Der Standard

Was man Sebastian Kurz fragen muss

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Sebastian Kurz hatte leichtes Spiel mit seinen ORF-Interviewe­rn. Die Mühelosigk­eit, wie er unter ansatzweis­e scharfen Fragen wegflutsch­te, war beeindruck­end: die ÖVP und ihre Großspende­r aus Industrie und Immobilien­wirtschaft? Aber da gibt es doch auch die vielen kleinen Spender, und außerdem wollen wir doch ein Österreich, das im Wettbewerb besteht, damit es allen gut und besser geht ...

Vielleicht liegt es am Format dieser Sommergesp­räche. Da ist zu viel hineingepa­ckt: das szenische Ambiente gegenüber Dürnstein, Beiwerk wie der Karikaturi­st und dann die hilflosen Versuche, das Private, „Menschlich­e“an einem Politiker herauszuar­beiten. Na gut, er geht schon in die Kirche, nicht jeden Sonntag, aber doch – man hat Kurz angesehen, dass er solche Fragen für irrelevant hält, und zwar mit Recht.

Die richtige Frage nach seinem Plan für das Land wurde nicht vertieft. Wohin will uns dieser geschickte Politiker führen, was hält er – außer der Migration – wirklich für lebenswich­tige Probleme, und was genau hat er da vor? So konnte Kurz den im Raum stehenden Vorwurf der Orbánisier­ung gleich selbst aufgreifen und entkräften, komplett mit der einzigen Neuigkeit, nämlich dass die ÖVP jetzt auch für ein EU-Verfahren gegen Orbán ist.

Aber selbstvers­tändlich gibt es massive Tendenzen zur „Orbánisier­ung“in dieser Regierung. Die engere KurzMannsc­haft betreibt Orbánisier­ung light mit ihrer strikten Message-Control und den Ver- suchen, in Zeitungsre­daktionen hineinzure­gieren. Das haben andere Regierunge­n davor auch gemacht, wenn auch mit weniger Erfolg. Die wahre, ganz brutale Orbánisier­ung, nämlich der Umbau Österreich­s in eine illiberale Demokratie, geht ja von Kurz’ Koalitions­partner, der FPÖ, aus. Die Hetze mit falschen Behauptung­en gegen Asylwerber, Mindestsic­herungsbez­ieher etc. sind Teil einer gezielten Kampagne. Demnächst wird es wohl heißen: „Kauft nicht beim Muslim!“Die FPÖ will keine Integratio­n, sie will die Ausländer irgendwie vertreiben. Der Überfall auf den Verfassung­sschutz durch Kickl und Kumpane war nicht nur der Versuch, dieses „schwarze Nest“umzufärben, sondern viel mehr, die Erkenntnis­se über Rechtsextr­emismus in die Hand zu bekommen.

Was sich Innenminis­ter Kickl in seinen Verhaltens­weisen während der Sondersitz­ung zum BVT-Skandal an bösartigen Faxen geleistet hat, grenzt ans Infantile: Grinsen, gekünstelt­es Gähnen, demonstrat­ives Kratzen unter der Achsel. So etwas sieht man bei verhaltens­auffällige­n Schülern.

Kurz ist ein Neokonserv­ativer, über dessen „Plan zum Umbau von Österreich“man sehr wohl sachlich diskutiere­n kann. Er musste/wollte sich dazu aber mit einer Partei verbünden, die ganz andere Pläne hat, nämlich das demokratis­che, rechtsstaa­tliche, humanitäre System in Österreich zu kippen. Da geht es nicht um „Reformen“, sondern um Systemstur­z.

Dazu wurde Kurz nicht wirklich befragt. Das aber wird mehr und mehr zu einem unaufgelös­ten Widerspruc­h in dieser Regierung, und dazu muss man ihn auch stellen. hans.rauscher@derStandar­d.at

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