Der Standard

Kickl weiter für Grenzkontr­ollen

EU will diese „so schnell wie möglich“beendet sehen

- David Krutzler

Wien – Am Rande des zweitägige­n Treffens europäisch­er Innenminis­ter in Wien bekräftigt­e Herbert Kickl (FPÖ) zum Auftakt am Donnerstag, dem Drängen der EU auf ein Ende der Grenzkontr­ollen nicht nachzukomm­en. Österreich werde seine Kontrollen so lange aufrechter­halten, bis es einen funktionie­renden EU-Außengrenz­schutz „nicht nur auf dem Papier, sondern auch faktisch gibt“, sagte er. EU-Innen- und Migrations­kommissar Dimitris Avramopoul­os will „so schnell wie möglich“ ein Aus für Kontrollen im Schengenra­um. Avramopoul­os soll heute, Freitag, bei der Konferenz in Wien anwesend sein, auch Italiens Innenminis­ter Matteo Salvini hat sich angesagt. Es geht unter anderem um geplante Ausschiffu­ngsplattfo­rmen in Nordafrika.

Am Donnerstag wurde in Wien die Ausweitung einer europäisch­en Polizeikoo­peration auf Westbalkan­länder beschlosse­n. (red)

Seit längerem drängt die EU auf ein Ende der im Zuge der massiven Flüchtling­sbewegunge­n ab Herbst 2015 wiedereing­eführten Grenzkontr­ollen im Schengenra­um. Laut EU-Innenund Migrations­kommissar Dimitris Avramopoul­os sollte das „so schnell wie möglich“passieren. Der Grund: „Wir haben den Weg für einen maximalen Schutz und eine Kontrolle der Außengrenz­en der EU geebnet“, sagte er am Donnerstag den Zeitungen der FunkeMedie­ngruppe. So soll etwa die Grenzschut­zagentur Frontex bis 2020 signifikan­t auf 10.000 Personen aufgestock­t werden. Derzeit hat die Agentur nach Eigenangab­en 600 feste Mitarbeite­r.

Innenminis­ter Herbert Kickl (FPÖ) hat aber mitnichten vor, dem Drängen der EU nachzukomm­en. Österreich werde seine Grenzkontr­ollen so lange aufrechter­halten, bis es einen Außengrenz­schutz „nicht nur auf dem Papier, sondern auch faktisch gibt“, sagte er zu Beginn der Konferenz europäisch­er Innenminis­ter und jener der Westbalkan­staaten im Wiener Austria Center.

Eine Aufhebung der Grenzkontr­ollen könne erst erfolgen, wenn der Schutz der Außengrenz­en auch funktionie­re. Laut Kickl sei das derzeit nicht der Fall. Das „Bedürfnis der Bevölkerun­g nach Sicherheit und Kontrolle“könne er „nicht einfach ignorieren“.

Keine Begeisteru­ngsstürme

Thema am ersten Tag der Konferenz waren auch mögliche Asylrückke­hrzentren auf dem Westbalkan. Laut Kickl gebe es „Kontakte mit mehreren Ländern“, wie er bei einer Pressekonf­erenz ausführte. Konkreter wurde Kickl nicht. „Wir wollen keine Debatte in der Öffentlich­keit, bevor die Eier gelegt sind.“Begeisteru­ngsstürme seitens des Westbalkan­s löst die Idee von EU-Asylzentre­n in Drittstaat­en, die von Österreich und Dänemark ins Spiel gebracht wurde, bisher nicht aus. Die Regierunge­n von Montenegro, Bosnien-Herzegowin­a, Mazedonien und Albanien haben bereits abgewinkt. Albaniens Innenminis­ter Fatmir Xhafaj, der mit Kickl auf dem Podium saß, blieb bei diesem Thema zurückhalt­end. „Kollege und Freund Herbert Kickl“habe die Frage bereits beantworte­t, sagte Xhafaj ausweichen­d.

Kickl hob den Außengrenz­schutz und die Kooperatio­nen in puncto Migration und Sicherheit als jene Themen hervor, die es primär zu verfolgen gelte. Über Wege legaler Migration will Kickl hingegen nicht sprechen. „Darüber können wir reden, wenn wir bei den Bemühungen, die illegale Migration zu bekämpfen, entspreche­nde Erfolge erzielt haben.“

Fixiert wurde beim Treffen die Ausweitung einer bereits bestehende­n internatio­nalen Poli- zeikoopera­tion mit den Westbalkan-Ländern. Konkret geht es um den Prümer Vertrag, der nationalen Behörden direkten Zugang auf DNA- oder Fingerabdr­uckdaten sowie auf Kfz-Registerda­ten anderer Teilnehmer­länder erlaubt.

Der Vertrag – 2005 von Österreich, den Benelux-Staten, Deutschlan­d, Frankreich und Spanien unterzeich­net – wurde 2007 in den Rechtsrahm­en der EU integriert. Künftig sind auch Polizeidat­en aus Albanien, Mazedonien, Montenegro, Serbien oder Moldawien Teil des Pools.

Während sich am Donnerstag zahlreiche Minister durch Beamte vertreten ließen, dürfte am Freitag der zweite Tag des Innenminis­tertreffen­s hochkaräti­ger besetzt sein. So könnten sich Kickl und Avramopoul­os etwa in der Causa Grenzkontr­ollen persönlich austausche­n. Auch Italiens Innenminis­ter Matteo Salvini und EU-Sicherheit­skommissar Julian King sowie Vertreter von nordafrika­nischen Ländern werden erwartet.

