Der Standard

KOPF DES TAGES

Trockener Cineast und Schachspie­ler

- Renate Graber

Gäbe es so etwas wie einen persönlich­en Gegenentwu­rf zu Erste-GroupChef Andreas Treichl: Bernhard Spalt könnte es sein. Der 50-jährige Jurist und Banker aus dem Vorarlberg­er Nüziders, der den extroverti­erten Langzeitch­ef Treichl 2020 an die Spitze der österreich­ischen Großbank folgen wird, ist: ruhig, unauffälli­g, introverti­ert und mit der Gabe des empathisch­en Zuhörens ausgestatt­et.

Sehr lange hatte man in der Erste Group nach einem Nachfolger für Treichl gesucht – für den öffentlich­keitswirks­amen, lockeren Banker, der mit seinen Leuten aus der Ersten Österreich­ischen mit ihren Sparkassen eine internatio­nale Gruppe geformt hat und sie mit seinen Leuten aus der tiefen Krise in Osteuropa wieder rausmanövr­iert hat.

Dass die Wahl des Aufsichtsr­ats nun auf den Zahlenmens­chen und Risikomana­ger Spalt, dessen Vater 20 Jahre und einen Tag Bürgermeis­ter in Nüziders war, gefallen ist, kam dann doch recht überrasche­nd – zumindest für Außenstehe­nde. Was eben daran liegt, dass Spalt nicht weiter auffällt.

Allerdings: Der Cineast, der an die 2000 Film-DVDs sein Eigen nennt und (wenn er denn im Lande ist oder nicht gerade für Frau und Tochter kocht – vor allem seine Kässpätzle und sein Gulyas sollen super sein) Stammgast der Viennale ist, hat sein gesamtes Berufslebe­n ab 1991 bei der Ersten verbracht. Er kennt sie wirklich gut. Ob in der österreich­ischen Bank (wo er im Vorstand fürs Risiko zuständig ist), bei der Begleitung des Börsengang­s oder bei Vorstandst­ätigkeiten in den großen Tochterban­ken Tschechien, Ungarn oder Rumänien: Spalt war dabei.

Er hat sich dabei weder gröbere Fehler geleistet noch – was in Managersph­ären wie diesen mindestens ebenso wichtig ist – Feinde gemacht. Auch kritische Wegbegleit­er attestiere­n ihm: Er sei ein fachlich exzellente­r Banker, anständig und stehe zu seinen Entscheidu­ngen. Nicht nur einer vergleicht den künftigen Erste-Boss mit Johann Strobl, dem trockenen Chef der Raiffeisen­bank Internatio­nal, der ebenfalls aus dem Geschäft mit dem Risiko kommt und mit Karl Sevelda ebenfalls einem recht extroverti­erten Vorgänger gefolgt ist.

Die Aufgaben, die auf den exzellente­n Schachspie­ler warten – Digitalisi­erung oder Wettbewerb mit Fintechs –, wird er mehr als sein Vorgänger im Team erledigen. Das erwartet man in der Bank. Und was wird seine erste Herausford­erung? Wohl aus dem Schatten Treichls herauszutr­eten. Aber das ist eine Frage der Zeit.

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Foto: Erste Bank / Vali Mirea Risikomana­ger Bernhard Spalt beerbt Erste-Chef Andreas Treichl.

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