Kickl weiter für Grenzkontrollen
EU will diese „so schnell wie möglich“beendet sehen
Wien – Am Rande des zweitägigen Treffens europäischer Innenminister in Wien bekräftigte Herbert Kickl (FPÖ) zum Auftakt am Donnerstag, dem Drängen der EU auf ein Ende der Grenzkontrollen nicht nachzukommen. Österreich werde seine Kontrollen so lange aufrechterhalten, bis es einen funktionierenden EU-Außengrenzschutz „nicht nur auf dem Papier, sondern auch faktisch gibt“, sagte er. EU-Innen- und Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos will „so schnell wie möglich“ ein Aus für Kontrollen im Schengenraum. Avramopoulos soll heute, Freitag, bei der Konferenz in Wien anwesend sein, auch Italiens Innenminister Matteo Salvini hat sich angesagt. Es geht unter anderem um geplante Ausschiffungsplattformen in Nordafrika.
Am Donnerstag wurde in Wien die Ausweitung einer europäischen Polizeikooperation auf Westbalkanländer beschlossen. (red)
Seit längerem drängt die EU auf ein Ende der im Zuge der massiven Flüchtlingsbewegungen ab Herbst 2015 wiedereingeführten Grenzkontrollen im Schengenraum. Laut EU-Innenund Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos sollte das „so schnell wie möglich“passieren. Der Grund: „Wir haben den Weg für einen maximalen Schutz und eine Kontrolle der Außengrenzen der EU geebnet“, sagte er am Donnerstag den Zeitungen der FunkeMediengruppe. So soll etwa die Grenzschutzagentur Frontex bis 2020 signifikant auf 10.000 Personen aufgestockt werden. Derzeit hat die Agentur nach Eigenangaben 600 feste Mitarbeiter.
Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) hat aber mitnichten vor, dem Drängen der EU nachzukommen. Österreich werde seine Grenzkontrollen so lange aufrechterhalten, bis es einen Außengrenzschutz „nicht nur auf dem Papier, sondern auch faktisch gibt“, sagte er zu Beginn der Konferenz europäischer Innenminister und jener der Westbalkanstaaten im Wiener Austria Center.
Eine Aufhebung der Grenzkontrollen könne erst erfolgen, wenn der Schutz der Außengrenzen auch funktioniere. Laut Kickl sei das derzeit nicht der Fall. Das „Bedürfnis der Bevölkerung nach Sicherheit und Kontrolle“könne er „nicht einfach ignorieren“.
Keine Begeisterungsstürme
Thema am ersten Tag der Konferenz waren auch mögliche Asylrückkehrzentren auf dem Westbalkan. Laut Kickl gebe es „Kontakte mit mehreren Ländern“, wie er bei einer Pressekonferenz ausführte. Konkreter wurde Kickl nicht. „Wir wollen keine Debatte in der Öffentlichkeit, bevor die Eier gelegt sind.“Begeisterungsstürme seitens des Westbalkans löst die Idee von EU-Asylzentren in Drittstaaten, die von Österreich und Dänemark ins Spiel gebracht wurde, bisher nicht aus. Die Regierungen von Montenegro, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und Albanien haben bereits abgewinkt. Albaniens Innenminister Fatmir Xhafaj, der mit Kickl auf dem Podium saß, blieb bei diesem Thema zurückhaltend. „Kollege und Freund Herbert Kickl“habe die Frage bereits beantwortet, sagte Xhafaj ausweichend.
Kickl hob den Außengrenzschutz und die Kooperationen in puncto Migration und Sicherheit als jene Themen hervor, die es primär zu verfolgen gelte. Über Wege legaler Migration will Kickl hingegen nicht sprechen. „Darüber können wir reden, wenn wir bei den Bemühungen, die illegale Migration zu bekämpfen, entsprechende Erfolge erzielt haben.“
Fixiert wurde beim Treffen die Ausweitung einer bereits bestehenden internationalen Poli- zeikooperation mit den Westbalkan-Ländern. Konkret geht es um den Prümer Vertrag, der nationalen Behörden direkten Zugang auf DNA- oder Fingerabdruckdaten sowie auf Kfz-Registerdaten anderer Teilnehmerländer erlaubt.
Der Vertrag – 2005 von Österreich, den Benelux-Staten, Deutschland, Frankreich und Spanien unterzeichnet – wurde 2007 in den Rechtsrahmen der EU integriert. Künftig sind auch Polizeidaten aus Albanien, Mazedonien, Montenegro, Serbien oder Moldawien Teil des Pools.
Während sich am Donnerstag zahlreiche Minister durch Beamte vertreten ließen, dürfte am Freitag der zweite Tag des Innenministertreffens hochkarätiger besetzt sein. So könnten sich Kickl und Avramopoulos etwa in der Causa Grenzkontrollen persönlich austauschen. Auch Italiens Innenminister Matteo Salvini und EU-Sicherheitskommissar Julian King sowie Vertreter von nordafrikanischen Ländern werden erwartet.
