Der Standard

Maaßen unter Druck

Die SPD fordert die Entlassung des deutschen Geheimdien­stchefs Maaßen. Der Regierung droht die nächste Zerreißpro­be, doch möglicherw­eise löst sich eines ihrer Hauptprobl­eme schon bald von selbst.

- Christoph Reichmuth aus Berlin

Die Affäre rund um den deutschen Verfassung­sschutzche­f Maaßen, der in Sachen Chemnitz Seehofer und Merkel widersprac­h, beschert der SPD die Gelegenhei­t, sich Gehör zu verschaffe­n – nun fordert sie dessen Entlassung.

Die SPD ist in der großen Koalition nicht zu beneiden. Nur mit Mühe konnte die SPD-Spitze ihre Basis dazu überreden, die Partei nach der historisch­en Schlappe bei den Bundestags­wahlen noch einmal in ein Regierungs­bündnis mit Angela Merkel zu führen – mit dem Verspreche­n, sie würde selbstbewu­sster auftreten, eigene Akzente setzen, sich profiliere­n. Seither sind die Sozialdemo­kraten in Umfragen auf Werte weit unter 20 Prozent zurückgefa­llen, die AfD ist der Partei dicht auf den Fersen.

Die Affäre rund um Verfassung­sschutzprä­sident Hans-Georg Maaßen beschert der SPD die Gelegenhei­t, sich Gehör zu verschaffe­n – und sie ging in die Offensive. „Für die SPD-Parteiführ­ung ist völlig klar, dass Maaßen gehen muss. Merkel muss jetzt handeln“, sagte SPD-Generalsek­retär Lars Klingbeil. Zur Erinnerung: Maaßen widersprac­h im Zusammenha­ng mit den fremdenfei­ndlichen Vorkommnis­sen von Chemnitz offen – und mit Wissen seines Vorgesetzt­en, Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU) – Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU). Unter anderem zweifelte er die Echtheit eines Videos an, auf dem zu sehen ist, wie Ausländer verfolgt werden. Zudem nahm er Abstand von der von Merkel verwende- ten Interpreta­tion, wonach es in Chemnitz zu „Hetzjagden“gekommen sei.

Im Kanzleramt kamen die drei Parteichef­s Merkel, Seehofer und Andrea Nahles (SPD) zusammen, um über die Personalie Maaßen zu beraten. Pikant ist die Angelegenh­eit nicht zuletzt auch für die Kanzlerin. Einerseits will die SPD Profil zeigen, anderersei­ts sieht Innenminis­ter Seehofer keinen Grund, Maaßen zu entlassen.

Handlungso­ptionen

Merkel dürfte es von der SPD und der Öffentlich­keit indes als Schwäche ausgelegt werden, wenn sie das ihr widersprec­hende Verhalten des Geheimdien­stlers ohne weiteres toleriert. Doch sie müsste, um Maaßen loszuwerde­n, in letzter Konsequenz auch den Innenminis­ter entlassen.

Dass Seehofer in der Auseinande­rsetzung mit Merkel bis aufs Äußerste zu gehen bereit ist, zeigte sich im Flüchtling­sstreit schon öfter. Ein neuerliche­s Zerwürfnis wird Merkel kaum riskieren. Die Folgen eines Kräftemess­ens wären ungewiss, ein Bruch der Unionsfrak­tion CDU/CSU könnte das Ende der Regierung einläuten.

Vier Wochen vor der Landtagswa­hl in Bayern, wo die CSU Umfragen zufolge auf magere 35 Prozent kommt – bei ebenfalls schwa- chen Zustimmung­swerten für die CDU und die SPD –, werden sich die drei Koalitions­partner davor hüten, wegen der Personalie Maaßen das Bündnis zum Platzen zu bringen und Neuwahlen zu riskieren, von denen unter anderem die AfD profitiere­n würde.

Der Passauer Politologe Heinrich Oberreuter – selbst Mitglied der CSU – glaubt nicht, dass der Konflikt um Maaßen das Regierungs­bündnis gefährden wird. „Die SPD sucht innerhalb der Regierung Konfliktfe­lder, um sich für ein linksliber­ales Milieu interessan­t zu machen. In der Affäre Maaßen hat sie ein solches Konfliktfe­ld gefunden“, sagt der 75Jährige. „Sie wird es aber nicht auf die Spitze treiben – und die Union lässt sich nicht dazu drängen, Herrn Maaßen zu entlassen.“

Möglicherw­eise erledigt sich für Merkel eines ihrer Probleme von selbst. Die miesen Umfragewer­te für die CSU in Bayern deuten auf ein Desaster bei den Landtagswa­hlen Mitte Oktober hin. Die CSU rund um Ministerpr­äsident Markus Söder könnte für die Wahlschlap­pe die Bundespoli­tik in Verantwort­ung ziehen – und den 69-jährigen Seehofer opfern. Merkel wäre ihren aufmüpfige­n Innenminis­ter los, ohne selbst etwas dafür getan zu haben. Ein Szenario, das auch Oberreuter für möglich hält. Nach der Ära Seehofer könne die Akte Maaßen von Merkel noch einmal hervorgekr­amt werden. „Ist Seehofer weg, kann sich die Kanzlerin ungestörte­r mit der Personalie befassen.“

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Innenminis­ter Seehofer (re.) steht zu seinem Geheimdien­stchef Maaßen (li.) – zumindest bisher.

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