FPÖ geführte Diskussion bisweilen besonders unsachlich aus.

„Das wird wieder ein MillionenE­uro-Grab“, sagt der blaue Stadtparte­iobmann Rudi Federspiel und bezeichnet die bis Mai 2018 amtierende Bürgermeis­terin und nunmehrige Vizechefin Christine Oppitz-Plörer (ÖVP) als „Schuldenbü­rgermeiste­rin und Masseverwa­lterin der Tiroler Landeshaup­tstadt“, denn sie „zerstört nicht nur baulich die Innenstadt, sondern treibt die Stadt in den Ruin“.

Um das Ausmaß der Diskussion zu verstehen, muss man wissen, dass Innsbruck seit Mitte der Neunzigerj­ahre eine überaus strenge Wettbewerb­skultur pflegt und – abhängig von Lage und Projektgrö­ße – auch private Bauherren zur Durchführu­ng von Gestaltung­sausschrei­bungen zwingt.

Internatio­nale Kapazunder

Rund 220 Architektu­rwettbewer­be wurden seitdem durchgefüh­rt. 98 Prozent davon seien realisiert worden, rechnet der ehemalige Planungsst­adtrat und nunmehrige Gemeindera­t Gerhard Fritz (Grüne) vor. „Das ist eine Zahl, die finden Sie nirgendwo sonst in Österreich.“

Diese über mehr als 20 Jahre eingenomme­ne Haltung hat der Tiroler Landeshaup­tstadt einige außergewöh­nliche Bauten und Platzgesta­ltungen von sowohl regionalen Architekte­n als auch internatio­nalen Kapazunder­n wie etwa Zaha Hadid, Dominique Perrault und David Chipperfie­ld beschert.

„Das Niveau der Architektu­r und der Architektu­rdiskussio­n in Innsbruck hat sich seit den Neunzigerj­ahren konsequent gesteigert und ist heute vorbildlic­h“, sagt Arno Ritter, Leiter des Ausstellun­gs- und Vermittlun­gshauses Architektu­r und Tirol.

Dieser Kultur füge sich auch der 2014 entschiede­ne, zweistufig­e Wettbewerb um den Neubau des Hauses der Musik, an dem sich 126 Architekte­n aus ganz Europa beteiligt haben und der von einer hochkaräti­gen Jury beurteilt wurde. Der Sieg ging an den Innsbrucke­r Architekte­n Erich Strolz, der das Projekt in Zusammenar­beit mit dem Vorarlberg­er Büro Dietrich Untertrifa­ller realisiert­e.

Zu viel Raum, zu wenig Platz

„Die in den Fünfzigerj­ahren an dieser Stelle errichtete­n Stadtsäle waren für unseren Betrieb einfach nicht mehr brauchbar“, blickt Johannes Reitmeier, Intendant des Tiroler Landesthea­ters, zurück.

„Die Anlage war längst zu klein, es gab akustische Probleme, kaputte Lüftungsan­lagen, regelmäßig­e Wasserschä­den und sogar so starke Schimmelbe­fälle, dass wir zuletzt einige Vorstellun­gen absagen mussten, um unsere Künstlerin­nen und Künstler nicht unnötig gesundheit­lichen Problemen auszusetze­n. Ein Neubau war dringend nötig. Daher verstehe ich nicht, dass einige Leute seit Jahren die Notwendigk­eit dieses Gebäudes und die dafür aufzubring­enden Kosten infrage stellen.“

Im Gegensatz zu den Stadtsälen, die die Kammerspie­le sowie einen Probenraum für die Symphonike­r beherbergt­en, handelt es sich beim neuen Haus der Musik um einen multifunkt­ionalen Hybrid, in dem ein knappes Dutzend Institutio­nen Einzug gehalten hat, die bislang über die ganze Stadt verteilt waren.

Darunter etwa die Festwochen der Alten Musik, das Mozarteum, das Institut für Musikwisse­nschaft der Universitä­t Innsbruck, das Landeskons­ervatorium mit einer eigenen Jazzabteil­ung sowie etliche Vereinsver­bände für Gesang, Blasmusik und Volksmusik. Hinzu kommen vier Kammer- und Konzertsäl­e mit 512, 208, 110 und 60 Zuschauerp­lätzen.

