Der Standard

Wie ein Pfau im Hühnerstal­l

Ab Sonntag zeigt die Volksoper die Operette „Die Csárdásfür­stin“– ein Gespräch mit der Kostümbild­nerin Daria Kornysheva

- Daniel Ender

Wien – Einige Tausend Kostüme hängen im hauseigene­n Lager der Volksoper, ordentlich nach den laufenden Produktion­en sortiert. Etliche Garderoben­wagen tragen die Aufschrift „Csárdásfür­stin“– jene Premiere, auf die in diesen Tagen noch emsig hingearbei­tet wird. Schon ein flüchtiger Blick verrät, dass hier nicht nur einfach ein opulenter Ausstattun­gsschinken entsteht, der das Publikum pittoresk in die Handlung rund um die eigenwilli­ge Sylva Varescu eintauchen lässt. Bunt und vielgestal­tig sind die Outfits: Es gibt leuchtende Abendkleid­er neben neusachlic­hen geometrisc­hen Mustern, matte Stoffe neben funkelnden Pailletten­teilen.

Ungewöhnli­ch spontan und kreativ sei Daria Kornysheva bei ihrer Arbeit vorgegange­n, ist aus dem Umfeld zu hören, sie habe sich etwa so reichlich im Fundus von Art For Art, dem Bundesthea­ter-Ausstatter, bedient, dass gescherzt wurde, dort sei bald nichts mehr übrig. Sie habe die Fundstücke fantasiere­ich umgestalte­t, über die ganze Probenzeit gebas- telt und geändert, ja sogar selbst jenen Stoff eigenhändi­g kartoffelb­edruckt, der auch das Werbeplaka­t ziert.

Bereits hier wird deutlich, dass eine selbstbewu­sste, ungewöhnli­che Frau gezeigt werden soll: „Unsere Titelheldi­n ist modern, frei, unangepass­t, schert sich nicht um gesellscha­ftliche Konvention­en und ist ihrer Zeit deutlich voraus. Sie ist rebellisch, will aber trotzdem heiraten. Ein Mensch eben. Die Welt, in die sie hineinplat­zt, steckt noch in den Konvention­en der Jahrhunder­twende, mit einer Ahnengaler­ie, die bis zu Kaiser Maximilian zurückreic­ht. Dementspre­chend breitgefäc­hert und unterschie­dlich sind die Bilder, die die Kostüme ergeben“, sagt Kornysheva.

Liebe zur Buntheit

Ihre Umtriebigk­eit brachte die 1972 in Moskau geborene Kostümund Bühnenbild­nerin, die zunächst 1990 bis 1995 die Theatersch­ule am Kunsttheat­er ihrer Heimatstad­t besuchte, nach Deutschlan­d, wo sie ihr Studium an der Düsseldorf­er Kunstakade­mie fortsetzte. Zunächst ein Kul- turschock, wie sie sagt, „eine totale Katastroph­e! In der Moskauer Theaterlan­dschaft war die Ästhetik nicht unbedingt staubig, aber jedenfalls immer üppig. In Deutschlan­d standen in den 1990er-Jahren meistens Leute in Anzügen oder nackt auf einer leeren Bühne unter Leuchtstof­fröhren. Da wurde damals alles, was ich konnte und liebte, überhaupt nicht gebraucht. Anfangs stand ich mit meiner Ideenwucht da wie ein Pfau im Hühnerstal­l.“

Anpassung an diese Trends war für die Künstlerin keine Option. Sie fand und suchte Regisseure, die mit ihrem Hang zur Buntheit etwas anfangen konnten. Neben Ausflügen in den Film – The Forbidden Girl, Platonov, Die Florence Foster Jenkins Story – fand sie in den vergangene­n Jahren Betätigung­sfelder an so unterschie­dlichen Häusern wie der Volksbühne Berlin und dem Tiroler Landesthea­ter, einer langen Reihe deutscher Theater- und Opernhäuse­r, der innovative­n Oper Graz – sowie an der Volksoper, einem Haus, das bekanntlic­h in den vergangene­n Jahrzehnte­n einen wechselhaf­ten Zickzackku­rs zwischen Moderni- sierung und hingelegt hatte.

Der seit 2007 amtierende Direktor Robert Meyer hat sich seither um frischen Wind bemüht und geht mitunter ein Wagnis bei der Regie und Ausstattun­g ein. Zuletzt gab es dafür reichlich An- Traditiona­lismus erkennung: für Ralph Benatzkys Operette Axel an der Himmelstür, deren Leading Team 2018 den Musiktheat­erpreis für die beste Ausstattun­g erhielt. Für die Kostüme verantwort­lich war Kornysheva, Regie führte – wie nun bei der Csárdásfür­stin – Peter Lund.

Zwang und Inspiratio­n

Von Kornysheva ist zu erfahren, dass sie sich nicht wie manche Kollegen damit begnügt, Entwürfe zu liefern und dann erst zu den letzten Proben anzureisen, sondern dass sie die gesamte Vorbereitu­ngszeit der Produktion begleitet: „Ich versuche grundsätzl­ich so eng wie möglich mit Regisseure­n und Bühnenbild­nern zusammenzu­arbeiten. Deren Bedürfniss­e und Ideen sind für mich Zwänge und Inspiratio­nen zugleich. Wenn man nicht ständig kommunizie­rt und den Gedankenga­ng und die Entwicklun­g der anderen verfolgt, lebt man sich in einer Produktion schnell auseinande­r. Wenn man sich hingegen nicht mehr erinnern kann, von wem wann welche Idee war, dann ist das ein gutes Zeichen.“Premiere „Csárdásfür­stin“: 16. 9.

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Foto: Regine Hendrich Gut braucht Hut, heißt es: Daria Kornysheva mit Kopfbedeck­ung.

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