Maaßen unter Druck
Die SPD fordert die Entlassung des deutschen Geheimdienstchefs Maaßen. Der Regierung droht die nächste Zerreißprobe, doch möglicherweise löst sich eines ihrer Hauptprobleme schon bald von selbst.
Die Affäre rund um den deutschen Verfassungsschutzchef Maaßen, der in Sachen Chemnitz Seehofer und Merkel widersprach, beschert der SPD die Gelegenheit, sich Gehör zu verschaffen – nun fordert sie dessen Entlassung.
Die SPD ist in der großen Koalition nicht zu beneiden. Nur mit Mühe konnte die SPD-Spitze ihre Basis dazu überreden, die Partei nach der historischen Schlappe bei den Bundestagswahlen noch einmal in ein Regierungsbündnis mit Angela Merkel zu führen – mit dem Versprechen, sie würde selbstbewusster auftreten, eigene Akzente setzen, sich profilieren. Seither sind die Sozialdemokraten in Umfragen auf Werte weit unter 20 Prozent zurückgefallen, die AfD ist der Partei dicht auf den Fersen.
Die Affäre rund um Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen beschert der SPD die Gelegenheit, sich Gehör zu verschaffen – und sie ging in die Offensive. „Für die SPD-Parteiführung ist völlig klar, dass Maaßen gehen muss. Merkel muss jetzt handeln“, sagte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil. Zur Erinnerung: Maaßen widersprach im Zusammenhang mit den fremdenfeindlichen Vorkommnissen von Chemnitz offen – und mit Wissen seines Vorgesetzten, Innenminister Horst Seehofer (CSU) – Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Unter anderem zweifelte er die Echtheit eines Videos an, auf dem zu sehen ist, wie Ausländer verfolgt werden. Zudem nahm er Abstand von der von Merkel verwende- ten Interpretation, wonach es in Chemnitz zu „Hetzjagden“gekommen sei.
Im Kanzleramt kamen die drei Parteichefs Merkel, Seehofer und Andrea Nahles (SPD) zusammen, um über die Personalie Maaßen zu beraten. Pikant ist die Angelegenheit nicht zuletzt auch für die Kanzlerin. Einerseits will die SPD Profil zeigen, andererseits sieht Innenminister Seehofer keinen Grund, Maaßen zu entlassen.
Handlungsoptionen
Merkel dürfte es von der SPD und der Öffentlichkeit indes als Schwäche ausgelegt werden, wenn sie das ihr widersprechende Verhalten des Geheimdienstlers ohne weiteres toleriert. Doch sie müsste, um Maaßen loszuwerden, in letzter Konsequenz auch den Innenminister entlassen.
Dass Seehofer in der Auseinandersetzung mit Merkel bis aufs Äußerste zu gehen bereit ist, zeigte sich im Flüchtlingsstreit schon öfter. Ein neuerliches Zerwürfnis wird Merkel kaum riskieren. Die Folgen eines Kräftemessens wären ungewiss, ein Bruch der Unionsfraktion CDU/CSU könnte das Ende der Regierung einläuten.
Vier Wochen vor der Landtagswahl in Bayern, wo die CSU Umfragen zufolge auf magere 35 Prozent kommt – bei ebenfalls schwa- chen Zustimmungswerten für die CDU und die SPD –, werden sich die drei Koalitionspartner davor hüten, wegen der Personalie Maaßen das Bündnis zum Platzen zu bringen und Neuwahlen zu riskieren, von denen unter anderem die AfD profitieren würde.
Der Passauer Politologe Heinrich Oberreuter – selbst Mitglied der CSU – glaubt nicht, dass der Konflikt um Maaßen das Regierungsbündnis gefährden wird. „Die SPD sucht innerhalb der Regierung Konfliktfelder, um sich für ein linksliberales Milieu interessant zu machen. In der Affäre Maaßen hat sie ein solches Konfliktfeld gefunden“, sagt der 75Jährige. „Sie wird es aber nicht auf die Spitze treiben – und die Union lässt sich nicht dazu drängen, Herrn Maaßen zu entlassen.“
Möglicherweise erledigt sich für Merkel eines ihrer Probleme von selbst. Die miesen Umfragewerte für die CSU in Bayern deuten auf ein Desaster bei den Landtagswahlen Mitte Oktober hin. Die CSU rund um Ministerpräsident Markus Söder könnte für die Wahlschlappe die Bundespolitik in Verantwortung ziehen – und den 69-jährigen Seehofer opfern. Merkel wäre ihren aufmüpfigen Innenminister los, ohne selbst etwas dafür getan zu haben. Ein Szenario, das auch Oberreuter für möglich hält. Nach der Ära Seehofer könne die Akte Maaßen von Merkel noch einmal hervorgekramt werden. „Ist Seehofer weg, kann sich die Kanzlerin ungestörter mit der Personalie befassen.“