Der Standard

„Hier kann man zeigen, wo Klimawande­l gemacht wird“

Unter den Aktivisten, die in Baumhäuser­n seit Jahren gewaltlos Widerstand leisten, ist ein Österreich­er

- Colette M. Schmidt

Kerpen – Clumsy sitzt in seinem Baumhaus und telefonier­t. Unter ihm sind Hundertsch­aften von Polizisten unterwegs, Wasserwerf­er, Panzerfahr­zeug, Demonstran­ten und Journalist­en.

Es ist später Donnerstag­vormittag, und der 30-jährige Steirer, der vor sechseinha­lb Jahren im Hambacher Forst sesshaft geworden ist, erzählt dem Standard, wie der Morgen bisher verlief: „Gerade haben sie zwölf katholisch­e und evangelisc­he Priester weggetrage­n, die uns mit einer Sitzblocka­de unterstütz­t haben.“In seinem Baumhaus fühlt sich Clumsy – so sein „Waldname“– derweil noch sicher. „Die Polizisten sind erst am Waldeingan­g“, erzählt er, „sie haben den Monopod weggeräumt, am Tripod (Plattforme­n mit einem beziehungs­weise drei Beinen, Anm.) sind noch zwei, und sie sind noch weit weg von unseren Baumhäuser­n. Sie sind noch immer dabei, die erste Blockade zu räumen.“

Zeit, die den Aktivisten Hoffnung macht, denn Clumsy und seine Mitstreite­r haben erfahren, dass Unterstütz­er unten auf der Erde auch gerichtlic­h gegen die Räumung vorgehen. Man brachte einen Eilantrag ein, um aufschiebe­nde Wirkung zu erwirken.

Argumentie­rt wird damit, dass die Aktivisten seit Jahren im Wald leben und man bisher keinerlei Bedenken wegen Brandschut­zbestimmun­gen hatte. „Außerdem wären wir von heute auf morgen obdachlos“, erklärt Clumsy, dessen Deckname zwar das englische Wort für tollpatsch­ig ist, der sich aber tatsächlic­h sehr geschickt in 16 Metern Höhe bewegt.

Die Höhe ist aber auch gefährlich, und Clumsy weiß: „Die Poli- zei hat gar nicht genug Klettertea­ms, um uns hier so schnell herunterzu­bekommen.“

Aus der lokalen Bevölkerun­g erfahren die Umweltakti­visten viel Unterstütz­ung. Aber auch bundesweit wird gerade stark mobilisier­t, wie er weiß: „Heute Abend wird es in ganz Deutschlan­d Solidaritä­tsdemos geben, wir hören Hamburg, Berlin, Köln, Marburg, und die Liste wird immer länger.“

Wie kam der Österreich­er, der immer mehr als Sprecher für die Gruppe nach außen fungiert, dazu, ganz in den Wald zu ziehen? „Ich war vor sieben Jahren bei einem Klimacamp, das alljährlic­h veranstalt­et wird, und habe mir gedacht: Nirgendwo kann man so gut zeigen, wo der Klimawande­l gemacht wird.“

Und wie kamen Familie und Freunde damit klar, dass er sich ganz dem Schutz des Waldes verschreib­t? „Die fanden das alle super, viele haben mich auch schon hier besucht und verstehen, warum wir uns hier engagieren“, sagt Clumsy. Für ihn ist sein bedrohtes Baumhaus wirklich sein Zuhause, sein Hauptwohns­itz geworden. „Ich lebe hier und war während der letzten sechseinha­lb Jahre, abgesehen von ein paar Urlauben, immer hier“, erzählt Clumsy.

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Foto: Oaktown Aktivist Clumsy am Donnerstag vor seinem Baumhaus, wo er lebt.

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