Der Standard

KOPF DES TAGES

Kreativer Kopf für das ORF-Flaggschif­f

- Philip Pramer

An das Studio der Zeit im Bild wird sich Martin Thür wohl erst gewöhnen müssen. Bisher führte er seine Interviews nämlich an eher ungewöhnli­chen Orten – Bars, Boxklubs oder alten Fabrikhall­en. Regierungs­berater Kilian Kleinschmi­dt nahm sogar auf einem Stein vor den Flüchtling­szelten in Nickelsdor­f Platz.

Klartext hieß das Polittalk-Format, das der jetzt 36-jährige Niederöste­rreicher entwickelt­e und moderierte und so dabei mithalf, das Schmuddeli­mage von ATV etwas aufzupolie­ren. Die Neuheit: themenzent­rierte Gespräche, aufwendig gefilmt und geschnitte­n. Zu viele Live-Interviews würden in Langeweile oder Streit enden, kritisiert­e Thür zum Start des Formats 2014. „Mein Ziel ist eher, den Zuseher wissender zu entlassen.“

Im Sommer 2017, die neue KlartextSt­affel und ein Kanzlerdue­ll gemeinsam mit Corinna Milborn waren schon geplant, verließ Thür den Sender nach 15 Jahren. Er wechselte ins TV-Team der Recherchep­lattform Quo Vadis Veritas des Red-Bull-Gründers Dietrich Mateschitz. Dort gestaltete er die Reihe Im Kontext, die wöchentlic­h auf Servus TV ausgestrah­lt wird.

Die Themen: abgestimmt mit den Addendum- Projekten, oft weit weg von der Tagespolit­ik – vielleicht etwas zu weit für Thür. „Wenn ich keine Wahlsendun­g machen darf, mach’ ich mir die Wahlsendun­g einfach selbst“, twitterte er zur Salzburger Landtagswa­hl im April. Er bastelte sich mit Wahlcockpi­t.at eine Website, die sämtliche Daten und Hochrechnu­ngen grafisch aufbereite­t lieferte. Seine Excel-Tabellen zu innenpolit­ischen Themen sind in der Journalist­enszene ohnehin legendär. Dort ist Thür, der Theaterwis­senschaft und politische Kommunikat­ion studiert hat, gut vernetzt: Er organisier­t die Wiener Journalism­ustage mit.

In der Redaktion der Zeit im Bild haben sich laut einem Bericht der Wiener Zeitung „maßgeblich­e Teile der Redaktion“Thür schon länger als Kollegen gewünscht. Armin Wolf lobt seine Arbeit seit Jahren, nannte ihn „den Mann beim falschen Sender“.

Jetzt soll Thür zum „richtigen Sender“kommen, denn für die geplante Wochenenda­usgabe der Zeit im Bild 2 braucht der ORF neben Wolf und Lou Lorenz-Dittlbache­r einen weiteren Moderator. Schon bald soll er offiziell vorgestell­t werden. Als dritter ZiB- Anchorman könnte Thür, mit Abstand zur bewährten Werktags- ZiB, Neues ausprobier­en. Und wer weiß, vielleicht darf er seine Interviews ja auch draußen führen.

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Foto: APA Martin Thür soll die Wochenenda­usgabe der „ZiB 2“moderieren.

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