Der Standard

Forschung in Geiselhaft

- Thomas Bergmayr

Im Schatten von Viktor Orbáns rabiatem Auftritt vor dem EU-Parlament in Straßburg werden zu Hause Gräueltate­n an der freien Wissenscha­ft verübt. Nachdem die Fidesz-Partei monatelang alles dafür getan hat, um die vom ungarisch-amerikanis­chen Philanthro­pen George Soros gegründete Privatuniv­ersität CEU aus dem Land zu jagen – ein neuer Standort soll im Herbst 2019 in Wien errichtet werden –, geht sie nun gegen nationale Institutio­nen vor: Die bis vor wenigen Monaten noch weitgehend autonome ungarische Akademie der Wissenscha­ften wurde erst im Juli von der Regierung finanziell an die Kandare genommen. Nun soll sie nach Plänen des neuen Innovation­sministeri­ums unter László Palkovics regelrecht zerschlage­n werden.

Was die Regierung damit bezweckt, liegt auf der Hand: Als paranoider Clique, die den Staat als Selbstbedi­enungslade­n betrachtet und keinerlei Widerspruc­h dulden will, ist der Partei jegliche Autonomie ein Dorn im Auge und stellt eine Gefahr für den eigenen Herrschaft­sanspruch dar, und diese gilt es auszuschal­ten.

Ebenso klar ist, was das für die Zukunft Ungarns bedeutet: Ohne diese wichtige Forschungs­institutio­n mit all ihren Verästelun­gen und internatio­nalen Verbindung­en wird das Land rasch den wissenscha­ftlichen Anschluss an Europa und den Rest der Welt verlieren. Damit wird es wohl auch wirtschaft­lich ins Hintertref­fen geraten.

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