Thema sind auch die Ausschiffungsplattformen, auf die sich die EU-Staats- und Regierungschefs Ende Juni geeinigt haben. Nur: Wie bei den Asylrückkehrzentren auf dem Westbalkan hat auch kein nordafrikanisches Land diese Plattformen bislang akzeptiert.
Seehofer lässt Wien aus
Deutschlands Minister Horst Seehofer lässt sich vertreten. Am Donnerstag hatte er verlautbart, dass sich Deutschland und Italien auf ein Rücknahmeabkommen verständigt hätten. Demnach nimmt Italien Flüchtlinge zurück, die in Italien einen Asylantrag gestellt haben, aber über Österreich nach Deutschland einreisen wollen. Im Gegenzug soll Deutschland Bootsflüchtlinge übernehmen. Im Schnitt soll es beim Abkommen um nur 1,5 Flüchtlinge pro Tag gehen.
Österreich wird seine Grenzkontrollen beibehalten, verkündet Innenminister Herbert Kickl. Er ist darum bemüht, das als einen Erfolg zu verkaufen, auf den wir stolz sein könnten. Aber nein, das ist kein Erfolg, das ist eine Niederlage, ein Rückschritt. Nationale Grenzkontrollen innerhalb der Europäischen Union hatten wir bereits überwunden geglaubt. Wir feierten die Reisefreiheit in einem Kreis von Staaten, die mehr verbindet als nur wirtschaftliche Interessen.
Kickl – und er wird wohl für die Regierung sprechen – will die Grenzkontrollen so lange beibehalten, bis es einen Außengrenzschutz „auch faktisch“gibt. Das wird dauern, wahrscheinlich Jahre. Dass die EU derzeit in dieser und anderen Fragen so schlecht funktioniert und deshalb in den Mitgliedstaaten so übel angeschrieben ist, kommt der FPÖ sehr gelegen. Das ist ihr Geschäftsmodell. Die Rechtsparteien in Europa legen es auf die Zerstörung der EU-Institutionen an, sie höhlen deren Grundfesten aus, sie wollen zurück zu befestigten Grenzen und kleingeistigem Lagerdenken: wir gegen die anderen. Da gilt das Miteinander nur für einen ganz engen, erhabenen Kreis. eshalb kann man sich von der FPÖ und der Regierung, der sie angehört, keine Lösungen erwarten. Die FPÖ hat kein Interesse an einer funktionierenden Union. Sie torpediert diese, wo sie kann. Der österreichische Innenminister positioniert sich klar gegen die Stärkung der EUGrenzschutzagentur Frontex. Die Kontrolle müsse bei den Nationalstaaten bleiben, ein „Zurückstellen der Souveränität“der einzelnen Länder dürfe es nicht geben, sagt er. Das ist eine gute Grundlage dafür, dass ein gemeinsamer Schutz der EU-Außengrenzen scheitern wird.
Die FPÖ lebt von Problemen, nicht von deren Lösung. Ohne Probleme gäbe es keine Schuldigen, die man dafür verantwortlich machen könnte – und das ist ein Grundpfeiler der freiheitlichen Politik. Daher wird das Feindbild des Ausländers, speziell des Flüchtlings, auch so sorgsam gepflegt.
Die Anregung von EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker an die österreichische Ratspräsidentschaft, man möge doch zukunftsfähige Lösungen in der Migrationspolitik ausarbeiten, wies Kickl unumwunden zurück. Er wolle nicht über legale
DWege der Migration reden – solange die illegale Migration nicht ausreichend bekämpft sei. Damit werden konstruktive Lösungsansätze aber automatisch ausgehebelt. Mit dem Streit über jedes ankommende Schiff werden die Idee und die Grundwerte der Europäischen Union untergraben.
Ein anderes, recht anschauliches Beispiel, wie Probleme auf nationaler Ebene geschaffen und Lösungen verhindert werden, ist der Feldzug der türkis-blauen Regierung gegen junge Asylwerber, die in Österreich eine Lehre absolvieren wollen. Das wird in Zukunft verunmöglicht. Damit scha- det man nicht nur der Wirtschaft, die diese Arbeitskräfte bräuchte, sondern verwehrt den Asylwerbern auch die Integration. Egal ob diese Menschen in Österreich bleiben oder zurück in ihr Herkunftsland gehen (müssen): Ihnen die Chance auf eine Ausbildung zu nehmen, ist von einer menschenverachtenden Destruktivität getragen, deren ideologische Bösartigkeit wirklich verwundert. Ohne Rücksicht auf Verluste wird einer bestimmten Personengruppe geschadet, weil das Gegeneinander in der kurzfristigen Stimmenmaximierung lohnender erscheint als das Miteinander.