Der Standard

Der elegante Erlöser

- Colette M. Schmidt

Der Sommer ist vorbei. Montagaben­d war Kanzler Sebastian Kurz der letzte Gast beim ORFSommerg­espräch mit Nadja Bernhard und Hans Bürger. Die gingen vor der Kulisse des Stifts Dürnstein gnadenlos zur Sache und wollten wissen, wo das Christlich-Soziale bei Kurz sei und wie oft er zur Kirche gehe. Religion sei eine „persönlich­e Privatsach­e“, belehrte Kurz die Indiskrete­n. So konnte man sich rasch weniger persönlich­en Privatsach­en widmen. Etwa der Frage, wer wen heiraten darf – eine Frage, die in Österreich Höchstgeri­chte beantworte­n mussten. Letzteren wolle Kurz sich jedenfalls fügen.

Geduldig erklärte er dann, warum man Folter und Vergewalti­gungen in Libyens Flüchtling­slagern nur stoppen könne, wenn man die Opfer nicht nach Europa lasse. Manche werden das nie verstehen! „Ich habe mir schon meinen Teil gedacht“, sagte der Kanzler mit übermensch­licher Zurückhalt­ung, als Bürger ihn auf die UN-Menschenre­chtskommis­sarin Michelle Bachelet ansprach. Dann betonte Kurz, woran er schon via Aussendung erinnert hatte: Die ehemalige chilenisch­e Präsidenti­n, die sich anmaßt, die Situation von Flüchtling­en in Österreich zu kontrollie­ren, ist eine So-zia-lis-tin. Vom Einwurf Bürgers, dass es „nichts zur Sache“tue, wo die Kommissari­n politisch herkomme, ließ sich Kurz nicht verunsiche­rn.

Zum Zwölfstund­entag ließ er wahre Großzügigk­eit erkennen: „Wer freiwillig mehr arbeiten möchte, der darf das tun.“Diese Freiheit trieb Zusehern sicher Tränen der Rührung in die Augen. Über die BVT-Affäre erhob sich Kurz elegant. Auch den rechten Wind, der laut Bernhard wehe, stoppte er mit sanfter Stimme. Der anwesende Karikaturi­st hielt Kurz als Erlöser fest. Mit Heiligensc­hein. pderStanda­rd. at/TV-Tagebuch

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