Ooooh, war das schön
Die Ars Electronica 2018 ist Geschichte, und zwar die eines Erfolgs. Auch die Biografie des Festivals ist speziell. Sie gleicht jener der digitalen Revolution.
Nächstes Jahr wird die Ars Electronica vierzig, und das als extrem geschichtsträchtiges Festival. Da lohnt sich ein Blick zurück an den Beginn.
„Erstmals in Europa wird ein Heimcomputer vorgestellt, der auch von Laien als Kunstproduktionsgerät eingesetzt werden kann“, verkündete 1979 der damalige Linzer Bürgermeister Franz Hillinger im Katalog der ersten Ars Electronica. Und Hannes Leopoldseder, Intendant des ORF-Landesstudios Oberösterreich, erläuterte: „Nach dem Forum Metall 1977, der Pop-Messe der Linzer RockGruppe Eela Craig 1978, steht 1979 die Elektronik im Spannungsfeld zwischen Kunst, Technik und Gesellschaft innerhalb des Brucknerfestes.“
Leopoldseder zeichnete mit dem Kybernetiker Herbert W. Franke und dem Elektronikmusiker Hubert Bognermayr verant- wortlich für das Konzept des neu geborenen Festivals. Dessen spektakulärstes Highlight war die Linzer Klangwolke. Rund 100.000 Besucher bestaunten die Open-AirAufführung von Anton Bruckners achter Symphonie im Donaupark. Eine Weltneuheit: die erste Bruckner-Aufführung mit Computertechnik als „sichtbare Musik“!
Insgesamt sollte ein Aufbruch signalisiert werden. Franke versicherte: „Gerade jetzt, da man sich der Notwendigkeit einer ,sanften Technik‘ bewusst geworden ist, die weniger auf materiellen Wohlstand abgestimmt ist, sondern eher auf eine Bewahrung und Erhöhung jener Werte, die man die geistigen nennt, bedeutet auch das Schlagwort von den ,Grenzen des Wachstums‘ eine unzulässige Verallgemeinerung: In bestimmten Belangen ist Wachstum erstrebenswert und notwendig – beispielsweise Wachstum von Menschlichkeit, Wachstum von Freiheit, Wachstum von Wissen und Wachstum von Schönheit.“
Der modulierte Mensch
Die Elektronik, so der Physiker, sei das „typische Beispiel einer sanften Technik“. Mit „immer weniger materiellem Aufwand“würden durch sie „immer höhere Leistungen erbracht“. Am Symposion „Der modulierte Mensch“der ArsErstausgabe nahmen unter anderen der Zukunftsforscher Robert Jungk, der Medientheoretiker Barrington Nevitt und der Musikexperte Siegfried Schmidt-Joos teil.
Zudem setzte die Rockgruppe Ekseption mit dem Elektronikpionier Ludwig Rehberg ihre Musik „spontan durch einen Videosizer in modulierte Formen und Farben um“. Zum Einsatz kam auch „die größte Computerorgel der Welt“.
Das war vor 39 Jahren. 1980 beschloss man, die Ars Electronica biennal fortzuführen. Und ab 1986 (erfolgsbedingt) jährlich.
Von da an war auch Peter Weibel beteiligt, erst in beratender Funktion, später mit Gottfried Hattinger als Programmgestalter und ab 1993 als künstlerischer Leiter – bis 1996 das Ars Electro- nica Center eröffnet wurde und Gerfried Stocker diese Funktion übernahm.
Die Biografie des Festivals ist geprägt von den Beziehungsstrukturen zwischen digitaler Technologie, Kunst und einer sich rasant verändernden Gesellschaft. Dieser „Speicher“der Geschichte von Visionen und deren Koalitionen macht sichtbar, welche Hoffnungen damals in die Technologie gesetzt wurden. Und auch, wie sehr sich ganz klassisch die Vorstellungskraft auf einen faustischen Pakt mit den Unvorhersehbarkeiten einer als schön empfundenen digitalen Welt eingelassen hat.
An der diesjährigen Festivalausgabe, deren 614 Einzelveranstaltungen in fünf Tagen 105.000 Besuche verzeichneten, war der Status dieses Pakts abzulesen. Und man konnte darüber nachdenken, ob Herbert W. Franke recht behalten hat.