Türkische Justiz hat Österreicher im Visier
Insgesamt ein halbes Dutzend Festnahmen seit August
Ankara/Wien – Die türkische Justiz hat innerhalb eines Monats sechs österreichische Staatsbürger festgenommen. Die Mehrzahl der Fälle werde konsularisch nicht betreut, weil sie dem Außenamt in Wien nicht offiziell bekanntgemacht worden seien, gibt die ehemalige grüne Nationalrätin Berivan Aslan an.
Bei den Festgenommenen handelt es sich um Österreicher, die der kurdischen Minderheit in der Türkei angehören. Sie wollen ihre Identität aus Furcht vor Angriffen von Erdogan-Anhängern auf ihre Familienangehörigen in Österreich nicht preisgeben. Mit dem Studenten und Autor Max Zirngast nahm die Polizei in Ankara diese Woche erstmals auch einen nicht-türkischstämmigen Österreicher fest.
Zirngast müsste laut Gesetz spätestens heute, Freitag, einem Richter vorgeführt werden, der über Freilassung oder Inhaftierung entscheidet. Dem 29-jährigen Steirer wird – wie auch den anderen festgenommenen Österreichern – Unterstützung einer Terrororganisation vorgeworfen. Das Verhältnis zwischen Österreich und der Türkei ist angespannt, seit die Stadt Wien im Vorjahr eine prokurdische Demonstration erlaubt und die Vorgängerregierung von SPÖ und ÖVP den Abbruch der EUBeitrittsverhandlungen der Türkei zu einem politischen Ziel gemacht hat.
Ein türkischstämmiger österreichischer Familienvater ist seit 15. August in Edirne in Untersuchungshaft. Er war mit dem Auto über die bulgarisch-türkische Grenze eingereist. Ein Tiro- ler wurde laut Berivan Aslan eine Woche später, am 23. August, bei der Ankunft am Flughafen in Izmir festgenommen. Am vergangenen Wochenende nahm die türkische Polizei ebenfalls am AdnanMenderes-Flughafen in Izmir eine alleinerziehende Mutter aus Linz in Gewahrsam.
Unter dem Vorwurf der Terrorismushilfe ist am Dienstag auch ein über 70 Jahre altes österreichisches Ehepaar kurdischer Herkunft bei der Einreise an einem der Flughäfen in Istanbul festgenommen worden. Wie im Fall Zirngast hoffte auch der Anwalt des Ehepaars am Donnerstag auf die Freilassung seiner Mandanten.
Ermittlungen gegen Zirngast
Gegen Max Zirngast versucht die Staatsanwaltschaft in Ankara offenbar Ermittlungen wegen angeblicher Verbindungen zu einer illegalen kommunistischen Gruppierung anzustellen. Zirngast werde vorgeworfen, Studenten- und Kindercamps mitorganisiert zu haben, die mit einer Splittergruppe der türkischen kommunistischen Partei TKP verbunden sein sollen, so gab der Anwalt des jungen Steirers gegenüber der Onlinezeitung Arti Gercek an.
Die Staatsanwaltschaft in Ankara habe insgesamt acht Haftbefehle gegen angebliche Mitglieder der TKP/Kivilcim erlassen, meldete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu. Vier Personen seien daraufhin am Dienstagmorgen diese Woche festgenommen worden, darunter der junge Österreicher.
Zirngast selbst gab früher an, er sei in einer – legalen – linken Gruppe im Umfeld der prokurdischen Partei HDP engagiert.