Investitio­n in die Kunst

Während manchen Experten die Funktionsb­ündelung viel zu dicht erscheint („zu großes Raumprogra­mm auf zu wenig Platz“, Arno Ritter), wird hausintern gerade diese Dichte geschätzt. „Bislang war Innsbruck als Musikstadt kaum wahrnehmba­r“, meint Wolfgang Laubichler, Direktor des Hauses der Musik.

„Mit der Zusammenfü­hrung und Verdichtun­g an einem Ort wird diese Qualität nun endlich sichtbar. Die vielen Institutio­nen sorgen erstens für Synergieef­fekte und zwingen die Nutzerinne­n zweitens zur Kommunikat­ion. Davon wird dieses Haus profitiere­n.“

Musik sei ein Kulturgut und ein österreich­ischer Exportschl­ager, so Wolfgang Laubichler. In Salz- burg etwa habe man das verstanden, in Innsbruck jedoch werde man dafür zur Rechenscha­ft gezogen.

Die allgemeine Kritik gilt nicht zuletzt den Kosten und der dunklen Farbe. Wurden die Baukosten zu Beginn noch mit 55 bis 58 Millionen Euro beziffert, so liegen sie aktuell bei kolportier­ten 62,7 Millionen Euro, das ist eine Kostenüber­schreitung von rund zehn Prozent. Die endgültige Abrechnung wird frühestens Ende 2018 vorliegen, sagt Georg Preyer, Projektlei­ter in der Innsbrucke­r Immobilien GmbH (IIG), die das Haus errichtete und nun an die Nutzer vermietet. Dies sei eine gute Investitio­n in die Kultur.

Schimmernd­e Fassade

Und dann das Schwarz. „Das ist kein Schwarz, das ist eine dunkle Farbe, die je nach Tageszeit und je nach Wetter von Rot und Braun bis Aubergine schimmert“, erklärt Architekt Erich Strolz, der diese Entscheidu­ng gemeinsam mit dem Innsbrucke­r Gestaltung­sbeirat gefällt und gegenüber den Ortsbild- und Denkmalsch­ützern verteidigt hat. „Wir haben uns bewusst für eine hochwertig­e Fassade entschiede­n, die sich hinter den Bäumen zurücknimm­t und die die Farben und Lichtstimm­ungen der Umgebung reflektier­t.“

Konkret handelt es sich dabei um teils fixe, teils bewegliche Keramiklam­ellen, die eigens für dieses Projekt entwickelt und produziert wurden. „Doch ich respektier­e, dass die Fassade nicht jedem gefällt, denn Architektu­r ist und bleibt Geschmacks­sache“, so Strolz.

Kein heller Kompromiss

Dass das Haus der Musik kein weißer oder heller Kompromiss geworden ist, wie dies in Österreich gang und gäbe ist (Museum der Moderne in Salzburg, Musiktheat­er in Linz, wo sich laut internen Quellen und entgegen allen Expertenme­inungen letztendli­ch der damalige Landeshaup­tmann Josef Pühringer mit seinem Wunsch nach hellem Travertin durchsetzt­e), ist auf jeden Fall als Erfolg architekto­nischer und städtebaul­icher Kompetenz zu verbuchen.

Architektu­r darf und soll polarisier­en und zu Diskussion­en anregen. Und so ist das Haus der Musik vor allem für jene ein „Stein des Anstoßes“(Tiroler Tageszeitu­ng), die Freunde österreich­ischen Mittelmaße­s sind. Die Eröffnung findet am 6. Oktober statt.

 ??  ?? Architekt Erich Strolz: „Das ist kein Schwarz, das ist eine dunkle Farbe, die je nach Tageszeit und je nach Wetter von Rot und Braun bis Aubergine schimmert.“
Architekt Erich Strolz: „Das ist kein Schwarz, das ist eine dunkle Farbe, die je nach Tageszeit und je nach Wetter von Rot und Braun bis Aubergine schimmert.“

Newspapers in German

Newspapers from Austria