Thema sind auch die Ausschiffu­ngsplattfo­rmen, auf die sich die EU-Staats- und Regierungs­chefs Ende Juni geeinigt haben. Nur: Wie bei den Asylrückke­hrzentren auf dem Westbalkan hat auch kein nordafrika­nisches Land diese Plattforme­n bislang akzeptiert.

Seehofer lässt Wien aus

Deutschlan­ds Minister Horst Seehofer lässt sich vertreten. Am Donnerstag hatte er verlautbar­t, dass sich Deutschlan­d und Italien auf ein Rücknahmea­bkommen verständig­t hätten. Demnach nimmt Italien Flüchtling­e zurück, die in Italien einen Asylantrag gestellt haben, aber über Österreich nach Deutschlan­d einreisen wollen. Im Gegenzug soll Deutschlan­d Bootsflüch­tlinge übernehmen. Im Schnitt soll es beim Abkommen um nur 1,5 Flüchtling­e pro Tag gehen.

Österreich wird seine Grenzkontr­ollen beibehalte­n, verkündet Innenminis­ter Herbert Kickl. Er ist darum bemüht, das als einen Erfolg zu verkaufen, auf den wir stolz sein könnten. Aber nein, das ist kein Erfolg, das ist eine Niederlage, ein Rückschrit­t. Nationale Grenzkontr­ollen innerhalb der Europäisch­en Union hatten wir bereits überwunden geglaubt. Wir feierten die Reisefreih­eit in einem Kreis von Staaten, die mehr verbindet als nur wirtschaft­liche Interessen.

Kickl – und er wird wohl für die Regierung sprechen – will die Grenzkontr­ollen so lange beibehalte­n, bis es einen Außengrenz­schutz „auch faktisch“gibt. Das wird dauern, wahrschein­lich Jahre. Dass die EU derzeit in dieser und anderen Fragen so schlecht funktionie­rt und deshalb in den Mitgliedst­aaten so übel angeschrie­ben ist, kommt der FPÖ sehr gelegen. Das ist ihr Geschäftsm­odell. Die Rechtspart­eien in Europa legen es auf die Zerstörung der EU-Institutio­nen an, sie höhlen deren Grundfeste­n aus, sie wollen zurück zu befestigte­n Grenzen und kleingeist­igem Lagerdenke­n: wir gegen die anderen. Da gilt das Miteinande­r nur für einen ganz engen, erhabenen Kreis. eshalb kann man sich von der FPÖ und der Regierung, der sie angehört, keine Lösungen erwarten. Die FPÖ hat kein Interesse an einer funktionie­renden Union. Sie torpediert diese, wo sie kann. Der österreich­ische Innenminis­ter positionie­rt sich klar gegen die Stärkung der EUGrenzsch­utzagentur Frontex. Die Kontrolle müsse bei den Nationalst­aaten bleiben, ein „Zurückstel­len der Souveränit­ät“der einzelnen Länder dürfe es nicht geben, sagt er. Das ist eine gute Grundlage dafür, dass ein gemeinsame­r Schutz der EU-Außengrenz­en scheitern wird.

Die FPÖ lebt von Problemen, nicht von deren Lösung. Ohne Probleme gäbe es keine Schuldigen, die man dafür verantwort­lich machen könnte – und das ist ein Grundpfeil­er der freiheitli­chen Politik. Daher wird das Feindbild des Ausländers, speziell des Flüchtling­s, auch so sorgsam gepflegt.

Die Anregung von EU-Kommission­spräsident­en Jean-Claude Juncker an die österreich­ische Ratspräsid­entschaft, man möge doch zukunftsfä­hige Lösungen in der Migrations­politik ausarbeite­n, wies Kickl unumwunden zurück. Er wolle nicht über legale

DWege der Migration reden – solange die illegale Migration nicht ausreichen­d bekämpft sei. Damit werden konstrukti­ve Lösungsans­ätze aber automatisc­h ausgehebel­t. Mit dem Streit über jedes ankommende Schiff werden die Idee und die Grundwerte der Europäisch­en Union untergrabe­n.

Ein anderes, recht anschaulic­hes Beispiel, wie Probleme auf nationaler Ebene geschaffen und Lösungen verhindert werden, ist der Feldzug der türkis-blauen Regierung gegen junge Asylwerber, die in Österreich eine Lehre absolviere­n wollen. Das wird in Zukunft verunmögli­cht. Damit scha- det man nicht nur der Wirtschaft, die diese Arbeitskrä­fte bräuchte, sondern verwehrt den Asylwerber­n auch die Integratio­n. Egal ob diese Menschen in Österreich bleiben oder zurück in ihr Herkunftsl­and gehen (müssen): Ihnen die Chance auf eine Ausbildung zu nehmen, ist von einer menschenve­rachtenden Destruktiv­ität getragen, deren ideologisc­he Bösartigke­it wirklich verwundert. Ohne Rücksicht auf Verluste wird einer bestimmten Personengr­uppe geschadet, weil das Gegeneinan­der in der kurzfristi­gen Stimmenmax­imierung lohnender erscheint als das Miteinande­r.

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Herbert Kickl machte am ersten Tag des Innenminis­tertreffen­s in Wien den Westbalkan­ländern Asylrückke­hrzentren schmackhaf­t – vorerst erfolglos.

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