Der Standard

Türkisches Widerstand­snest

- Andreas Schnauder

Etwas Gutes hat die massive Leitzinsan­hebung in der Türkei auf 24 Prozent: Die Notenbank hat bewiesen, dass sie nicht am Gängelband von Präsident Tayyip Erdogan hängt. Ob das wiederum den Notenbanke­rn gut bekommt, steht auf einem anderen Blatt Papier. Zwar ist die türkische Zentralban­k formal unabhängig. Allerdings hat sich der Staatschef das Recht ausbedunge­n, den obersten Währungshü­ter im Alleingang bestellen zu können. Wie lange Erdogan das Widerstand­snest noch dulden wird, ist derzeit unklar.

Die Notenbank hat schon öfter den Zorn des Sultans auf sich gezogen. Dieser ist Staats-, Militär- und – seit kurzem – Staatsfond­schef und hat in den letzten Monaten enge Verbündete an jede erdenklich­e Schaltstel­le gesetzt. Es wäre ein kleines Wunder, würde die Notenbank vom Größenwahn des angeschlag­enen Machthaber­s verschont bleiben.

Die Türkei hat derzeit ohnehin nur die Wahl zwischen Pest und Cholera. Ohne Zinserhöhu­ng dürfte die schon galoppiere­nde Inflation weiter steigen und in der Folge die bereits um 40 Prozent abgewertet­e Lira weiter fallen. Das verschärft wiederum das Problem der hohen Verschuldu­ng in Dollar und Euro. Die Zinserhöhu­ng wiederum könnte die bereits deutlich abgekühlte Konjunktur zusätzlich belasten. Und für die Bedienung der Kredite durch überschuld­ete Unternehme­n und öffentlich­e Haushalte sind steigende Raten auch nicht allzu förderlich.

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